Mein Leben als Schneekönig. Reinhard Lutz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhard Lutz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783905896428
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nach, indem er mich fragte, ob ich nicht wenigstens sein Manuskript auf Schreibfehler durchsuchen könnte, eine Aufgabe, der ich guten Gewissens zustimmen konnte. Während dem Korrigieren reizte es mich dann doch immer mehr, das Manuskript zu bearbeiten. So nahm ich den Hörer in die Hand, um Valentin Landmann privat zu kontaktieren und seinen Segen erbat, für Reini das Manuskript ausarbeiten zu dürfen. Valentin hielt die Idee für gut, war damit vollkommen einverstanden, wünschte uns beiden sogar herzlichst viel Erfolg.

      So begann ich eifrig und in unzähligen Stunden, das Buch «Der Schneekönig – Knete, Koks und Kanonen» zu schreiben. Durch unsere Freundschaft und meine Arbeit am vorliegenden Buch entwickelte sich der Schneekönig für mich immer mehr zu Reinhard Lutz, und aus der Zürcher Milieu Koryphäe, von der so viele nur aus Distanz Kenntnis haben, wurde mir mit der Zeit eine gut vertraute Person aus Fleisch und Blut.

      Reinis Manuskript war ein inhaltlich geniales Werk, das nur noch zurecht geformt werden musste. Das Schaffen an diesem Buch hat mir viel Freude bereitet und mir Einblicke in eine Welt gegeben, von der man nur selten etwas mitbekommt. Dies ist keine fiktive Geschichte, kein Roman. Reinis Erlebnisse sind real, aber manchmal so filmreif, dass doch gewisse Zweifel aufkommen können, ob das eine oder andere wohl nicht doch geflunkert sei. Bei der Arbeit am Buch konnte ich noch so kritische Fragen stellen, Reinhard konnte immer alles plausibel und detailliert beantworten und in den meisten Fällen sogar belegen.

      Reinhard Lutz habe ich als interessierten und hochintelligenten Menschen kennengelernt, der mir wieder bewusstmachte, wie falsch manchmal der erste Eindruck sein kann, vor allem dann, wenn er nur auf Gelesenem oder dem Hörensagen basiert. Besonders trifft es Straftäter, die medial durch die Mangel gezogen wurden.

      Ich freue mich, das Vorwort für ihn schreiben zu dürfen. Denn so ist der Schneekönig, so habe ich ihn kennen und schätzen gelernt. Für ihn zählt nicht die Position, der Ruf oder der Nutzen, den er aus einer Bindung ziehen kann, sondern für ihn zählt der Mensch. Wer ihm Gutes tut, soll auch Gutes von ihm zurückerhalten.

      Ich bedanke mich herzlich bei Reinhard Lutz und wünsche ihm für seinen weiteren Weg nur das Beste. Seiner Einladung, ihn in Rio de Janeiro zu besuchen, werde ich gerne folgen.

      Sascha Michael Campi

      www.smc-books.ch

       Der meistgesuchte Kokainhändler der Schweiz

      In meiner Biografie lasse ich bewusst meine Kindheit weg, denn diese wäre viel zu langweilig, würde zu viel «Bünzliges» beinhalten und was das Wichtigste ist, es würde nichts mit dem späteren Mann zu tun haben, der ich die letzten Jahrzehnte hindurch war. Einer der die unteren und die oberen Etagen in der Gesellschaft erleben durfte, mal als armer Schlucker, als Knasti, mal als König, eben als Schneekönig, was mir heute eher peinlich ist. Als Liegenschaften Händler war ich viel erfolgreicher, darauf bin ich stolz.

      Das Buchmanuskript zu diesem Werk habe ich während meiner letzten Gefängnisstrafe verfasst. Es war ein mühsamer Weg, denn ich musste mich mit einem einfachen Kugelschreiber zufriedengeben. Diesen musste ich mir zuerst noch erbetteln, später sogar jede einzelne Seite Papier, denn die Gefängnisaufseher mit ihren grimmigen Gesichtern gönnten mir jeweils gerademal zwei bis drei Seiten. Um das Ganze dann doch voranzutreiben, machte ich eine Anstaltsrunde, besuchte die Mitinsassen und bat alle darum, ebenfalls für mich um Papier zu bitten, sodass ich danach jeden Morgen die Runde machen konnte und so doch noch ein anständiges Quantum an Schreibzeug zusammenbekam. Ohne diese Taktik hätte meine sonst schon überhöhte letzte Haftstrafe wohl kaum ausgereicht, um das Manuskript zu vervollständigen. Zugegeben, das Verfassen der eigenen Biografie hatte ich mir leichter vorgestellt. Schnell musste ich erkennen, spätestens am Verbrauch meines Papiervorrates, dass es einen sehr grossen Aufwand braucht, besonders dann, wenn man es richtigmachen will. In der Haft zu schreiben hat den Vorteil, dass man isoliert ist und ohne Einflüsse von der Aussenwelt arbeiten kann.

      Das Ziel meines Buches ist aufzuklären, wie aus mir, Reinhard Lutz, der Schneekönig wurde, aber auch eine Dokumentation zu liefern, über die Entstehung der Zürcher Kokainszene, wie ich sie selbst miterlebt habe und an der ich rege beteiligt war.

