SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Röper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783968500317
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Clinton: „So dementierte Ex-Präsident Clinton Berichte, er sei 26-mal an Bord eines Epstein-Jets gewesen, den sie ‚Lolita Express‘ nannten. Er sei nur viermal mit Epstein geflogen, meist für humanitäre Missionen, erklärte Clinton jetzt, habe ihn aber seit einem Jahrzehnt nicht mehr gesprochen und keine Kenntnis von den ‚schrecklichen Straftaten‘. Ghislaine Maxwell, eine der engsten Vertrauten Epsteins, war aber noch 2010 zu Gast bei der Hochzeit der Clinton-Tochter Chelsea – auf Fotos grinst sie hinter dem Vater der Braut.“

      Tja, immerhin ein kurzer Absatz über Clinton. Man kann dem Spiegel nicht vorwerfen, er habe Clinton nicht erwähnt. Aber er hat doch eine Menge weggelassen und stattdessen den Eindruck erweckt, Trump sei am Missbrauch Minderjähriger intensiv beteiligt gewesen: „Epstein wollte nach Justizangaben seine private ‚Modelagentur‘ so aufziehen wie Trump seinen eigenen Kreis aus Freundinnen.“

      Das klingt gerade so, als sei Trump der Ideengeber für Epstein gewesen. Trump war bekanntermaßen kein Kind von Traurigkeit und hatte ungezählte Frauengeschichten. Aber niemand wirft ihm vor, etwas mit Minderjährigen gehabt zu haben. Man kann Trumps Verhalten Frauen gegenüber moralisch verurteilen, aber strafrechtlich gab es nie eine Anklage und auch keine Berichte, er hätte etwas mit Minderjährigen gehabt. Aber im Spiegel-Artikel wird ein anderer Eindruck erweckt.

      Doch das schien dem Spiegel nicht auszureichen, denn er musste im letzten Absatz noch eine Lüge einbauen: „Nach dem Florida-Verfahren setzte ihn Trump vor die Tür, die Freundschaft war offenbar Geschichte.“

      Damit suggerierte der Spiegel, dass Trump den Kontakt zu Epstein erst nach dessen Verurteilung abgebrochen habe, quasi nur, weil Epstein nun ein „Schmuddelkind“ war. Das stimmt nicht, denn die Berichte über den Streit von Trump und Epstein sind aus der Zeit, als das Verfahren begann und berichten über einen Vorfall in der Vergangenheit. Trump hatte sich also in jedem Fall schon vor der Anklage in Florida 2007 von Epstein abgewandt.

      Und der Grund, warum Trump Epstein Hausverbot erteilt hat, wird im Spiegel gar nicht erwähnt.

      Gut, dass dieser letzte Absatz erst lange nach dem Absatz über Clinton im Spiegel-Artikel kam, sonst hätte der Leser bemerken können, dass Clinton – im Gegensatz zu Trump – offensichtlich noch 2010, also lange nach der Verurteilung, Kontakt mit Epstein hatte, auch wenn er ihn wohl nicht zum öffentlichen Teil der Hochzeit seiner Tochter eingeladen hat.

      Ich möchte hinzufügen, dass ich Trump hier keineswegs in Schutz nehmen oder seine Rolle herunterspielen möchte. Ein Flug von ihm im „Lolita-Express“ ist belegt, und ich würde zum Beispiel gerne das Logbuch sehen, um zu erfahren, wer da noch mitgeflogen ist.

      Aber ich finde es bemerkenswert, wie die deutschen Medien die Verbindung zwischen Trump und Epstein aufgebauscht und die Verbindung zwischen Clinton und Epstein heruntergespielt haben. Trump und Epstein dürften in den 80ern und 90ern einige wilde Partys zusammen gefeiert haben, New York ist ja für seine High-Society-Partys bekannt.

      Doch bei Clinton war die Verbindung offensichtlich mindestens genauso eng, wenn nicht enger, denn Epstein hat Clinton einiges an Geld gespendet und offen zugegeben, dass er sich Leute kauft. Nichts anderes war gemeint, als er im Zusammenhang mit Clinton davon sprach, er „investiere“ in Menschen.

      Vor allem hat Clinton den Kontakt zu Epstein offensichtlich auch nach dessen Verurteilung wegen der „Anwerbung minderjähriger Mädchen zur Prostitution“ nicht abgebrochen, sonst wäre Epsteins engste Vertraute 2010 kaum zur Hochzeit von Chelsea Clinton eingeladen worden.

