Die Grüne Feder. Petra Teufl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra Teufl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783863270575
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      Sie strahlte mich aus einem sommersprossigen Gesicht an, als wären wir schon seit Jahren befreundet.

      „Du darfst dich durch unser Prinzesschen nicht beeindrucken lassen. Wie gefällt es dir in Regensburg?“, fragte sie.

      „Es geht so“, antwortete ich. „Alles ein bisschen seltsam hier.“

      „Kann ich mir vorstellen. Nach Indien wirkt das hier alles wahrscheinlich wie ein anderer Planet“, sagte sie verständnisvoll. Nach wenigen Metern zog Mike aus seiner Jackentasche eine gefaltete Frisbeescheibe heraus. Er machte einige Probewürfe in die Luft und fing sie wieder auf. Er war offensichtlich der Sportler der Gruppe. Während sein Körper voll durchtrainiert aussah, verriet sein Gesicht, dass es noch eine andere Seite an ihm geben musste. Er trug sein Haar halblang und eine Brille verlieh ihm die Aura eines Musterschülers.

      „Mike ist unser Muskelprotz und Nerd“, erklärte Alice und fing sich einen schnellen Boxhieb von Mike dafür ein. „Aua!“, schimpfte sie und schlug zurück. Sie traf aber nicht, weil Mike in Deckung ging. „Das stimmt doch!“, behauptete sie lachend. „Du machst viel Sport und hast von uns die meiste Ahnung von dem technischen Computerzeugs.“

      „Alice neigt zu Übertreibungen“, entgegnete Mike.

      „Kann ich dich gleich mal was fragen?“, sagte ich.

      „Klar“, antwortete Mike.

      „Ich hatte vorhin schon das erste Computerproblem. Ich wollte die Suchmaschine Lookover installieren. Die habe ich bisher immer benutzt. Das hat nicht funktioniert. Immer wieder wurde nur die Suchmaschine FLOWERS geöffnet.“

      In den Gesichtern der anderen zeichneten sich Fragezeichen ab. Was hatte ich denn jetzt schon wieder gesagt? Das war doch eine ganz normale Frage!

      „Du bist aber schon die Tochter vom Ritter, oder?“, fragte Alice erstaunt. Ich zuckte mit den Schultern. „Ja, ich weiß. Hab ich mir auch schon anhören dürfen: Stellt die sich so doof oder ist sie es tatsächlich?“

      „O-Ton Juri?“, fragte Mike.

      „Ja. Um es gleich mal klarzustellen“, sagte ich entschieden. „Ich weiß so gut wie nichts über dieses Braxtonzeugs.“ Alice und Mike sahen sich an. Glaubten sie mir etwa nicht? „Wisst ihr“, entfuhr es mir genervt, „ich habe auf sowas keine Lust. Wenn ihr mir nicht glaubt, dann sagt es und ich gehe. Kein Problem.“

      Alice verzog den Mund zu einer Schnute und Mike nickte leicht. „Kann so ein Lockenkopf lügen?“, frage Alice lachend und wuschelte mir durch die Haare. „Wir glauben dir.“

      „Danke“, antwortete ich erleichtert. Am liebsten hätte ich Alice und Mike gleich gefragt, ob sie auch irgendwelche dunklen Geheimnisse hüteten. Was hätten sie mir wohl geantwortet? Wahrscheinlich hätten sie mich angeschaut als wäre ich ein rosa Riesenkaninchen, das völligen Unsinn redet. Ich forderte von Mike die Frisbeescheibe. Er warf sie mir zu. „Du bekommst in ganz Regensburg kein freies Internet“, erklärte Mike. „Das ist so: BRAXWORLD verkauft hier seine vorinstallierten Geräte zum Schleuderpreis. Jeder Haushalt hier nutzt sie. Auch die Geräte von anderen Anbietern werden zunehmend mit BRAXWORLD Software vorinstalliert. Mit denen kannst du nur BRAXWORLD Programme benutzen. Und die sind so beschaffen, dass ...“

      „Mike!“, platzte Alice warnend dazwischen. „Erschrick Lara nicht gleich am ersten Tag!“

      Mike nickte und fing die Frisbeescheibe, die ich ihm zuwarf. „Man kann es sowieso nicht beschreiben, man muss es erleben!“, rief er höhnisch, reckte seine Arme in die Luft und warf das Frisbee hoch in die Luft. Meine Hoffnung auf normal denkende Freunde schwand dahin. Jedenfalls hatte ich verstanden, dass Tante Edith recht hatte, als sie behauptete, ich käme mit Herrn Späths Geräten nicht aus der Welt von BRAXWORLD heraus.

