Der Verkehrspolizist. Dieter Schäfer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dieter Schäfer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783864766664
Скачать книгу
weshalb sie dieses Mal ohne Verwarnungsgeld verwarnt wurden. Bei wem das nicht hilft, kann auch ein Verwarnungsgeld eingesetzt werden.

      Damit ist jedoch die konkret bevorstehende Unfallgefahr für den Straßenverkehr nach Paragraf 1 des Polizeigesetzes BW noch nicht abgewehrt. Hierzu bedarf es polizeilicher Eingriffsmaßnahmen und ggf. Verwaltungszwang.

      Kommen aber für die Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr mehrere geeignete Maßnahmen in Betracht, so hat die Polizei diejenige zu wählen, die den Einzelnen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Dies ist dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für staatliche Eingriffsmaßnahmen geschuldet.

      Der Alfons-Bell-Platz liegt inmitten der Stadt, sodass ein Abschließen des Rades und eine Beschlagnahmung des Schlüssels für das Fahrradschloss eine geeignete Maßnahme zur Unterbindung der Weiterfahrt darstellen. Aber auch die Verminderung des Reifendruckes auf ein Maß, welches ein Schieben zulässt, eine Weiterfahrt ohne Aufpumpen aber verhindert, ist ein geeignetes Mittel.

      Ein Versprechen des Betroffenen jedoch, das Fahrrad ohne Eingriffsmaßnahme nach Hause schieben zu wollen, ist zwar zunächst zulässiges (Austausch-)Mittel, widerspricht aber jeglicher polizeilicher Erfahrung und ist deshalb ungeeignet.

      Da der Polizeipflichtige die Wahl hat, wie er die Verfügung der Untersagung der Weiterfahrt erfüllen will, trifft er eine freie Willensentscheidung.

      Alle Radfahrer wählten das mildere Mittel der Reifendruckreduzierung und legten auch überwiegend selbst Hand an. Bei wenigen erfolgte eine Unterstützung durch den Kontrollbeamten.

      Und keiner der Betroffenen hatte sich beschwert. Im Gegenteil, jeder war froh, sein Fahrrad nicht zurücklassen zu müssen. Klar wusste ich, dass die meisten an geeigneter Stelle den Reifen wieder aufpumpten und weiterfuhren. Zumindest hatte es zu einem Nachdenken geführt. Ich kündigte weitere Kontrollaktionen an und versprach, dass wir weiter an der Einsichtsfähigkeit der Radfahrer arbeiten und dafür im Rahmen der Rechtmäßigkeit zulässige und geeignete polizeiliche Maßnahmen ergreifen werden.

      Über unser Aktionsnetzwerk der AG Plus5 schwor ich die Partner nochmals ein:

       Zum Verhalten der Radfahrer in Heidelberg im November 2014

      Wir haben nun zwei Licht-Kontrollaktionen jeweils am gleichen Wochentag, jeweils zur gleichen Zeit und jeweils am gleichen Ort hinter uns. Dem Gebot der Fairness und der Partnerschaft folgend, habe ich die Kontrollen breitest möglich in den Medien und über die Informationswege der Aktionspartner angekündigt. Wir haben bei der ersten Kontrolle 52 und bei der zweiten Kontrolle 37 Radfahrer ohne Licht angehalten. Nicht gezählt haben wir diejenigen, die von Gutmeinenden frühzeitig gewarnt wurden und entweder vorher abgebogen sind oder abstiegen und ihr Fahrrad schoben.

      Wer sind diese Leute, die, ohne Licht unterwegs, sich und andere gefährden?

      Es sind Ihre Kolleginnen und Kollegen, Ihre Studenten und Studentinnen, Ihre Kommilitonen, Ihre Bekannten und Freunde – Sie selbst (?). Das waren nicht Leute, die ich als verantwortungslos bezeichnen würde. Nein, alle Kontrollierten sind einsichtig und waren freundlich an der Kontrollstelle. Ich würde diese Menschen als „eilig und vielleicht deshalb gedankenverloren“ bezeichnen.

      Wenn ich ehrlich bin, hat die Ankündigung der Kontrollen nicht wirklich geholfen. Insgesamt sind eher gleich viele ohne Licht unterwegs gewesen. Also reichen unsere gewählten Kommunikationswege nicht aus. In ihrer beruflichen und studentischen Belastung konsumieren diese Menschen offensichtlich keine trivialen Nachrichten. Holt man Sie in direktem, persönlichem Kontakt aber aus ihrer „Schusseligkeit“ heraus, erkennt man sie als grundsätzlich regeltreue Bürger oder Einpendler in unsere Stadt.

      Die immer wieder beschriebenen „militanten Kampfradler“ sind in der Minderheit. Sie ragen jedoch aus der Masse der „eiligen Gedankenverlorenen“ heraus, sorgen für Verdruss und werden dann in den Diskussionsforen auf alle projiziert.

