Eine Münze für Anna. Anne Gold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Gold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783724523765
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ich. Und ich erwarte, dass du mir diesen kleinen Gefallen erweist. Du gehörst dazu. Ende der Diskussion. Wie sieht die heutige Tagesplanung aus?»

      «Gutes Stichwort. Ich möchte dich zum Mittagessen einladen.»

      «Akzeptiert. Wohin gehen wir?»

      «Zum Kannenfeldpark.»

      Nicole manövrierte den Mercedes aus der Garage.

      «Wie im Wilden Westen. Die Cowboys gingen auch nie nur einen Meter zu Fuss. Immer hoch zu Ross. Heute fahren wir schnelle Autos.»

      «Willst du damit sagen, dass es einfacher gewesen wäre, mit dem Tram zu fahren?»

      «Allerdings, und umweltfreundlicher. Unsere Stadt verfügt nämlich über ein formidabel ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz. In Basel sind wir in den meisten Fällen mit dem Tram schneller am Ziel.»

      «Ich fahre gern Auto.»

      «Ein überzeugendes Argument. Kannenfeldplatz sagst du? Da kenne ich nur das ‹Matisse› in der Burgfelderstrasse.»

      «Lass dich überraschen.»

      Nicole lenkte den Merz am Spalentor vorbei in die Missionsstrasse. Gegenüber des Felix Platter-Spitals bog sie rechts in die Largitzenstrasse ein und parkierte vor einem Einfamilienhaus.

      «Jetzt bin ich gespannt, wohin du mich führst.»

      Nicole suchte nach einer bestimmten Hausnummer und klingelte. Nach einiger Zeit öffnete eine alte Frau.

      «Lisa Kolb?»

      «Ja, Sie wünschen?»

      «Nicole Ryff. Wir haben heute früh miteinander gesprochen. Dürfen wir einen Augenblick reinkommen?»

      «Ich weiss nicht … Jesses! Sie sind ja der Herr Christ.»

      «Er ist mein Chef. Ich möchte, dass Sie ihm Ihre Geschichte erzählen.»

      Langsam trat die Frau zur Seite.

      «Ich … ich kann Ihnen nicht einmal etwas anbieten. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie mich besuchen, hätte ich Kuchen besorgt, Herr Nationalrat.»

      «Mein Chef ist auf Diät.»

      «Ich habe vom Tod Ihrer Frau gehört. Mein herzliches Beileid. Dieser Verlust muss schlimm für Sie sein. Sie war ja noch so jung.»

      «Danke. Es ist ein schwerer Schicksalsschlag. Anna war die Liebe meines Lebens. Sie fehlt mir sehr.»

      «Wie bei Anton und mir. Aber, was rede ich da. Kommen Sie herein, das Wohnzimmer befindet sich am Ende des Flurs. Setzen Sie sich auf den bequemen Sessel zum Garten hinaus, Herr Nationalrat. Sie können es sich neben mir bequem machen, Frau Ryff. Und entschuldigen Sie das Durcheinander. Ich bin so aufgeregt. Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass ich Sie persönlich kennenlernen darf, Herr Christ.»

      «Schön haben Sie es hier. Pflegen Sie den Garten selbst?»

      «Mit Hilfe einer Nachbarin. Die Hecke schneiden und das Unkraut jäten ist mir zu anstrengend.»

      «Ein richtiges Blumenmeer.»

      «Lieben Sie Blumen?»

      «Blumen waren die grosse Leidenschaft meiner Frau. Ich durfte nur in den Garten, um mich auszuruhen. Wehe, ich kam ihren Lieblingen zu nahe.»

      «Sie können ruhig hinausgehen.»

      Christ erhob sich und trat in den Garten.

      «Ich bin ganz nervös. Wieso haben Sie mich nicht vorgewarnt?», flüsterte die alte Frau.

      «Es war eine spontane Idee von mir.»

      «Wie das hier aussieht. Was denkt der Herr Nationalrat jetzt nur von mir?»

      «Soll ich ihn fragen?»

      «Ja nicht.»

      «Ich bin immer wieder von Neuem überrascht, wie viele prächtige Oasen hinter den Mauern zum Vorschein kommen. Man spürt, wie sehr Sie Ihren Garten lieben.»

