Entfesselt laufen. Jay Dicharry. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jay Dicharry
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783868675252
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von etwa 15 Prozent unseres Körpergewichts, einfach nur durch die Anstrengung des Laufens. Beim Laufen entsteht eine riesige Belastung, die bei jedem einzelnen Schritt von allen Seiten auf den Körper einwirkt. Kein Wunder, dass Laufen so anstrengend ist!

      Diese absolute Kraftweinwirkung auf Ihren Körper ist bis zu einem gewissen Punkt mechanisch. Aber die Reaktion Ihres Körpers darauf ist nicht einfach nur mechanisch. Stellen Sie sich einen Gummiball vor. Wenn Sie einen Gummiball vom Dach werfen, wird er zunächst beschleunigt, bis er auf den Boden fällt. Wenn er mit dem Boden kollidiert, wird die Energie des Aufpralls den Ball ein wenig zusammendrücken, und dann wird der Ball vom Boden abgestoßen und wieder nach oben hüpfen. Der Ball ist passiv. Wie sehr er komprimiert und abgestoßen wird, hängt von der Dichte des Gummis ab, aus dem er hergestellt ist. Das ist eine einfache Illustration dessen, wie ein passives Objekt auf Belastung reagiert. Und jetzt stellen Sie sich vor, wie Sie die Füße heben und mitten im Laufschritt praktisch durch die Luft schweben. Dabei wirkt dieselbe Schwerkraft auf Sie ein, die den Ball beschleunigt hat, und bringt Sie zurück auf die Erde. Aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Denn Ihr Körper ist nicht passiv. Er ist ein komplexes neuromuskuläres System aus Einzelteilen, die es in Antwort auf die mechanischen Kräfte, die beim Laufen entstehen, aktiv bewegt, anpasst und koordiniert.

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      ABBILDUNG 1.2 Kräfte, die beim Laufen auf Sie einwirken

      Beim Laufen wirken große Mengen an Kraft auf Ihre Knochen, Muskeln und Sehnen ein. Es ist wichtig, diese Kräfte zu kontrollieren.

      IHR BEWEGUNGSSYSTEM

      Es gibt drei grundlegende Systeme, die Sie benutzen, um sich aktiv zu bewegen. Sie haben Gelenkstrukturen, Muskeln und ein Gehirn. Für sich alleine können diese Einzelteile nicht viel tun, aber zusammen können sie Weltrekorde brechen.

      Gelenkstrukturen: Die mechanischen Teile Ihres Körpers funktionieren wie Türen und Scharniere. Ihre Knochen sind strukturiert und jeder dieser Knochen ist durch ein Gelenk mit einem anderen Knochen verbunden. Die Gelenke sind von Gelenkknorpel überzogen. Knorpel ist ein bedeutsames Material, das die Knochen abfedert und schmiert, während sie sich bewegen. Die Knochen sind wieder-um durch Bänder verbunden. All diese unterstützenden Elemente sind wichtig, aber es sind nur passive Seilzüge und Hebel. Das heißt, sie können sich nicht von alleine bewegen. Türen und Scharniere bewegen sich auch nicht selbst.

      Muskeln: Hier geht es wirklich zur Sache. Um eine Tür an ihrem Scharnier zu öffnen oder zu schließen, bedarf es einer Krafteinwirkung. Muskeln sind für diese Krafterzeugung in Ihrem Körper zuständig. Sie erlauben den Gelenken, sich gegenseitig zu bewegen oder sich zu stabilisieren, während Bewegungsabläufe an anderer Stelle geschehen.

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      ABBILDUNG 1.3 Unser Bewegungssystem ist auf Kontrolle ausgelegt

      Was lernen wir daraus? Gelenke sorgen nicht aktiv für Stabilität. Das tun die Muskeln. Und das Gehirn gibt den Befehl.

      Gehirn: Wir haben Gelenke, die uns Struktur geben, und Muskeln, die die Kraft haben, die Gelenke zu bewegen. Aber wir brauchen auch noch etwas, um diesen Einzelteilen zu sagen, dass sie sich überhaupt bewegen sollen. Und hier kommt das Gehirn ins Spiel. Genauer gesagt handelt es sich nicht um Ihr Gehirn, sondern vielmehr um Ihr ganzes Nervensystem. Stellen Sie sich das Ganze wie einen Computer vor, der an ein Netzwerk aus Muskeln angeschlossen ist. Aber das Tolle an unserem Nervensystem ist, dass es nicht nur einen An- und Ausschalter hat. Es moduliert die Kraft, die wir generieren. Wenn Ihr Gehirn Ihren Muskeln sagt, dass sie Kraft aufbringen sollen, um die Tür zu öffnen, dann stellt Ihr Gehirn genau ein, wie viel Kraft dafür nötig ist. Als Grundlage dient ihm dazu das Gewicht der Tür, ob die Tür über den Teppich schleift oder im Türrahmen klemmt. Dieses Maß an Kontrolle ermöglicht es uns nicht nur, uns zu bewegen. Es erlaubt uns, es mit Präzision zu tun.

