Hillmoor Cross. Shannon Crowley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Shannon Crowley
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958130425
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wollte und sich ihm gegenüber immer als Bekannter seiner Mutter ausgab, war außer sich gewesen, als er die kaum verheilte Narbe am Kopf des Jungen sah. Dass das Ganze ein Unfall gewesen war, hatte er ihr auch nicht geglaubt und ihr mit Konsequenzen gedroht, falls sich so etwas wiederholte. Außerdem hatte er darauf bestanden, zukünftig sofort informiert zu werden, wenn der Kleine krank wurde oder sich auch nur das Knie aufschlug.

      Katie wandte sich von Dungory Castle ab. Sie musste weiter versuchen, Finn zu erreichen. Er hatte den Jungen – alles andere war Panikmache.

      Sie erreichte den Bus in letzter Sekunde, gerade als der Fahrer die Türen wieder schließen wollte.

      Kurz nach vier Uhr nachmittags war sie zurück in Hillmoor Cross, eine weitere viertel Stunde später bog sie in die Skyestreet ein und sah am Straßenrand den rostigen VW Derby von Ben stehen. Durch das rückwärtige Fenster erkannte sie seinen massigen Kopf mit den kurz geschorenen Haaren. Ben öffnete die Fahrertür und stemmte seine geschätzten hundert Kilo aus dem Wagen. Seine Miene war betont gleichgültig.

      »Hey, Kätzchen. Dachte, ich überrasch’ dich. Fast wäre ich wieder gefahren.« Er wollte ihr einen Kuss auf den Mund drücken. Hastig drehte Katie den Kopf zur Seite, sodass er nur ihre Wange traf.

      »Was ist denn los, Sweetie? Freust dich ja gar nicht«, schmollte er.

      »Du hast dich seit drei Tagen nicht blicken lassen. Jetzt kreuzt du auf und ich soll mich wegschmeißen vor Begeisterung? Was hast du getrieben?«, fuhr sie ihn an.

      Ben zuckte mit den Schultern.

      »Hab mal bisschen Zeit für mich gebraucht. Müssen wir das hier besprechen? Können wir nicht hochgehen?«

      Katie stieß den Haustürschlüssel ins Schloss. Ben folgte ihr durch das düstere Treppenhaus, das bei Tag noch trostloser wirkte als nachts. Sie waren kaum in der Wohnung, als er die Tür zudrückte und Katie mit einem Arm umschlang. Er presste sie an sich, schob ihren Rücken gegen die Wand und fasste mit einer Hand unter ihr T-Shirt.

      »Ich bin total heiß auf dich«, keuchte er. Katie stemmte ihre Hände gegen seine Brust.

      »Lass das! Mir ist nicht danach.«

      »Halt die Klappe!« Er drängte seine Zunge in ihren Mund, nestelte am Reißverschluss ihrer Jeans, und ihr Körper reagierte. Zwei Minuten später war es vorbei. Zornig richtete Katie ihre Wäsche.

      »Arschloch!«, fuhr sie ihn an. Ben grinste.

      »Reg dich ab. Es hat dir gefallen, ich kenn dich. Was bist du so schlecht gelaunt?« Katie suchte ihre Zigaretten aus der Flickentasche und ging vor ihm in die Küche. Sie öffnete das Fenster und klopfte eine Zigarette aus der Packung.

      »Der Junge ist weg.«

      Ben setzte sich an den runden Küchentisch, der unter dem Fenster stand.

      »Und wo ist er?«

      »Ja, Himmel! Das weiß ich doch nicht.«

      Ben rieb mit den Fingerspitzen über die Schläfen.

      »Soll ich dir suchen helfen?«, fragte er.

      »Nein. Ich hab schon alles abgesucht.«

      »Vielleicht ist er weggelaufen«, überlegte er.

      »Vielleicht.« Katie drückte die eben angezündete Zigarette aus. Ihr wurde schlecht von dem Nikotin.

      »Hattet ihr Stress?«, erkundigte sich Ben und streckte seine Beine unter dem Tisch aus.

      »Nein. Zumindest nicht mehr als sonst.«

      »Hm, hm. Na, zum Abendessen wird er schon wieder aufkreuzen. Der Hunger treibt die kleinen Ungeheuer dann schon heim.«

      »Blödsinn!«, fuhr Katie hoch. Sie lehnte am Fensterrahmen und blickte auf die leere Straße hinunter. Die Mülltonne am Haus nebenan quoll über. Eine Katze kauerte davor, lag flach gedrückt am Boden, bewegte die Schwanzspitze und fixierte etwas, was sich unter der Tonne bewegte.