      Christ schloss die Verandatür.

      «Erzählen Sie meinem Chef die Geschichte.»

      «Ich weiss nicht … Da sind wir doch selbst schuld.»

      «Mich interessieren die Menschen unserer Stadt», bestätigte Christ.

      «Also gut. Frau Ryff … sie wollte wissen, warum wir unser ganzes Geld bei Redding anlegten … Zuerst waren wir skeptisch. Man hört ja immer wieder von Betrügern, die vor allem ältere Menschen um ihr Erspartes bringen. Aber es klang alles sehr plausibel.»

      «Stellte Ihnen Redding einen hohen Gewinn in Aussicht?»

      «Er kam zu Besuch und erklärte uns, wie wir unser Vermögen vermehren könnten.»

      «Und versprach Ihnen eine unrealistische Rendite.»

      «Nein, nein. Darauf wäre Anton nie hereingefallen. Die garantierte Rendite betrug fünf Prozent. Redding stellte uns sein Bauprojekt in Spanien vor, eine Feriensiedlung am Meer. Überall auf der Welt muss man mit terroristischen Anschlägen rechnen, doch Spanien ist ein sicheres Land und nicht weit weg. Das klang sehr erfolgversprechend. Die Banken zahlen ja keine Zinsen mehr, es soll sogar Minuszinsen geben.»

      «Wie viel investierten Sie?»

      «Anton traute der Sache nicht so recht. Sie müssen wissen, Herr Nationalrat, mein Anton ist immer selbstständig gewesen. Wir besassen bis zu seiner Pension ein kleines Malergeschäft. In guten Zeiten konnte er sogar drei Leute beschäftigen. Einer davon kaufte ihm dann die Firma ab … Wie war noch die Frage?»

      «Wie viel Sie investierten.»

      «Ah ja. Zuerst fünfzigtausend Franken. Nach einem Jahr erhielten wir prompt die vertraglich vereinbarten Zinsen.»

      «Worauf Redding Sie fragte, ob Sie weiteres Geld bei ihm anlegen wollen?»

      «Stimmt. Aber Anton wollte nicht. Sie müssen wissen, mein Mann liess sich nicht so einfach überzeugen.»

      «Später investierten Sie dennoch. Oder?»

      «Wegen diesem Anwalt.»

      «Bernd Otter?»

      «Ja, genau. Vor Jahren drohte uns ein Kunde mit einem Prozess und so mussten wir auch einen Anwalt einschalten, das war Bernd Otter. Schliesslich kam es zu einem Kompromiss. Als Herr Otter uns bestätigte, dass die Anlage bei Redding ohne Risiko sei, investierten wir unsere gesamten Ersparnisse von zweihundertfünfzigtausend Franken und nahmen zusätzlich eine Hypothek von dreihunderttausend Franken auf.»

      «Somit investierten Sie sechshunderttausend Franken.»

      «Ja. Und dann erfuhren wir, dass diese Feriensiedlung gar nicht existiert.»

      Christ sah Lisa Kolb erschrocken an.

      «Was geschah dann?»

      «Anton setzte alle Hebel in Bewegung, um unser Geld zurückzubekommen. Wir schalteten sogar einen Anwalt ein, was uns mehr als zehntausend Franken kostete. Aber da war nichts mehr zu holen … Anton hat es nicht verkraftet, er brach zusammen. Als der Krankenwagen eintraf, war mein Anton schon tot.»

      Nicole nahm die alte Frau in den Arm.

      «Das war im Sommer vor einem Jahr.»

      «Sollen wir das Gespräch beenden?»

      «Nein, nein, Herr Nationalrat. Ich schleppe das seit einem Jahr mit mir herum. Jetzt muss es raus.»

      «Haben Sie Kinder?»

      «Leider nein. Wir konnten keine Kinder bekommen wegen einer Krankheit von Anton in jungen Jahren. Wir dachten lange über eine Adoption nach, bis es zu spät war. Ich wäre gern Mutter geworden … Ihre Tochter ist Ärztin und Ihr Sohn Pfarrer im Matthäusquartier, das habe ich in der SI gelesen.»

      «Florian arbeitet in Kleinhüningen. Ich habe noch eine