Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman. Hans-Peter Lehnert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Peter Lehnert
Издательство: Bookwire
Серия: Die Bergklinik Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916947
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seinem Zimmer und Professor Stolzenbach stand neben seinem Bett.

      »Es könnte sein, daß Sie künftig ohne Beschwerden sind«, sagte der.

      »Heißt das, Sie haben die Ursache gefunden?« Ernst Jagners Stimme klang noch sehr müde.

      Stolzenbach wiegte den Kopf hin und her. »Jein. Ich habe ein paar kleine Verwachsungen des Magens mit dem Mesenterium gelöst. Dort gibt es reichlich Nervengewebe, und es könnte durchaus sein, daß es die Ursache für Ihre Beschwerden war. Pathologische Veränderungen an anderen Organen habe ich keine gesehen, alles machte einen durchaus gut durchbluteten und gesunden Eindruck.«

      Ernst Jagner schloß für einen Moment die Augen. »Ich geb’ einen aus, wenn die Sache damit erledigt ist. Wann wissen Sie das denn?«

      »Spätestens in ein paar Wochen, wenn Sie nichts mehr spüren«, antwortete Stolzenbach, dann gab er dem Patienten die Hand und verließ dessen Zimmer.

      Auf dem Gang kam ihm eine Schwester entgegen. »Doktor Rosenberg möchte Sie sprechen, Herr Professor.«

      Dr. Karl Rosenberg galt als guter Psychoanalytiker und gab sich unendlich viel Mühe mit seinen Patienten.

      Stolzenbach hatte noch einen OP-Termin, er sah auf die Uhr und wollte die Schwester bitten, Dr.Rosenberg auf später zu vertrösten, als sie sagte, es sei dringend.

      »Wo finde ich Doktor Rosenberg?« Stolzenbach sah die Schwester fragend an.

      »Auf der Intensivstation.«

      »Wie bitte?« Daß der Leiter des Sanatoriums auf der Intensivstation war, war vollkommen ungewöhnlich.

      »Ja, er wartet dort auf Sie«, sagte die Schwester, dann ging sie zurück.

      Stolzenbach war nun neugierig geworden. Was hatte Rosenberg auf der Intensivstation zu suchen? Als er die Station betrat, kam der ihm schon entgegen.

      »Ja? Herr Kollege?«

      »Sie kennen doch Frau Wagner, Bettina Wagner«, sagte Dr. Rosenberg.

      Stolzenbach nickte. »Natürlich, was ist mit ihr?«

      »Es ist noch nicht ganz sicher, aber es könnte sein, daß Frau Wagner versucht hat, sich das Leben zunehmen. Man hat eine leere Whiskyflasche gefunden, ein fast leeres Röhrchen mit Schlaftabletten und diesen Brief!«

      »Wie bitte?« Clemens Stolzenbach war total erschüttert.

      Daß Bettina versucht haben sollte, sich umzubringen, konnte er nicht verstehen. Niemals würde sie das tun. Und einen Brief hatte man gefunden?

      »Ja, ein Brief. Und er ist an Sie gerichtet!«

      *

      »Was ist eigentlich los mit dir?« Die Sterzenhoferin sah ihre Tochter fragend an. »Bis zu dem ominösen Abend, als du mit Professor Stolzenbach ausgegangen bist, warst du immer lustig und fröhlich, und plötzlich rennst mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter herum.«

      Monika vermied es, ihre Mutter anzusehen, sagte nur, daß der Dienst in der Klinik sie sehr in Anspruch nehme.

      Daraufhin nickte die Sterzenhoferin. »Da sagst was, Madel. Es ist bestimmt kein leichter Dienst, den du dir da ausgesucht hast, ganz gewiß net.« Darüber hinaus gab sie sich mit der Erklärung ihrer Tochter zufrieden.

      Doch die wahren Gründe, warum Monika nicht mehr so fröhlich war, waren andere. Sie fühlte sich seit jenem Abend in Mittenwald auf eine Art zu Clemens Stolzenbach hingezogen, wie sie sich noch nie zu einem Mann hingezogen gefühlt hatte. Als wenn sein Versuch, näher an sie heranzurücken, ihr erst klar gemacht hätte, was sie für ihn empfand. Sie dachte ständig an ihn, hörte sein Lachen, sah sein etwas ironisches Lächeln, und wenn sie ihm begegnete, und das tat sie täglich, spürte sie seine Nähe, aber er hielt seit jenem Abend mehr als deutlich auf Distanz.

      »Ich würd’ gern hinauf zum Großvater gehen«, sagte sie zu ihrer Mutter, die darauf gehofft hatte, diesen Tag mit ihrer Tochter ein wenig plaudern zu können.