      Mit unserer aktionplus5.de sind wir angetreten, gefährliche Verhaltensweisen von Radfahrern durch Überzeugungs-ARBEIT zu ändern und dadurch Unfallzahlen zu reduzieren.

      Die Gutmeinenden, alles Besserwissenden und Intoleranten, die uns im Internetforum der RNZ als provinziell und unsere Aktion als sinnfrei bezeichnen, die uns Aktionismus vorwerfen, die nur mit Statistiken argumentieren und immer auf die Anderen – in diesem Falle auf die Autofahrer zeigen, zähle ich zum verfestigten ideologischen Status Quo in dieser Stadt. Deren Ansatz hat uns aber bisher nicht wesentlich weitergebracht!

      Zu einem Zusammenstoß oder Um- bzw. Überfahren gehören immer zwei. Der, der nicht aufpasst und der, der oft schuldlos, aber auch gedankenverloren oder abgelenkt um- oder überfahren wird. Ist Letzterer ein Radfahrer (oder Fußgänger), hilft es auch nicht, wenn der Autofahrer schuld oder teilschuldig war. Deshalb ist ja eine unserer Empfehlungen die Defensive und der Verzicht auf Vorrang dort, wo es wehtun kann. Ich erinnere daran, dass OB Dr. Würzner Anfang dieses Jahres den Wunsch an die Polizei herangetragen hat, sich mehr dem Radverkehr und den Unfallrisiken zu widmen.

      Ich habe mir die Unfallzahlen bis Oktober geben lassen. Während die Unfälle im ersten Halbjahr 2014 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit einer erschreckend hohen Zunahme durch die Decke gingen, verzeichnen wir im bisherigen Verlauf des zweiten Halbjahres eine Trendumkehr und einen zweistelligen prozentualen Rückgang. Und das lag nicht nur am schönen Wetter im Frühjahr – das Jahr lag durchgängig über dem Temperaturmittel. Lediglich der eh schwach unfallbelastete August war zu kalt, fällt somit statistisch nicht ins Gewicht. Ich sagte ja bereits zum Verlauf der Sommermonate, dass die Verkehrsteilnehmer besser aufeinander aufgepasst haben. Verhaltensänderung heißt die Beachtung von Verkehrsregeln und nicht das zu tun, was DIE ANDEREN tun. Das ist unbequem, das müssen auch die Rad-Lobbyisten akzeptieren.

      Die Facebook-Quoten zu den Artikeln im Internetauftritt von RNZ digital, Heidelberg24 oder dem Rhein-Neckar-Fernsehen sind zu nahezu 99 Prozent pro diese Aktion eingestellt und wollen mehr Kontrollen. Die Likes sind hundertfach und die widergespiegelte Meinung ist eindeutig. Die abgebildete Bürgerschaft ist auf der „Plus5“-Seite.

      Uns obliegt es nun, die an sich regeltreuen „eiligen Gedankenverlorenen“ zu erreichen. Dazu bedarf es gemeinsamer Anstrengungen. Schaffen Sie in Ihren Organisationen und Institutionen Interesse. Neben den hergebrachten Informationswegen empfehle ich, die erwähnten Artikel in sozialen Netzwerken wie Facebook zu verbreiten. Damit streuen Sie auch die verfassten Kommentare und betreiben Meinungsbildung. Wichtig ist dabei die folgende Botschaft: Wenn alle auf dem Weg sind, vermindern Rücksichtnahme und Regeltreue die Unfallgefahren in unserer Stadt!

      Sprechen Sie über die Termine weiterer Fahrradkontrollen. Sprechen Sie über eigene Erlebnisse mit Beinahe-Unfällen. Der Peer-Group-Ansatz in den Kollegien ist hier erfolgversprechender, weil nicht anonym und entpersonalisiert wie in der Medienberichterstattung. Da sind es immer DIE ANDEREN und klar: MIR kann das nicht passieren!

      Ich werde die Donnerstagskontrollen in der Mittermaier Straße wöchentlich fortführen und „ritualisieren“. Wer donnerstags mit Licht fährt, hat es dann hoffentlich auch an den anderen Tagen an.

      Über die Selbstreflexion und Bewusstmachung der Gefahren könnte eine Wiedererweckung der leider unterbewusst gewordenen Regeltreue erfolgen und es würde auch wieder öfter an roten Ampeln gehalten. Eine bewusste Entschleunigung – Synonym: 5 Minuten, die schützen – verringert die Konflikte im Straßenverkehr. Wechselwirkungen mit den Autofahrern sind ausdrücklich erwünscht. Im wachsenden Zusammenschluss der Aktionspartner liegt das Potenzial für eine Bewegung. Gerade tut sich eine Situationschance auf – nutzen wir sie aktiv!

       Provokation als Informationsvehikel

      Aus Interesse ließ ich bei renommierten Fahrradhändlern in der Stadt nachfragen. Der Verkauf von