Eine Münze für Anna. Anne Gold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Gold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783724523765
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ich. Meine Familie bedeutet mir alles. Es gibt nichts Schöneres, als die Kinder aufwachsen zu sehen. Wenn sie auch oft nervig waren. Das sind sie übrigens auch heute noch.»

      «Kleine Kinder, kleine Sorgen, grosse Kinder, grosse Sorgen, heisst es doch.»

      «Zum Glück überwiegt die sorglose Zeit. Darf ich Sie noch etwas fragen, verfügen Sie über eine Pension?»

      «Wo denken Sie hin. Anton investierte das ganze Geld immer ins Geschäft. Er sagte, unser Erspartes und das Haus sind unsere Rente. Ich lebe von der AHV. Manchmal wäre es schön, sich etwas leisten zu können. Dann sage ich mir, eine alte Schachtel wie ich braucht nicht viel.»

      «Darf ich Sie nach Ihrem Alter fragen?»

      «Ich bin am 2. Februar vierundachtzig geworden und ich will Hundert werden. Aber nur, wenn ich dann noch rüstig bin.»

      «Das werden Sie bestimmt sein. Ich lade Sie zu Ihrem Fünfundachtzigsten zum Essen ein.»

      «Das … meinen Sie das im Ernst?»

      «Natürlich, Nicole ist meine Zeugin. Wir gehen richtig fein essen, ich hole Sie nächstes Jahr hier ab.»

      «Dann werde ich wohl nicht mehr hier wohnen.»

      «Mit Sicherheit. Sie werden noch mit hundert in Ihrem Haus leben.»

      «Das wäre mein grösster Wunsch. Leider gehen Wünsche nicht oft in Erfüllung.»

      «Gibt es noch etwas, was Sie meinem Chef anvertrauen wollen?»

      Christ blickte irritiert zu Nicole.

      «Ich … ich möchte nicht darüber sprechen.»

      «Ein Problem wird nicht durch Schweigen aus der Welt geschafft. Was bedrückt Sie?»

      «Es ist die Hypothek und die Steuererhöhung, Herr Christ.»

      «In Basel wurden die Steuern in den vergangenen Jahren nicht erhöht.»

      «Bei mir schon. Ich erhielt ein Schreiben, dass mein Eigenmietwert anders berechnet wird. Jetzt muss ich mehr Steuern bezahlen, doch das kann ich nicht.»

      «Haben Sie mit der Steuerverwaltung gesprochen?»

      «Ja, ich bin sogar dort gewesen. Der zuständige Beamte war wirklich sehr nett, nur genutzt hat es nichts. Mein Nachbar meint, ich solle die Hypothek erhöhen.»

      «Es gibt bestimmt noch andere Möglichkeiten.»

      «Waren Sie auf der Bank?»

      «Sicher, Frau Ryff. Mein Kundenberater bei der Basler Depositenbank hörte mir eine Stunde zu. Er wolle mein Anliegen wohlwollend prüfen. Danach erhielt ich von ihm eine Absage, weil ich über kein Einkommen verfüge. Die AHV genügt nicht. Er riet mir, das Haus zu verkaufen und in ein Altersheim zu ziehen. Gern würde er mich beim Verkauf unterstützen. Das kommt nicht infrage, lieber sterbe ich vorher.»

      Christ erhob sich.

      «Es wird nichts verkauft, Frau Kolb. Zuerst einmal werden wir mit den verantwortlichen Personen sprechen.» Er hängte sich bei der alten Dame ein und ging mit ihr zur Tür. «Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.» Zum Abschied küsste er sie auf beide Wangen. «Sie hören von uns. Und bitte tragen Sie unser Essen in Ihre Agenda ein.»

      Die alte Dame winkte ihnen nach, bis sie aus ihrem Blickwinkel verschwunden waren.

      «Das ist unglaublich.»

      «Basel tickt anders!»

      «Ich will mit dem zuständigen Steuerbeamten sprechen.»

      «Das ist nicht deine Aufgabe und gibt mit deiner Regierungsratskollegin hundertprozentig Ärger.»

