Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt. Jacob Burckhardt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jacob Burckhardt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027213764
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in unzähligen Denkmälern, und zwar auch in solchen, die keine Entschuldigung durch Ungeschicklichkeit des Künstlers zulassen. In den meisten Bildnissen dieser Zeit herrscht teils eine natürliche Hässlichkeit, teils etwas Krankhaftes, Skrophulöses, Aufgedunsenes oder Eingefallenes vor. Grabmonumente, Münzen, Mosaiken, Böden von Trinkgläsern – alles stimmt hierin überein. Die Mitregenten Diocletians und die nächsten Nachfolger mit ihren zum Teil wahrhaft abschreckenden Zügen mögen als Illyrier keine Durchschnittsform darbieten. Constantin, dessen Äusseres wir aus Statuen und Münzen genau kennen, zeigt zwar im ganzen eine gesunde regelmässige Bildung, aber etwas wie einen Ausdruck von Tücke, und doch sind Panegyriker und Kirchenschriftsteller voll einstimmigen Entzückens über seine Schönheit, was nicht blosse Schmeichelei, sondern ein Zeugnis für den niedrigen Maßstab des Urteils ist. In den Physiognomien seiner Söhne bemerkt man eine wesentlich neue Gattung von Ausdruck, die nachher häufig wiederkehrt; es zeigt sich das, was im schlimmen Sinne das Pfäffische heisst; Constantin II. hat dabei die nicht ganz angenehme rundliche Kopfbildung seines Vaters, Constans und Constantius eine mehr in die Länge gezogene. Viel entscheidender als diese Illyriotengesichter, ja vielleicht mehr als die Bildnisse überhaupt, sprechen die eigentlichen Idealfiguren der betreffenden Zeit, in welchen die Künstler das allgemein Gültige niederlegen wollen, die Verschlechterung des damaligen Menschentypus aus. Der Constantinsbogen beim Kolosseum ist allerdings ein Werk der Hast und Eile, und dies erklärt und entschuldigt hinlänglich die grosse Roheit der plastischen Ausführung, nicht aber die Hässlichkeit der Gestalten und die Verkümmerung der Züge. Wohl gibt es Zeiten, in welchen die Kunst sich etwas darauf einbildet, ihr Ziel einseitig im Charakteristischen statt im Schönen zu suchen, und jenes sogar bis ins Hässliche zu steigern, ohne dass die den Künstler umgebende Welt daran schuld wäre. Allein hier ist von einer solchen Vorliebe für den Charakter nicht die Rede, sondern ganz einfach von der Unfähigkeit, an den klassischen Schönheitsidealen auch nur oberflächlich festzuhalten, während die Aussenwelt keine Beziehung mehr zu denselben hat. Im fünften Jahrhundert geben dann die Mosaiken einen fortlaufenden Maßstab für dieselbe Wahrnehmung. Und zwar will die Kunst hier noch nicht den Ausdruck der Heiligkeit in der ascetischen Abmagerung und Morosität suchen wie später die byzantinischen Mosaicisten; ihre Gestalten sind noch nicht eigentlich verschrumpft – aber in der Regel von hässlichen, unregelmässigen Gesichtszügen. Selbst sehr ausgezeichnete Arbeiten, in welchen alles übrige, Gewandung, Bewegung, Verteilung im Raum usw., so gut ist, als man es irgend von der theodosischen Zeit verlangen kann, wie zum Beispiel die zwölf Apostel im orthodoxen Baptisterium zu Ravenna, machen doch in diesem Punkte durchaus keine Ausnahme.