      Besserer Körper-Input = Besserer Output

      Bei jedem einzelnen Schritt kommunizieren diese Systeme miteinander. Die mechanische Belastung, die Sie in Richtung Erde beschleunigt, löst eine Kette von Ereignissen aus. Ihre Gelenke können sich zwar nicht von alleine bewegen, aber sie spüren Kompression und Bewegung. Sie senden Signale an Ihr neuromuskuläres System und geben so das Zeichen für Aktion. Ihr Gehirn regt Ihre Muskeln dazu an, genau zur richtigen Zeit die richtige Menge Kraft zu generieren. Ihre Muskeln erhalten diese Nachricht und machen die Arbeit, die ihnen aufgetragen wird. Sie ziehen an den Gelenken, um Bewegung zu verursachen. Die einzelnen Teile tauschen sich auch untereinander aus. Ihre Muskeln spüren eine Veränderung ihrer Länge und leiten Informationen an Ihr Gehirn weiter, um sicherzustellen, dass Sie sie nicht überlasten. Die Gelenke geben ebenfalls Informationen an Ihr Gehirn weiter, da die Menge an Muskelkraft, die sie benötigen, sich mit wechselndem Bewegungsumfang ändert. Diese gegenseitigen Rückmeldungen sind im Grunde ein Sicherheitssystem, das überprüft, ob noch alles gut läuft, und gegebenenfalls Abläufe ausgleicht. Wenn das System richtig funktioniert, produziert Ihr Körper eine resultierende mechanische Kraft, die gerade ausreicht, die mechanische Belastung auszugleichen, die versucht, Sie so platt wie einen Pfannkuchen zu quetschen. Wenn alles gut gelaufen ist, haben Sie gerade einen einzelnen Schritt gemacht. Gute Arbeit. Jetzt müssen Sie das heute beim Laufen nur noch ein paar tausend Mal wiederholen.

      BEWEGUNGSQUALITÄT PROGRAMMIEREN

      Diese drei Systeme fahren wieder und wieder bei jedem Schritt, den Sie laufen, dasselbe Programm ab. Jedes einzelne Element des Systems nimmt Informationen auf, die die Qualität Ihres Schrittes anpassen und gibt diese auch aus. Und das ist es, was bei unserem Verständnis vom Laufen fehlt. Läufer haben einen unerbittlichen Fokus auf Volumen. Mehr Kilometer pro Woche führen logischerweise zu einer erhöhten mechanischen Belastung Ihrer Gelenke. Es ist die Aufgabe Ihres Körpers, eine kontrollierte und effiziente Antwort zu produzieren, die der Herausforderung angepasst ist und Ihren Körper kontrolliert. Ein schlechtes Bewegungsprogramm führt zu schlechter Körperkontrolle. Wenn der Körper von den Anforderungen des Laufens überfordert ist, kommt es schnell zu Verletzungen oder eingeschränkter Leistung. Es ist besonders unser Umgang mit den mechanischen Anforderungen des Laufens, die vorgeben, wie gut unsere Leistungsfähigkeit ist. Die beiden großen Fragen lauten:

      1.Sind Ihre Bewegungen sicher? Welche Art von Bewegungsfähigkeit und Körperbewusstsein stellen Ihre Laufgrundlage dar?

      2.Sind Ihre Bewegungen effizient? Könnten Sie die Art, wie Sie sich bewegen, so umprogrammieren, dass Sie müheloser vorankommen und Ihre Form während des Laufens besser halten können?

      Ein effizientes Bewegungsprogramm verbessert Ihre Schrittqualität und, auf lange Sicht, Ihre Gelenkgesundheit und Leistungsfähigkeit. Genauso, wie wir unser Laufvolumen anpassen können, können wir auch lernen, die Qualität dieses Volumens zu verbessern. Durch Bewegung und Bewusstsein lernt Ihr Gehirn zu wissen, wann, wie sehr und wie schnell es Ihre Beine bewegen soll. Sie können Ihre Fähigkeiten verbessern, indem Sie den Input, den Ihr Gehirn erhält, besser verstehen und Ihr Bewegungsprogramm so umschalten, dass es Ihre Beine sicherer und effizienter bewegt.

      Dynamische Plastizität

      Was ist meine Lieblingsspeise? Hafermehlkekse mit Schokostückchen. Vor 5 Sekunden wussten Sie das noch nicht, aber jetzt wissen Sie es. Wissen Sie, wie Sie schwimmen gelernt haben? Wissen Sie, wie sich das Gehirn nach einem Schlaganfall erholt? Die Antworten auf diese Fragen haben eines gemeinsam: neurale Plastizität. Ihr Gehirn ist lernfähig. Und damit meine ich nicht einfach nur Auswendiglernen, sondern wirklich Neues zu verinnerlichen, und zwar in jedem Alter! Wenn Sie etwas lernen, schafft Ihr Gehirn neue Verbindungen von einer Zelle zur anderen. Je mehr Sie üben, desto robuster werden diese Verbindungen. Wie das Sprichwort schon sagt: Übung macht den Meister. Ihre Nerven entwickeln buchstäblich neue Fähigkeiten, indem diese Nervenverbindungen hergestellt werden.

      Die Leitungen, die Ihre Systeme miteinander verbinden, sind dynamisch. Sie passen ihre Signale Ihren Bedürfnissen an. Das Laufen auf Asphalt, Beton, Gras und über Unregelmäßigkeiten auf einer Laufbahn stellen unterschiedliche Inputs dar, und sie alle erfordern unterschiedliche