Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman. Hans-Peter Lehnert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Peter Lehnert
Издательство: Bookwire
Серия: Die Bergklinik Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916947
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die beiden waren schon Schulfreunde gewesen, hatten miteinander studiert, und während für Stolzenbach nur die Chirurgie in Frage gekommen war, dauerte es lange, bis Peter Lohmann sich entschlossen hatte, Pathologe zu werden.

      »Du fehlst mir, Alter«, sagte er, »irgendwie ist es ohne dich anders. Nicht nur, was unsere persönliche Freundschaft betrifft, auch die anderen vermissen dich. Professor Weinert soll letzte Woche gesagt haben, es sei ein großer Fehler gewesen, dich ziehen zu lassen.«

      Clemens Stolzenbach zog die Augenbrauen hoch, sonst sagte er nichts dazu.

      »Auch das Töchterlein des Professors weint dir nach«, fuhr Peter Lohmann fort. »Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Sie hat sich bei Vera ausgeweint und mehr als bedauert, daß sie die Beziehung zu dir so auf die leichte Schulter genommen hat.«

      Clemens Stolzenbach schien das alles nicht zu beeindrucken. Er saß mehr oder weniger unbeteiligt da, schwieg und ließ seinen Studienfreund und Kollegen reden.

      »Jetzt erzähl doch mal«, forderte der ihn schließlich auf, »oder gibt’s nicht viel zu erzählen? Es soll ja eine sehr interessante Klinik sein. Dieser Doktor Trautner hat einen ausgezeichneten Ruf. Seine Methoden sollen zwar nicht immer der Schulmedizin entsprechen, aber er hat offensichtlich Erfolge.«

      »Er ist ein Sonderling«, antwortete Stolzenbach, »und die Art, wie er die Klinik leitet, ist total antiquiert. Durch die Klinik sollte mal frischer Wind wehen.«

      »Dazu könntest du dich doch ­berufen fühlen«, schlug Lohmann vor.

      Zuerst wollte Clemens Stolzenbach antworten, daß er sich schon nach einer neuen Stelle umsehe, doch dann sagte er nur, daß er Bettina begegnet sei.

      »Das darf nicht wahr sein!« Lohmann war verblüfft. Er hatte vor sieben Jahren wirklich alles aus nächster Nähe mitbekommen. »Und…?«

      »Nichts und. Es ist lange vorbei. Sie ist Patientin der Klinik, nicht meine.« Auf nähere Einzelheiten ging Stolzenbach nicht ein.

      »Du machst irgendwie einen niedergeschlagenen Eindruck«, sagte Peter Lohmann. »Fehlt dir vielleicht die Stadtluft in München? Die Bergklinik soll ja wunderschön liegen, aber sie ist doch weit weg vom Schuß.«

      »Das stört mich nicht«, antwortete Stolzenbach. »Im Gegenteil.«

      Lohmann wußte, daß es keinen Sinn hatte, Clemens Stolzenbach jetzt mit Fragen zu löchern. Der würde nur dann reden, wenn ihm danach war. Deshalb schlug er vor, wie früher ein Studentenlokal zu besuchen.

      »Wir gehen ins ›Lamm‹«, sagte er, »da war’s doch immer super.«

      »Die Zeiten sind vorbei«, antwortete Stolzenbach, »wir sind keine Studenten mehr. Ich werde vierzig, du bist es schon.«

      »Was heißt das denn?« Lohmann winkte ab.

      »Das kann ich dir ganz genau sagen«, antwortete Stolzenbach. »Bei uns in der Bergklinik ist eine Studentin, Monika.«Er schloß für einen Moment die Augen. »Ich weiß nicht, wie ich sie beschreiben soll, aber wenn sie mich anschaut, dann weiß ich nicht mehr, was ich denken soll. Ich hab’ mich gefühlt wie ein ganz junger Bursche. Um es abzukürzen, ich habe mich total in sie verliebt. Und sie weiß es. Aber ich habe keine Chance, gehöre nicht zu ihrer Generation, verstehst du? Sie hat irgendeinen Medizinstudenten als Freund. Das meine ich damit, wenn ich sage, daß wir zu alt sind.«

      Peter Lohmann antwortete noch nichts. Er kannte Clemens Stolzenbach gut genug, um zu wissen, wie sehr ihn die Sache berühren mußte, um derart aufgebracht darüber zu reden.

      »Das ist natürlich hart«, sagte er nach einer Weile. Dann saßen sie sich stumm gegenüber.