      »Das ist aber schad’«, Leni Gratlingers Stimme klang ein wenig ärgerlich, »dein Vater hat auch schon gesagt, er würd’ dich kaum mehr sehen.«

      »Ich kann ja abends wieder nach Hause kommen, ich muß nicht in der Klinik bleiben.«

      »Irgendwas ist passiert, Kind. Da kannst reden, was du willst. Vor zwei Wochen wärst auf mich losgegangen, wenn ich dir vorgeschlagen hätt’, daß du abends nach Hause kommen und net in der Bergklinik übernachten sollst. Und heut’? Was ist da? Du schlägst es selbst vor. Jetzt sag schon, was an jenem Abend in Mittenwald passiert ist. Hat er versucht, dir zu nahe zu treten, so wie ich es dir gesagt hab’? Übrigens, bevor ich es vergeß’, Udo hat angerufen.«

      Kaum hatte ihre Mutter ausgeredet, rannte Monika weinend aus der Stube.

      »Ich hab’s ja gesagt«, orakelte die Sterzenhoferin daraufhin. »Es ist was passiert. Mir bleibt doch net verborgen, wenn das Madel was hat. Das gibt’s doch gar net. Und es ist an dem Abend in Mittenwald passiert.«

      Monika war derweil schon unterwegs auf die Predigtstuhl-Alm. Immer mehr Tränen rannen ihr übers Gesicht, und als sie unweit der Alm an einem kleinen Bach vorüberkam, wusch sie sich rasch durchs Gesicht, damit ihr Großvater nicht sofort merkte, daß etwas nicht stimmte.

      »Großvater…!« Monika flog ihm um den Hals und drückte und herzte den Lois, als hätte sie ihn jahrelang nicht gesehen.

      »Madel, hör auf und laß dich anschauen«, sagte er, »gut schaust aus, wenn auch ein bisserl abgespannt. Hast einen harten Dienst in der Klinik? Der Vinzenz hat mir erzählt, daß du bis dahin nur in der Chirurgie bei dem jungen Professor bist und daß der voll des Lobes für dich ist.«

      Monika sah zu Boden und nickte. »Ja, es macht viel Freude. Und… und Professor Stolzenbach ist ein sehr guter Chirurg.«

      Der Lois beobachtete sie daraufhin einen winzigen Augenblick, dann ging er zur Quelle, die ein paar Meter weiter direkt aus dem Felsen sprudelte.

      »Magst ein kühles Bergwasser?« fragte er.

      Monika nickte.

      Ihr Großvater gab ihr ein Glas, trank selbst eines und zeigte dann auf den Tisch, wo ein paar gläserne Mörser standen.

      »Da schau«, sagte er, »ich misch’ grad’ einen Tee. Diesmal geb’ ich noch ein ganz klein bisserl von einer getrockneten Wurzel hinzu. Magst mal einen kosten? Der Vinzenz will heut’ übrigens auch noch heraufkommen.«

      Wieder beobachtete er seine Enkelin einen kurzen Moment.

      Die war anscheinend mit ihren Gedanken woanders und wurde verlegen, als der Lois sie noch mal ansprechen mußte.

      »Entschuldige bitte, Großvater«, murmelte sie, »aber ich bin ein bisserl abwesend. Ich bin mit den Gedanken immerzu in der Klinik.«

      »Was trägst denn mit dir herum, Kind?« Der Lois ging zu seiner Enkelin und strich ihr mit einer sehr zärtlich wirkenden Geste über die Haare. »Hast du dich vielleicht verliebt? So schaust nämlich drein. Am End’ in den jungen Professor?«

      Monika bekam binnen Sekunden einen knallroten Kopf. »Wie kommst denn… ich mein’…?«

      »Oh je, Kind!« Der Lois lächelte verständnisvoll. »Du darfst net vergessen, daß ich auch mal jung war. Wenn man verliebt war, dann hat das einen ganz schön mitgenommen. Man war dabei net immer gut beieinander. Schmerz und Freud’, die halten sich eine Zeitlang die Waage, bis man weiß, was man will.«

      »Du würdest nichts dagegen sagen, wenn ich mich in den Professor verliebt hätte?« Monika sah den alten Lois mit großen Augen an.

      »Wie könnt’ ich denn?« fragte der. »Gegen die Liebe ist kein Kraut gewachsen.« Er lachte. »Keiner weiß das besser als ich, wo ich doch jeden Tag unterwegs bin und schau, daß ich ein Kraut find’, was einen weiterbringt.« Dann sah er seine Enkelin voller Zärtlichkeit an. »Hast dich in den jungen Mann verliebt?«

      Monika