Gereichte nun der Luxus in dem bezeichneten Sinne der schönen Bauform notwendig zum Untergang, so trug selbst ein höherer Fortschritt zum Neuen nicht weniger dazu bei, das von den Griechen ererbte Bausystem definitiv zu zersprengen. Wir meinen die neue Aufgabe grosser, vorzüglich gewölbter Binnenräume. In der bessern Kaiserzeit hatte man zum Beispiel beim Thermenbau die Säulen und ihr Gebälk mit der Kuppel, dem Tonnengewölbe und Kreuzgewölbe so verbunden, dass sie gleichsam als ein eigener Organismus daran vorbeigehen. Eine Rücksicht dieser Art konnte auf die Länge nicht fortdauern, namentlich als mit der christlichen Zeit jene Aufgaben sich auf einmal ausserordentlich häuften und zugleich die Tendenz auf möglichste Prachtentwicklung jede andere Erwägung schweigen hiess. Die christliche Basilika, das erste grosse Vorbild aller rein perspektivisch gedachten Binnenräume494, lud Bogen und grosse schwere Obermauern auf ihre Säulenreihen; die Kuppelkirche mit untern und obern Galerien oder Nebenkapellen ringsum495 verneinte vollends den Begriff des Gebälkes und brauchte die Säule fast nur um ihrer angenehmen Wirkung willen. Es dauert dann tief in das Mittelalter hinein, bis die christliche Baukunst die mit zunehmendem Missverständnis wiederholten, zuletzt kaum mehr kenntlichen antiken Einzelformen mit einem neuen, ihrem Prinzip angemessenen Gewand vertauscht.
Endlich war die christliche Architektur von vornherein genötigt, mit der kirchlichen Tendenz auf eine ungünstige Weise zu teilen. Letztere möchte gern das ganze Gebäude, ja jeden Stein zum Symbol ihrer Macht und ihres Sieges machen; daher das Vorwiegen teils der glänzendsten Luxuszierarten496, teils der bildlichen Darstellungen im Innern wie an den Fassaden. Neben einer Mosaikverschwendung, welche alle Räume und Flächen mit biblischen Figuren und Geschichten in den starken ungebrochenen Farben der Glaspaste überzog, konnte keine rein architektonische Gliederung mehr gedeihen, und so schrumpfen Gebälk und Konsolen zu schwachen Riemchen zusammen oder werden gar nur noch durch ein Mosaikornament angedeutet.
Die Architektur erhielt sich dabei allerdings den Sinn für grossartig angeordnete, phantasievoll aufgebaute Binnenräume und für eine grosse mechanische Virtuosität. Der letztern verdanken es dann wieder einige Künstler der byzantinischen Zeit, wenn sie aus der oben berührten Anonymität heraustreten durften.
Der Verfall der Plastik und Malerei geht mit demjenigen der Baukunst aus denselben oder ähnlichen Ursachen hervor, wozu noch besondere Umstände kommen. Auch hier hat zunächst der Luxus des Materials gewiss verderblich gewirkt. Als es einmal Sitte war, die Statuen aus drei-, ja viererlei oft sehr schwierigen Steinarten zusammenzusetzen – von den vielen aus Gold und Silber gefertigten497 zu schweigen –, so musste der Stil dies auf die Länge übel empfinden, weil er durchaus die Hauptsache zu sein verlangt, wenn er gedeihen soll. Man sieht in der Vatikanischen Galerie unter anderm die kolossalen Porphyrsärge der Helena und der Constantia (Mutter und Tochter Constantins), den einen mit Reiterzügen, den andern mit weinbereitenden Genien sehr mittelmässigen Stiles. Die blosse Restauration des erstern unter Pius VI. soll fünfundzwanzig Menschen neun Jahre hindurch in Anspruch genommen haben498, wonach man die Mühe der ursprünglichen Verfertigung berechnen mag. Von irgendeinem unmittelbaren Zuge künstlerischer Genialität ist bei diesem unglaublich harten und spröden Steine nicht die Rede; es handelt sich um eine Sklavenarbeit nach einem vorliegenden Modell. Ganz auf analoge Weise musste das Mosaik die Malerei verderben. Solange es nur die Fussböden in Anspruch nahm, so konnte es als eine Äusserung überfliessender Kunstliebhaberei gelten, welche keinen Fleck, auf den das Auge fällt, unveredelt lassen wollte, obschon auch immer etwas Barbarisches dabei ist, auf Kompositionen wie die pompejanische sogenannte Alexanderschlacht herumzuwandeln. Seit Plinius aber war das Mosaik an Wände und Gewölbe emporgestiegen499; in den Thermen, wo der gewöhnlichen Malerei von Seite der Feuchtigkeit Gefahr drohte, hatte diese Veränderung vieles für sich, in andern Gebäuden dagegen entzog sie dem Künstler ohne Not jedes eigenhändige Mitarbeiten an seiner Schöpfung und entmutigte ihn, weil der Beschauer zuerst an die Kostbarkeit und Pracht, dann an den Gegenstand und zuletzt oder auch gar nicht an die Darstellung dachte. Mit der Einführung des Christentums aber wurde das Mosaik, wo nur irgend die Mittel ausreichten, der erste Schmuck aller Wände und Gewölbe der Kirchen.