      Dann stand Clemens Stolzenbach auf. »Komm, wir gehen doch ins ›Lamm‹. Trübsal blasen bringt ja nichts. Haben die das alte Klavier noch da stehen?«

      Lohmann nickte. »Das steht noch da.«

      Clemens Stolzenbach grinste. »Dann werd’ ich mal ordentlich einen klimpern. Die Herren und Damen Studenten sollen mal hören, was unsereiner drauf hat.«

      »Du wirst nicht viel Zuhörer haben«, sagte Peter Lohmann. »Es sind Semesterferien.«

      »Um so besser«, murmelte Clemens Stolzenbach, »die müssen nicht mitbekommen, wenn unsereiner nicht so gut drauf ist.«

      Eine halbe Stunde später betraten sie das Lokal. Generationen von Studenten hatten hier verkehrt. In der in dem Moment wenig besuchten Gaststube war es wie früher unbeleuchtet dämmrig. Die alte Wirtin lächelte, als Clemens Stolzenbach und Peter Lohmann hereinkamen.

      »Grüß Sie Gott, Herr Professor«, sagte sie, »es ist nett, daß Sie wieder mal hereinschauen.«

      Olga hatte natürlich alle Berichte über Clemens Stolzenbach gelesen und seine steile Karriere verfolgt.

      »Lassen S’ den Professor weg«, antwortete der, dann zeigte er zu dem Klavier in der Ecke. »Darf ich wieder mal ein bisserl drauflosklimpern?«

      »Nur zu«, sagte Olga, »es spielt eh keiner mehr drauf. Es sei denn einer der Älteren… entschuldigen S’, Herr Professor, also wenn einer der früheren Studenten kommt, dann wird ab und zu noch mal drauf gespielt.«

      Clemens ließ sich ein Glas Schorle geben, dann ging er zu dem alten Klavier, stellte das Glas oben drauf, schlug den Deckel des Klaviers auf, setzte sich auf den Drehhocker davor und ließ seine Finger spielerisch über die Tasten gleiten. Sofort war es ruhig in der Gaststube.

      Dann begann er zu spielen. Zuerst ein paar Jazzthemen, dann einige Bluesstücke, einen Boogie, schließlich wurde die Musik immer sentimentaler. Clemens Stolzenbach hockte mit geschlossenen Augen da und lauschte den Tönen, die er dem alten Instrument entlockte.

      »Würden S’ für mich auch mal was spielen?« fragte plötzlich eine Stimme neben ihm.

      Als Stolzenbach die Augen öffnete, stand Monika neben ihm und lächelte ihn mit ihren großen dunklen Augen sehr lieb an. Dann zeigte sie auf einen jungen Mann, der neben ihr stand.

      »Das ist übrigens Udo«, sagte sie. »Er ist der, von dem ich behauptet hab’, daß er mein Freund ist.«

      »So so!« Clemens Stolzenbach hatte sich vom ersten Schrecken erholt.

      »Vielleicht haben Sie das damals nicht richtig verstanden«, fuhr Monika fort, »aber Udo ist wirklich nur ein Freund. Ich mein’, er ist ein Freund, wie Sie auch einen Freund haben. Kein Beziehungspartner.« Plötzlich glühten ihre Wangen.

      Clemens Stolzenbach hatte nicht aufgehört zu spielen. Er sah Monika unverwandt an. Udo hatte sich zurückgezogen und stand an der Theke.

      »Spielen Sie was für mich?« Monikas Stimme hatte plötzlich einen ganz weichen Klang.

      »Was möchten S’ denn hören?«

      »Das überlaß ich Ihnen«, hauchte Monika, »ich möcht’ nur, daß Sie ganz allein für mich spielen.« Das hübsche Mädchen wunderte sich über ihre Lockerheit und gleichzeitig meinte sie, ihr Herz bis zum Hals herauf schlagen zu hören.

      »Ich weiß nicht, wo ich es gehört hab’«, murmelte Clemens Stolzenbach, »und ich weiß auch nicht, wie es heißt, aber es fällt mir grad’ ein. Vor allem meine ich, es paßt zu Ihnen.«

      Monika stand ganz dicht bei ihm, ihre Augen schimmerten feucht, und als die letzten Töne durch den Raum schwebten, beugte sie sich zu Clemens Stolzenbach herunter und küßte ihn ganz rasch, aber sehr zärtlich auf die Wange.

      »Danke«, hauchte sie ihm dann ins Ohr, und bevor der junge Professor sich von dem Schrecken erholt hatte, war das hübsche Mädchen schon verschwunden.

      *

      Bettina Wagner hatte sich von dem aufregenden Zwischenfall erholt und sie trat auf, als sei nie etwas passiert.

      Zuerst verkündete sie, nach Hause fahren zu wollen, doch Dr. Trautner konnte sie überzeugen, daß es in ihrem eigenen Interesse war, ihren Aufenthalt noch ein wenig