      Nachdem Epstein im Juli 2019 verhaftet worden war, dürften viele seiner „Gäste“ schlaflose Nächte gehabt haben. Epstein drohte eine harte Strafe, und es war keineswegs ausgeschlossen, dass er auspackt, um Strafmilderung zu erreichen.

      Aber schon Ende Juli gab es Meldungen über einen Selbstmordversuch Epsteins in seiner Zelle. Und Anfang August war er dann tot. Angeblich durch Selbstmord.

      Wie der Zufall es will, hatte ich den Fall in den Tagen zuvor mit einigen Menschen diskutiert, die sich mit dem Fall weit besser auskannten als ich zu diesem Zeitpunkt. Und ganz gleich, mit wem ich sprach, jeder war sich sicher, dass Epstein den Beginn des Prozesses nicht erleben würde. Wenn er angefangen hätte, in der Hoffnung auf Strafminderung auszusagen, dann hätte es wahrscheinlich im Establishment ein Erdbeben gegeben. Meine Gesprächspartner und ich waren uns einig, dass Epstein vor dem Prozess Selbstmord begehen würde. Ein Mord würde zu viel Aufmerksamkeit erregen, ein Selbstmord wäre der Öffentlichkeit leichter zu verkaufen.

      „Das New Yorker Gefängnis, in dem Epstein saß, gilt als eines der sichersten der USA. Der berüchtigte mexikanische Drogenbaron Joaquín ‚El Chapo‘ Guzmán hatte dort zwei Jahre verbracht.“

      Wie kann sich jemand in einem der sichersten Gefängnisse der USA mal eben erhängen? Zumal der Spiegel noch schrieb:

      „Sein mutmaßlicher Suizid in einer als Hochsicherheitsgefängnis geltenden Anstalt mitten in Manhattan wirft Fragen auf. (…) Zusätzlich zum FBI soll auch der Generalinspekteur des Justizministeriums zu dieser Frage ermitteln. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, sehen im Metropolitan Correctional Center Wärter eigentlich alle 30 Minuten nach den Insassen. Gilt jemand als suizidgefährdet, verkürzt sich die Zeit sogar auf 15 Minuten.“

      „Mr. Epstein stand unter besonderer Beobachtung für Suizid-Gefährdete, nachdem er am 23. Juli verletzt in seiner Zelle gefunden worden war und bekam tägliche psychiatrische Behandlung (…) Er wurde am 29. Juli von der Beobachtung für Suizid-Gefährdete genommen und in einen Spezialtrakt verlegt, einen Teil des Gefängnisses mit extra hoher Sicherheitsstufe.“

      Außerdem teilte die New York Times mit, dass die Ermittlungen gegen Epstein damit beendet seien. Die vielen hochrangigen Gäste Epsteins in seinem „Lolita-Express“ konnten wieder ruhig schlafen, denn ohne einen Täter gibt es keinen Prozess gegen Epstein.

      Danach wurde es dann auch ruhiger um den Skandal. Die Opfer sollen aus dem Vermögen Epsteins mit vielen Millionen entschädigt werden, und es ist zu erwarten, dass sie für die Entschädigung eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben müssen. Damit dürften die Namen der anderen prominenten Täter nicht mehr ans Licht kommen.

      Aber ein Opfer scheint dieses Spiel nicht mitspielen zu wollen, und diese Frau erhob schwere Vorwürfe gegenüber Prinz Andrew.

      Der entschied sich, Ende November in die Offensive zu gehen. Er gab der BBC ein Interview, das für ihn in einem medialen Fiasko endete.

      Die Medien mussten daher notgedrungen wieder über den Fall berichten. Aber wieder war dabei interessant, worüber die deutschen Medien ihre Leser nicht informiert haben.

      Die Medien berichteten ausführlich über das Interview. Das Interview war eine PR-Katastrophe, Prinz Andrew hat quasi medialen Selbstmord begangen. Er konnte seine Kontakte zu Epstein nicht wirklich begründen, war sehr unglaubwürdig und die ganze Zeit damit beschäftigt, sich selbst „als zu ehrenhaft“ zu beschreiben. Andrew gab sich als Opfer der eigenen „Ehrenhaftigkeit“.

      Das kam nicht gut an und beherrschte danach die Schlagzeilen. Nach dem Interview haben sich Sponsoren von Projekten abgewandt, deren Schirmherr Prinz Andrew war. Vier Tage nach der Ausstrahlung des Interviews hat er unter dem Druck dann alle öffentlichen Ämter niedergelegt.

      Darüber