      »Er ist seit zwei Tagen weg, verstehst du?« Ihr Magen knotete sich zusammen. Zwei Tage waren eine verdammt lange Zeit für einen Fünfjährigen. Ben stieß ein schnaubendes Geräusch aus.

      »Seit zwei Tagen? Donnerwetter.« Er rieb sich die Nase. »Du hast nicht zufällig die Polizei angerufen?« Sie hörte die Furcht in seiner Stimme.

      »Nein. Ich dachte erst, er ist bei Maya. Als er da nicht war, dachte ich …« Sie brach ab.

      »Was?«, fragte er. Katie kniff die Augen zusammen und musterte ihn. Bens gleichgültige Miene machte sie rasend.

      »Ich dachte, er ist entführt worden«, ergänzte sie.

      »Entführt? Du hast doch gar keine Kohle. Das macht doch keinen Sinn.«

      Katie schloss das Fenster. Ben zuckte mit dem Kopf zur Seite. Der Rahmen war knapp an seiner Schläfe vorbeigegangen.

      »Entführt von seinem Erzeuger. Dem passen meine Erziehungsmethoden nicht. Wir haben immer mal Clinch deswegen.«

      Ben beugte sich vor. In seinen Augen funkelte es gefährlich.

      »Ich wusste gar nicht, dass du noch Kontakt mit anderen Typen hast. Von Bastis Vater hast du auch noch nie gesprochen. Ehrlich gesagt, das passt mir gar nicht.«

      »Halt mir keine Vorträge. Er hat ein Recht, sein Kind ab und zu zu sehen.«

      »Ich will nicht, dass meine Frau …«

      »Seit wann bin ich ›deine‹ Frau?« Katie wurde laut. Ben sprang auf, der Stuhl schabte lautstark über den Fliesen­boden.

      »Du kleine Schlampe! Du hast Geheimnisse vor mir. Ich sag dir, wenn ich rauskriege, dass du noch mit anderen herummachst, sind wir geschieden!«

      Katie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

      »Ich mach nicht herum! Jetzt hau ab und lass mich in Ruhe! Ich muss den Jungen wiederfinden.«

      »Na dann viel Glück. Kannst dich ja melden, wenn du dich beruhigt hast.« Sekunden später krachte die Wohnungstür ins Schloss. Katie zuckte zusammen. Automatisch griff sie wieder nach den Zigaretten. Sie nahm eine aus der Packung und stellte sich, ohne sie anzuzünden, damit ans Fenster. Unten auf der Straße stieg Ben in seinen Wagen, ließ unüberhörbar den Motor an und brauste davon. Katie durchjagte ein eisiger Schreck. Ben hatte sie vorhin in die Wohnung gedrängt und sofort mit ihr geschlafen. Er hatte nicht zuvor nach Sebastians Anwesenheit gefragt, wie er es sonst tat, wenn er in ihren vier Wänden Sex wollte. Das konnte nur eines bedeuten: Er musste gewusst haben, dass der Junge nicht da war.

      *

      Lacey Stone beugte sich über den Patienten. Auf Anordnung von Doctor Mackenzie hatte ihre Kollegin, Schwester Heather, Jake Almond eben ein Mittel zur Sedierung nachgespritzt. Jetzt schlief er wieder ruhig. Lacey hatte, gegen jede Regel, rasch die Überwachungsstation verlassen, auf der sie Dienst hatte, um nach Jake zu sehen. Sie baute darauf, dass Heather den Mund halten und sie nicht bei den Kolleginnen verraten würde. Immerhin war Heather dankbar für jede Abwechslung während ihrer Nachtschicht.

      »Die kommende Nacht müssen wir ihn in seinem eigenen Interesse auf jeden Fall ruhigstellen, vielleicht auch noch morgen. Er soll sehr aufgeregt gewesen sein und will unbedingt nach Hause. Mit der Gehirnerschütterung muss er liegen und sich schonen, ganz zu schweigen davon, dass die Verletzung am Oberschenkel besser abheilen kann, wenn er nicht auftritt«, hatte sie ihr redselig mitgeteilt, als Lacey ins Zimmer gekommen war, gerade als sie die Spritze gesetzt hatte.

      »Hat der Doc was gesagt, wie lange Almond noch in der Klinik bleiben muss?«, erkundigte sich Lacey beiläufig. Heather zog die Spritze aus der Kanüle und schloss die Infusion wieder an.

      »Ein paar Tage schon noch. Ich meine, wenn man sichergehen könnte, dass er zu Hause liegen bleibt und versorgt wird, könnte er bestimmt eher entlassen werden. Aber anscheinend hat er niemand, außer seiner Großmutter, und die ist verreist.«

      Lacey hatte Heather das Bedauern angemerkt, als