      «Noch diese Woche.»

      «Zu Befehl, Chef.»

      «Und mach bitte einen Termin mit dem Sachbearbeiter bei der BDB ab.»

      «Heikel. Solltest du das nicht einem deiner Anwaltsspezis überlassen?»

      «Auch noch diese Woche.»

      «Wie du meinst, Chef.»

      «Wusstest du, was mich hier erwartet?»

      «Nicht das ganze Ausmass des Dramas.»

      «Woher kennst du Lisa Kolb?»

      «Durch ein konspiratives Gespräch mit Staatsanwalt Kern, der für den Fall Redding zuständig ist.»

      «Kenn ich nicht.»

      «Ein gewiefter Kerl, dem ich eine grosse Karriere prophezeie.»

      «Soso … Das war hinterhältig von dir.»

      «Ich weiss nicht, wovon du sprichst.»

      «Wohin fährst du?»

      «Da uns der Appetit vergangen ist, fahre ich dich ins Gellert zu deinem Bowlingkumpel. Oder willst du zurück ins Büro?»

      «Nein.»

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      Die Füsse leger auf den Bürotisch gelegt, telefonierte Daniel Winter mit seiner Freundin Fabienne. Wieder eine dieser Sinnlosdiskussionen. Ohne Unterbruch arbeitete sie den vergangenen Tag und deren Folgen auf.

      «Nein, zum hundertsten Mal, es läuft nichts zwischen Andrea und mir. Ich war aus Respekt zu meiner Kollegin an der Abdankung. Wenn du das nicht begreifst, tut es mir leid.»

      «Wirklich? Warum warf sie sich ausgerechnet dir schluchzend um den Hals? Einem ganz normalen Kollegen.»

      «Weil wir Freunde sind.»

      «Nur Freunde? Ich bin doch nicht blind.»

      «Glaubst du tatsächlich, dass ich dich mitgenommen hätte, wenn ich etwas mit ihr habe? Für wie dumm hältst du mich eigentlich?»

      «Mit ihrer Reaktion konntest du nicht rechnen. Das war dir ganz offensichtlich peinlich.»

      «Zum letzten Mal, ich wollte bei der Abdankung dabei sein, weil ich die ganze Familie kenne und sehr schätze.»

      «Vor allem Andrea und Nicole.»

      «Ah, jetzt kommt wieder diese Leier. Vielleicht machen wir ja einen flotten Dreier.»

      «Das würde mich nicht wundern. So vertraut, wie du dich mit den beiden unterhältst. Glaubst du tatsächlich, ich merke nicht, was abgeht? Ihr steckt immer zusammen und sobald ich mich nähere, wechselt ihr das Thema.»

      «Das stimmt doch überhaupt nicht.»

      «Natürlich nicht, ich bilde mir das alles nur ein. Gestern ist mir einiges klar geworden. Es ist aus zwischen uns.»

      Daniel nahm abrupt die Füsse vom Tisch, sein Gesicht verfinsterte sich zusehends.

      «Hörst du, es ist vorbei», wiederholte Fabienne. «Wenn du heute Abend nach Hause kommst, bin ich nicht mehr da.»

      «Willst du es dir nicht nochmals überlegen?»

      «Das würde dir so passen. Meine Entscheidung ist endgültig.»

      «Wenn du überzeugt davon bist, dass ich fremdgehe, und mich absolut nicht mehr willst, dann muss ich damit leben.»

      Ohne weiter zu diskutieren, beendete er das Gespräch.

      «Guten Morgen, Daniel. Wir müssen in die Effringerstrasse.»

      «Hallo, Andrea. Ein Mord?»

      «Die Kollegen sind sich nicht sicher. Auf jeden Fall gibt es einen Toten … Bist du in Ordnung?»

      «Mehr oder weniger. Fabienne hat soeben per Telefon Schluss gemacht.»

      «Zum wie vielten Mal?»

      «Einmal zu viel.»

      «Bist du sicher?»

      «Es ist nicht mehr zum