Hillmoor Cross. Shannon Crowley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Shannon Crowley
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958130425
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blinzelte. Tatsächlich, es ging. Schemenhaft erkannte er eine Gestalt mit langen dunklen Haaren.

      »Na wunderbar! Es geht doch.« Die dickliche Hand tätschelte seine. Er konnte nicht einmal die Augen bewegen, so weh tat alles, was sich oberhalb seines Halses befand.

      »Danke, Schwester Lacey.« Nun sprach wieder der Mann. Er schob die Frau weg und beugte sich zu ihm. Er hatte graue Haare, die in einem buschigen Kranz einen kahlen Schädel umrahmten, und trug einen weißen Kittel. Um seinen Hals baumelte ein Stethoskop.

      »Mister Almond? Ich bin Doktor Mackenzie. Sie hatten einen Unfall. Können Sie sich erinnern?«

      Dieser fürchterliche Durst und diese mörderischen Schmerzen.

      »Verstehen Sie mich?«

      Jake versuchte ein Nicken und wurde mit einem Feuerwerk an Qualen in seinem Kopf bestraft.

      »Wasser«, nuschelte er und wunderte sich, dass ein verständliches Wort aus seinem Mund gekommen war. Vielleicht war es auch nicht verständlich gewesen, ihm zumindest war es so vorgekommen.

      »Möchten Sie etwas trinken?«, erkundigte sich die Frauenstimme. Welch ein Wunder, sie hatte ihn verstanden. Er hob die Hand und hoffte, dass sie es als ein Ja begriff. Ein weiteres Kopfnicken hätte er nicht überlebt. Jemand drückte eine Schnabeltasse gegen seine Lippen und Pfefferminztee rann über seine Zunge und die Kehle hinunter. Köstlich, so sehr er auch Kräutertee verabscheute. Ein Hustenreiz überkam ihn, schüttelte ihn, und ihm schoss das Wasser aus den Augen, derart höllisch prasselte der Schmerz. Der Arzt sagte etwas, doch sein gefoltertes Gehirn konnte die Worte nicht mehr verstehen. Er spürte, dass der Doktor sich an seiner Armbeuge zu schaffen machte, dann versank er in barmherzige schmerzfreie Dunkelheit.

      Als Jake das nächste Mal erwachte, war der Schmerz zwar noch da, aber wie durch eine dicke Schicht Gummi von ihm abgetrennt. Er lag alleine in einem Raum, der ihm völlig fremd war. Durch ein hohes schmales Fenster zu seiner linken Seite sah er blauen Himmel. Neben seinem Bett stand ein Infusionsständer, an dem eine Flasche hing. Ein durchsichtiger Schlauch führte zu einer Kanüle, die in der Vene seines linken Armes steckte, und eine klare Flüssigkeit tropfte behäbig in seinen Körper. Er versuchte nachzudenken. So wie es aussah, lag er in einem Krankenhaus. Aber warum? Was war passiert? Welche Jahreszeit war es und welcher Wochentag? Welches Datum? Etwas beunruhigte ihn stark, aber er kam nicht dahinter, was es war. Etwas Schreckliches, etwas, was ihn furchtbar aufregte. Nur was? Über ihm baumelte ein Kästchen mit einem roten Knopf, den er als Schwesternruf erkannte. Er drückte darauf. Es schien endlos zu dauern, bis die Zimmertür aufging. Eine sehr junge Krankenschwester mit kurzen rot gefärbten Haaren kam herein.

      »Mister Almond, wie schön – Sie sind wach! Wie geht es Ihnen?«, fragte sie und eilte zum Fenster. Mit einer raschen Bewegung brachte sie die Scheibe in Kippstellung, ehe sie an sein Bett kam. Kühle Luft strömte ins Zimmer.

      »Was ist passiert? Wo bin ich?«

      »Sie sind in der Uniklinik in Galway. Sie hatten einen Autounfall. Können Sie sich an gar nichts erinnern?«

      »Nein«, murmelte er. Er hatte also einen Autounfall gehabt. Doch da war diese furchtbare Angst. Woher kam sie? Er war immerhin in Sicherheit und hatte überlebt. Aber vielleicht war ja noch jemand beteiligt gewesen, und vielleicht war er schuld an dem Unfall. Die Schwester tätschelte seine Hand. Blitzartig durchzuckte ihn eine Erinnerung. Er war schon einmal wach gewesen und vor Kopfschmerzen beinahe wahnsinnig geworden. Auch da hatte jemand seine Hand getätschelt.

      »Wie lange bin ich schon hier?«, erkundigte er sich.

      »Den zweiten Tag. Sie sollten nicht so viel sprechen. Es strengt Sie an. Ich sehe gleich nach dem Doctor. Der kann Ihnen mehr sagen.«

      Als der Arzt mit dem buschigen grauen Haarkranz eine für Jake enorme Weile später bei ihm erschien, fiel ihm ein, dass er auch ihn schon gesehen hatte.

