„Das ist nur für die Außenstehenden“, erklärte Vater und deutete auf zwei unauffällige Säulen rechts und links von der Fahrbahn. „Technisch gesehen bräuchte es gar keine Schranke. Unbefugten würde entweder über den Bordcomputer der Saft abgedreht, oder zwanzig Meter weiter fährt eine Leiste aus der Straße, die die Reifen durchlöchert. Aber die Leute verstehen durch die Schranke besser, dass von ihnen erwartet wird, sich auszuweisen.“ Tatsächlich näherte sich ein Mann in dunkler Uniform, grüßte kurz, öffnete die Schranke und winkte uns durch. „Der gehört zu einer speziellen Sicherheitsfirma“, erklärte Vater sofort. „Die arbeiten nur für BRAXWORLD. Sie sorgen auf dem Firmengelände für Ordnung.“
Falls er das gesagt hatte, um mich zu beruhigen, dann funktionierte das gar nicht. Ich kam mir zunehmend wie eine Laborratte vor. Herr Späth gab etwas in den Autocomputer ein und lehnte sich entspannt zurück. Der Wagen fuhr langsam über eine Kreuzung in das Gelände. „Ein selbststeuerndes Auto“, erklärte Vater sofort. „Die Mitarbeiter fahren auf dem Gelände alle solche autonomen Fahrzeuge und der Verkehr wird zentral überwacht und notfalls gesteuert.“
„Eines der Zukunftsprojekte?“, fragte ich mit trockenem Mund.
„Ja. Das läuft sehr erfolgreich. Energiesparend und kaum Unfälle“, erklärte Papa.
Der Weg zur Schule führte durch eine Geschäftsstraße mit gleichförmigen Würfelbauten und an mehrstöckigen Wohnhäusern und Reihenhäusern vorbei. Jede Häuserzeile sah zum Verwechseln gleich aus. Es gab kaum Bäume, Büsche oder Rasen. Alles war ordentlich, übersichtlich, langweilig, steril. An jeder Ecke entdeckte ich Kameras.
Weiter entfernt sah ich Hallen und Bürohäuser, in denen BRAXWORLD untergebracht sein musste. Hier konnten Menschen freiwillig leben? Ich musste an Alice, Mike und Paula denken. Wie hielten sie es hier nur aus? Eigentlich sollte Juri froh sein, dass er jetzt nicht mehr hier wohnen musste! Was mich irritierte, war nicht, dass die sogenannte Stadt der Zukunft künstlich wirkte. Damit hatte ich aufgrund der Bilder, die mir mein Vater im Flugzeug gezeigt hatte, gerechnet. Aber dass die Menschen hier genauso aussahen, sich fortbewegten und verhielten, wie in jeder normalen Stadt, überraschte mich. Es wäre mir lieber gewesen, wenn Roboter mit Einkaufstaschen unterwegs gewesen wären, die Fenster putzten oder sich unterhielten. Das wäre auf jeden Fall passender gewesen.
Der Wagen hielt vor einem Gebäude, das von den Bürogebäuden nicht zu unterscheiden war. An der Eingangstür wartete ein grauhaariger Mann in kariertem Sakko und mit einem typischen Lehrerbart.
„Schulleiter Bleisteiner holt dich persönlich ab. Sehr aufmerksam!“, sagte Papa. Er beugte sich zu mir rüber und nahm meine Hand. „Wenn du da jetzt reingehst, wirst du offiziell ein Teil des Systems Braxcity.“ Er tat so, als würde er mich zum Abschied auf die Wange küssen, flüsterte mir aber zu: „Ich kenne dich, dir wird vieles daran sehr sauer aufstoßen. Bitte mach trotzdem mit. Du weißt wieso.“
Ich nickte bestätigend, obwohl einfach irgendwo mitzumachen noch nie mein Ding war. Schon allein bei dieser Flüsterunterhaltung mit meinem Vater stellten sich mir die Nackenhaare auf.
„Du machst das schon. Du bist schließlich meine Tochter und ich kenne dich besser, als du denkst“, sagte Papa, bevor Herr Späth die Autotür auf meiner Seite öffnete.
„Lara Ritter! Willkommen an der Braxton School!“, begrüßte mich Bleisteiner, als ich auf ihn zuging. Er streckte mir seine Hand entgegen, die ich ergriff und es sofort bereute. Ich hatte das Gefühl, einen nassen, kalten Teigklumpen zu halten.
„Wir gehen erst mal in mein Büro, da kann ich dir das Wichtigste erklären“, sagte er in einem verbindlichen Ton.
Er führte mich durch schmucklose Gänge, von denen die Türen in Klassenräume abgingen. Dabei redete er vor sich hin: „Ich habe dich in die höchste Leistungsklasse eingeteilt, aufgrund deiner Texte und Arbeiten aus der internationalen Schule Neu-Delhi.“
„Sie haben meine Arbeiten gelesen? Ich dachte, es gäbe so etwas wie Datenschutz an Schulen“, unterbrach ich den Schulleiter überrascht.
Er drehte sich zu mir und lächelte wie ein Versicherungsvertreter. „Deine alte Schule hat uns selbstverständlich alle nötigen Informationen weitergeleitet. Das ist übrigens eine völlig gängige Praxis bei einem Schulwechsel dieser Art.“
Er stieß eine der Türen auf, betrat das dahinterliegende Sekretariat, grüßte im Vorbeigehen die Mitarbeiterinnen hinter der Theke und öffnete die Tür zu seinem Büro.
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