      Bei der Auslese der Anekdoten aus meinem Leben habe ich mich für die wichtigsten, lustigsten und spektakulärsten entschieden, damit das Lesen auch Spass macht. Da es immer scharfe Kritiker gibt, die gerne darauf verweisen, dass Einzelnes nicht klar bestätigt sei, habe ich am Ende eine Art Informationsnachlese angehängt, damit sämtliche in diesem Buch genannten Schilderungen nachgeprüft werden können.

      Da ich kein Bücherwurm bin, weiss ich nicht, ob mein Schaffen inhaltlich dem Stil entspricht, den man normal liest, doch hoffe ich, damit einen möglichst authentischen Bericht zu bieten.

      In meiner Geschichte sind mehrere Milieugrössen und Milieugestalten erwähnt, die bereits verstorben sind, die ich jedoch unbedingt miteinbeziehen wollte, da sie das Zürcher Milieu massgeblich mitgeprägt haben.

       Der 19-jährige Reini Lutz

      Meine Geschichte beginnt mit einem Ereignis der düsteren Sorte. Als ich neunzehn Jahre jung war, verstarb meine Mutter durch einen tragischen Verkehrsunfall. Als sie mit ihrem Fahrrad wie gewohnt zur Arbeit fuhr, wurde sie von einem Auto erfasst und totgefahren, wodurch ich den wichtigsten Menschen in meinem Leben verlor und von einem Tag auf den anderen zum Vollwaisen wurde. Ein Ereignis, das mich sehr geprägt hat, inwiefern weiss ich nicht und ehrlich gesagt, bin ich auch nicht der Typ Mensch, der darüber nachgrübeln will, denn eine Wunde immer wieder von neuem aufzukratzen, war und ist bis heute nicht meine Art. Nach diesem traurigen Ereignis verzog sich auch mein damaliger Stiefvater aus meinem Leben, indem er zu seiner neuen Freundin zog, mit der er meine Mutter bereits seit längerer Zeit betrogen hatte. Seinen Verlust hingegen kann man eigentlich auch anders einordnen, denn mit meinem Stiefvater verstand ich mich nie. Wenn wir uns einmal sahen, denn er war so gut wie nie da, stritten wir uns immer und immer wieder, sodass mir sein Verschwinden eher eine Last von den Schultern nahm, so konnte ich mich umso intensiver mit der Trauer über den Tod meiner Mutter beschäftigen. Es war das letzte Mal in meinem Leben, dass Tränen aus meinen Augen quollen. Bei ihrer Beerdigung und der anschliessenden Trauerphase machte ich mir immer wieder Vorwürfe; hätte ich ihr doch nur noch ein letztes Mal Blumen geschenkt, sie ein letztes Mal zum Essen eingeladen und so weiter, mit jeder Träne ein Vorwurf mehr, als hätte ich dieses schreckliche Ereignis vorhersehen können.

      Als Vollwaise stand ich also von einem Tag auf den anderen komplett einsam da. Ich begann mich langsam durch die Welt zu tasten und konzentrierte mich auf die Welt der Frauen, also auf Beziehungen. Eine Freundin blieb mir stets besonders in Erinnerung, jedoch nicht einmal wegen ihr selbst, sondern eher wegen ihrem Stiefbruder, denn seine Persönlichkeit und die Art wie er sein Leben führte, inspirierte mich sehr. Der Stiefbruder hiess Rolf Meili und, was ich anfänglich nicht wusste, er war einer der berühmtesten Zuhälter jener Zeit. Rolf lud uns mehrfach ein, mit ihm ins Tessin zu fliegen, um dort ein Frühstück zu geniessen. Rolfs Art war höchst direkt und immer mal wieder ziemlich ungehobelt. So nannte er seine Nutten einfach nur Bäume und davon hatte er viele, einen ganzen Wald, könnte man sagen. Er war eine wahre Koryphäe unter den Zuhältern und selbst in der Strafanstalt Regensdorf bekannt, da er damals der einzige Insasse war, der keinen einzigen Tag gearbeitet hat. Dies begründete er Jahre später in einer Doku mit feiner Arroganz damit, dass seine Hände Gold wert seien und er diese zum Zählen von Geld benötige, weshalb er seine zarten Greifer nicht mit Arbeit ruinieren wolle. Ein anderer Spruch, der mir in Erinnerung blieb, betraf seine Nachttischlampe, die immer schräg stehen musste, damit er einschlafen konnte. Was so viel bedeutete wie, wenn so viele Geldnoten unter dem Lämpchen gestapelt lagen, dass die Lampe beinahe umzukippen drohte, war sein Wald rentabel, sein Geschäft florierte und sein Schlaf war garantiert. Nebst dieser rauen, arroganten Art gab es aber auch andere Seiten an diesem Menschen. Viele wussten nicht, dass er ein begnadeter Maler und Klavierspieler war, für beides war er mit viel Talent gesegnet. Trotz anfänglichen Kontakten mit Randgestalten blieb mein Leben noch recht in den Bahnen eines normalen Schweizers. So geriet