Viel entschiedener jedoch offenbart sich der Verfall an andern Symptomen, die auf andere Gründe hinweisen. Auffallend erscheint zunächst die geringe Zahl bedeutender Götterstatuen, welche man mit Sicherheit den Zeiten nach Alexander Severus zuweisen könnte; dafür nehmen die Mithrasbilder, die abscheulichen Äonen, die Pantheen (S. 228), die ephesinischen Dianenbilder u. dgl. überhand. Hier griff offenbar die Religion ein. Nichts war mehr geeignet, den Künstler an den alten Göttertypen vollständig irre zu machen, als jene Einmischung formwidriger Fremdgottheiten, verbunden mit der Dämonisierung der einheimischen (S. 271), welche dabei ihre schöne, anthropomorphistische Persönlichkeit einbüssten; wenigstens hatte es der Künstler schwer, sich mit der alten Pietät in dieselbe zu versenken, selbst wenn es verlangt wurde. Statt dessen galt es jetzt, Tausende von Sarkophagen500 zu verfertigen, welche mehr als alles andere die Bildhauer des dritten Jahrhunderts beschäftigten. Ihre Reliefs stellen zwar lauter griechische Mythen dar und sind somit frei von jenen fremdgöttischen Unformen; allein sie konnten aus andern überwiegenden Gründen keinen bedeutenden Kunstwert erreichen. Die Verschmelzung der plastischen und dramatischen Gesetze zu einem vollendet reinen Reliefstil hatte nur die Sache der höchsten Kunstepoche sein können; sobald das üppige Streben nach Effekt überhandnahm – also noch in derjenigen spätgriechischen Zeit, welche sonst noch so wunderbare Dinge schuf –, musste auch das Relief aus dem Gleichgewicht geraten. Deshalb sind auch die schönsten Arbeiten der bessern römischen Zeit, die zunächst auf dieser spätgriechischen Tradition ruhen, wie zum Beispiel die Reliefs am Titusbogen, nur von bedingtem Werte501. Später aber, als der Reichtum überhaupt an die Stelle der Schönheit trat, als man von den Reliefspiralen der Trajanssäule und ihrer Nachahmungen, von den überfüllten Triumphbögen her an jede Art plastischer Verschwendung gewohnt war, musste vollends die Anzahl, ja das Gewimmel der Figuren, wie in der Architektur die Vervielfältigung der Glieder, alle wahre und grosse Wirkung verdrängen. Ferner wurde die Sarkophagbildnerei dadurch demoralisiert, dass sie selten auf besondere Bestellung, vielmehr fast ausschliesslich auf den Kauf hin arbeitete und also dem schlechten, pompsüchtigen Durchschnittsgeschmack nachgehen musste. Endlich überwog hier der Gegenstand, und zwar in tendenzhafter Auffassung zum Nachteil der Kunst. Die betreffenden Mythen sind nämlich als symbolische Hüllen allgemeiner Ideen dargestellt, eine Scheidung zwischen Schale und Kern, deren Bewusstsein der Kunst auf die Länge nur schaden kann. Unter jenen Darstellungen der Mythen von Meleager, Bacchus und Ariadne, Amor und Psyche, Luna und Endymion, Pluto und Proserpina, unter jenen Centauren- und Amazonenkämpfen, Bacchanalien, Nereidenzügen usw. liegen abstrakte Gedanken über Schicksal, Tod und Unsterblichkeit verborgen. Eine solche Symbolik erregt wohl die geschichtliche und poetische Teilnahme des Beschauers; die Kunst aber versäumte darob eine andere Aufgabe: in jeder ihrer Gestalten durch Hoheit der Form von selber an alles Ewige und Unvergängliche zu erinnern.
Das Christentum brachte statt jener heidnischen Gestalten an den Sarkophagen Christus und die Apostel oder gewisse Szenen des Alten und Neuen Testamentes in Parallele oder auch nur einzeln