      »Mister Almond, schön, dass Sie wieder bei Bewusstsein sind. Ich bin Doctor Mackenzie. Wie fühlen Sie sich?«

      Mackenzie, richtig. Den Namen hatte er ihm bereits gesagt.

      »Ich weiß es nicht. Ich habe Kopfschmerzen und kann mich an nichts erinnern«, erwiderte Jake. Der Doctor nickte.

      »Sie haben eine Gehirnerschütterung. Sie brauchen vor allem Ruhe, den Rest regelt die Zeit. Wir haben Sie letzte Nacht von der Überwachungsstation auf die Innere verlegt. Sie hatten wahnsinniges Glück. Ihr Wagen ist völlig hinüber. Wenn Sie nicht von einem jungen Paar gefunden worden wären, das sich in der Nähe der Unfallstelle aufgehalten hatte, wären Sie möglicherweise verblutet.«

      »Verblutet? Woran denn?« Jake suchte seinen Körper mit Blicken ab, so gut es ging. Unter der Bettdecke zeichneten sich sämtliche Gliedmaßen ab. Es fehlte also nichts.

      »Sie haben eine Schnittverletzung am linken Bein. Ein Metallteil hat sich in Ihren Oberschenkel gebohrt und ist knapp einen Millimeter an der Arterie vorbei stecken geblieben. Eine falsche Bewegung und …« Er ließ den Satz offen.

      »Wir mussten die Wunde nähen. Ansonsten haben Sie noch etliche Prellungen und Schürfwunden, nichts Dramatisches. Ein paar Tage müssen Sie noch hierbleiben.«

      Jake nickte. Ein dumpfer Schmerz schwoll bei der Bewegung in seinem Kopf an. Er war so schrecklich unruhig. Am liebsten wäre er aus dem Bett gesprungen und losgerannt, obgleich er nicht wusste, wohin es ihn trieb.

      »Sagen Sie, Mister Almond, gibt es jemanden, den wir verständigen sollen? Haben Sie Familie, eine Freundin, oder sind Sie verheiratet?«, fragte Doctor Mackenzie. Angehörige. Jake war es, als träfe ihn eine Riesenfaust, senkrecht und von oben. Hysterisches Entsetzen schoss ihm in alle Glieder. Großmutter Martha! Das war es, was in ihm tobte.

      »Doctor, wie lange bin ich schon hier?«, stieß er hervor, obgleich er die Antwort der Krankenschwester noch im Ohr hatte. Fassungslosigkeit zog ihm die Kehle zu.

      »Sie wurden in der Nacht vom 16. auf den 17. März eingeliefert. Heute haben wir den 18. Wen können wir denn nun für Sie benachrichtigen?«

      Jake brach der Schweiß aus allen Poren. Ihm wurde übel und er befürchtete, sich auf die Bettdecke zu übergeben.

      »Mister Almond? Alles in Ordnung?« Der Arzt griff nach seinem Handgelenk und fühlte den Puls.

      »Ich muss nach Hause«, stieß er hervor. Sein Gesicht war mit einem nassen Film überzogen.

      »Das wäre im Augenblick völlig unverantwortlich. Haben Sie Verwandte?«, fragte Doctor Mackenzie und legte Jake eine Manschette zum Blutdruckmessen um den Arm.

      »Meine Großmutter.« Großmutter Martha, die er vor zwei Tagen niedergeschlagen und in einen Verschlag im Keller gesperrt hatte. Die er so rasch als möglich wieder hatte befreien wollen. Die bestimmt am Verhungern und Verdursten war, wenn sie nicht bereits wegen ihres Bluthochdrucks gestorben war. Schlaganfall oder Herzinfarkt, davor hatte sie sich stets gefürchtet und ihre Medikamente mit aller Genauigkeit genommen. Vor Angst und Verzweiflung war sie vielleicht schon durchgedreht.

      »Wie können wir sie erreichen?«

      Gar nicht, verdammt noch mal!

      »Ich muss nach Hause, bitte.«

      »Auf keinen Fall. Braucht Ihre Großmutter Hilfe? Ist sie auf Ihre Unterstützung angewiesen?«, fragte der Arzt und nahm Jake die Blutdruckmanschette wieder ab.

      Ja! Ihr Leben hing von ihm ab, wenn es denn nicht schon zu spät war. Das Grauen schüttelte ihn. Doctor Mackenzie legte Jake fest die Hand auf die Schulter.

      »Ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung. Wir kümmern uns um Ihre Großmutter. Ich schicke jemand zu Ihnen nach Hause …«

      »Nein!«

      Er wurde wahnsinnig. Die Schlinge zog sich immer fester um seinen Hals. Der Arzt nahm die Hand von Jakes Schulter.

      »Nein?«, wiederholte er.

      »Nein. Meine Großmutter ist nicht zu Hause. Sie ist in Dublin, eine Freundin besuchen. Hören Sie, sie hat Bluthochdruck