      „Los Leute!“, forderte Alice. „Lasst uns ein paar Runden werfen“. Sie lief einige Meter weg und Mike warf ihr die Scheibe zu. Ich stellte mich ans andere Ende der Wiese und sogar Juri und Paula, die tuschelnd abseits gestanden hatten, machten mit. Die Scheibe flog erst artig durch die Runde und wurde dann immer frecher geworfen. Ich war in meinem Element. Frisbee hatte ich oft in der Schule in Indien gespielt. Alice lachte, wenn ich die scharfen Würfe von Juri auffing und mit einem extra Dreh wieder zurück schleuderte. „Endlich eine Gegnerin, die dir gewachsen ist, Juri!“, rief sie quer über das Feld. Ihm schien das weniger zu gefallen. Paula machte nach einigen Würfen schlapp und setzte sich unter einen Baum. Juri warf ihr seine Lederjacke zu. Paula hängte sie sich über die Schultern und lächelte ihn an. Ich beobachtete die Szene, was meiner Konzentration schadete, denn die nächste Scheibe glitt mir unkontrolliert aus der Hand und traf Paula an der Schulter.

      „Du Trampel …“, schimpfte sie los.

      „Entschuldige, tut mir leid!“, rief ich sofort.

      „Ach Lara, kein Problem. Ich kann es mir nicht leisten, mich mit der Tochter vom Ritter anzulegen“, fauchte sie alles andere als elfenhaft.

      Mike stand neben mir und flüsterte mir zu, ich solle Paula bloß nicht ernst nehmen. Die habe zurzeit schlechte Laune. Juri holte die Scheibe und redete leise mit Paula. Sie sah ihn daraufhin an, als würde sie sagen: „Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?“ Dann legte sie sich auf Juris Lederjacke und schloss die Augen. Die beiden passten wirklich super zusammen, schoss es mir durch den Kopf. Beide arrogant und feindselig. Sie hatten sich jedenfalls gegenseitig verdient.

      Nachdem sich Paula ausgeklinkt hatte, hatten wir noch einen tollen Nachmittag. Zu meiner Überraschung rannte und lachte Juri genauso ausgelassen wie wir anderen. Es machte so viel Spaß, dass wir erst aufhörten, als wir die Frisbeescheibe im Dunkeln nicht mehr sehen konnten. Mike und Alice verabschiedeten sich und wir verabredeten uns für den kommenden Tag an derselben Stelle.

      „Ich bring Paula nach Hause, ihr geht es nicht so besonders“, meinte Juri. „Findest du den Weg zum Fischmarkt allein?“

      „Klar, kein Problem!“, antwortete ich.

      „Du musst nur wieder zur Allee …“

      „Keine Sorge, ich habe mich in Neu-Delhi zurechtgefunden, da werde ich Regensburg auch schaffen.“ Juris Kiefermuskeln zuckten, sein Blick lag prüfend auf mir, was mich verlegen machte. Schnell wischte ich auf dem Screen meines Smartphones herum und öffnete das Navi.

      „Gib mal dein Handy her, ich stell dir das Navi ein“, sagte Juri freundlich und nahm mir das Handy aus der Hand. Ich wollte schon protestieren, da sagte er leise: „Ärgere dich nicht über Paula. Ihre Familie hat zurzeit ziemliche Schwierigkeiten. Dein Vater macht ihnen gerade die Hölle heiß.“ In Gedanken formulierte ich schon eine giftige Antwort, als ich bemerkte, dass in Juris Stimme keinerlei Vorwurf mitschwang. Verwirrt verfolgte ich, wie Juri unsere Adresse in das Navi eingab. Der Zeigefinger seiner linken Hand lag auf dem Mikrofon des Smartphones. Dass Juri das machte, wunderte mich nicht. Schließlich litt er an Verfolgungswahn. Mich wunderte, dass es mir auffiel.

      „Kannst du bitte mein Handy mitnehmen und vor unsere Wohnungstür legen?“, fragte er. „Muss keiner wissen, dass ich Paula begleite.“ Er hielt mir sein Handy entgegen, wobei er auch bei diesem Kamera und Mikro abdeckte.

      „Klar, kein Problem“, antwortete ich. Obwohl ich mich darüber wunderte, steckte ich sein Handy ein.

      „Wen sollte es denn interessieren, wo dein Handy spazieren geht? Reicht es nicht, wenn du die GPS-Ortung abschaltest?“, fragte ich.

      „Frag das lieber deinen Papa. Bis morgen dann!“, sagte Juri, drehte sich um und ging zu Paula. Ich sah ihm irritiert hinterher, bis mich Paulas Blick traf. Der hätte einen heißen Backofen einfrieren können. Paulas Botschaft an mich war eindeutig. Sie wünschte mich ans dunkle, kalte, morastige Ende der Welt.

       April des siebten Jahres mit der Grünen Feder:

      

      Hoffentlich geht alles gut! Es war leichtsinnig, aber ich musste dieser russischen Familie helfen.

      Lara