Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman. Hans-Peter Lehnert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Peter Lehnert
Издательство: Bookwire
Серия: Die Bergklinik Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916947
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wenn das Madel einen aus der Bergklinik mitbringt? Der Trautner-Vinzenz ist doch auch oft da bei uns, und den Vater besucht er jede Woch’ mindestens einmal.«

      »Bei allen Heiligen, das kannst doch wirklich net miteinander vergleichen«, sagte seine Frau Leni.

      »Wieso net?«

      »Weil… weil, na weil der Professor erstens ein Professor und dann auch noch ein junger Mann ist.« Die Leni atmete tief durch. »Mein Gott, was sind die Mannsbilder schwerfällig im Denken.«

      »Wieso?« Der Franz sah seine Frau begriffsstutzig an. »Nur weil einer einen Titel hat und jung ist, deswegen muß man doch net narrisch werden.«

      »Herrschaftszeiten.« Leni Gratlinger wurde immer aufgeregter. »Er kommt mit der Moni, verstehst das denn wirklich net? Wenn d’ dazu noch drüber nachdenkst, daß er noch ein recht junger Mann ist und…!«

      »Du willst doch net etwa sagen, daß die Moni und dieser Professor… daß sich bei denen was tut, daß sie ein Gspusi miteinander haben?« Der Sterzenhofer hatte die Augenbrauen zusammengekniffen und starrte seine Frau ein wenig verwirrt an. Aber noch bevor sie antworten konnte, schüttelte er lächelnd den Kopf und tippte sich an die Stirn. »Also wenn d’ mich pflanzen willst, dann mußt früher aufstehen. Die Moni doch net und…!«

      »Mein Gott, da sind sie schon!« Die Leni wurde noch aufgeregter und wischte sich ihre Hände an der Schürze ab, nahm die rasch ab, ordnete sich vor einem Spiegel noch mal die Haare, dann öffnete sich die Tür, und die Moni kam herein, hinter ihr Clemens Stolzenbach. Er mußte den Kopf ein wenig einziehen, denn die Bauernhäuser früherer Jahre waren nicht unbedingt für seine Größe gebaut.

      Er lächelte die Sterzenhoferin besonders freundlich an, gab ihr die Hand und stellte sich vor: »Stolzenbach.«

      »Grüß Gott, Herr Professor!« Die Leni hätte fast einen Knicks gemacht. Ehrfürchtig sah sie ihn an.

      »So schaut also ein Professor aus der Nähe aus.« Franz Gratlinger nahm mit der Bemerkung der Situation die Spitze, dann lachte er und wollte wissen, was er zu trinken bringen solle. »Einen Obstler oder einen Wurzelgebrannten? Der Vinzenz, wenn er da ist, nimmt immer den Obstler.«

      Als Stolzenbach mitlachte, einen Wurzelschnaps verlangte, weil Dr. Trautner sich für den anderen entschied, lachte auch die Leni und begann, sich Clemens Stolzenbach ein wenig näher anzusehen.

      Er gefiel ihr, das stand fest. Nicht nur, weil er ein bekannter Chirurg war, auch wie er sich benahm, fand ihre Zustimmung: Er war unkompliziert und gar nicht eingebildet. Das waren Eigenschaften, die unabdingbar waren, um einer Frau wie der Gratlinger-Leni zu gefallen.

      »Wollts von da weg zum Großvater zu Fuß gehen?« fragte sie nach einer Weile, »oder wollts fahren? Na ja, weit ist’s ja net. Außerdem mit dem Wagen«, sie zeigte hinaus, wo Clemens Stolzenbachs Porsche stand, »da kommts net weit.«

      »Ich würd’ eh lieber in aller Ruh’ gehen«, sagte Moni, »es ist ein so schöner Weg hinüber zur Alm, und ein bisserl Bewegung schadet sicher nicht. Was meinst du?«

      Ihrer Mutter war sofort aufgefallen, daß sie Stolzenbach geduzt hatte. Der nickte. »Sicher, gehen wird gescheiter sein, auch wenn ich es nicht unbedingt gewohnt bin.«

      »Und wann seids wieder da?« fragte die Leni. »Ich würd’ nämlich gern ein bisserl ein Abendessen richten.«

      »Machen S’ sich keine Umstände, Frau Gratlinger«, sagte Clemens Stolzenbach.

      »Aber das sind doch keine Umstände«, antwortete die Leni. »Wenn wir schon mal die Freude haben, daß die Moni jemand mitbringt, dann bereit’ ich doch gern was zu.«

      »Wenn wir da sind, sind wir da«, sagte Monika, »dann ist noch Zeit genug, das Abendessen zu richten, ich kann dir dann ja helfen. Und wenn’s net ausgeht mit dem zeitigen Zurückkommen, bist net angeschmiert mit deinen Vorbereitungen.«

      Kurz darauf gingen sie los. Die Leni ging mit bis auf den Hof und sah ihnen dann hinterher.

      »Mar’ und Josef«, sagte sie, als sie in die Stube zurückkam, »ein ganz berühmter Professor und gar net hochnäsig.«

      »Wieso sollt’ er denn hochnäsig sein?« fragte ihr Mann. Er hatte einen weiteren Wurzelschnaps getrunken und sich dann noch einen eingeschenkt.

      »Wenn du weiter so saufst, dann brauchst nimmer auf die Rückkehr der beiden zu warten«, sagte die Leni mit vorwurfsvoll klingender Stimme. Dann wollte sie wissen, ob dem Franz nichts aufgefallen war.

      »Was denn?« fragte der.

      »Die Moni duzt ihn«, antwortete seine Frau.

      »Ja und?« Der Sterzenhofer grinste. »Ich duz’ dich doch auch.«

      *

      Dr. Rosenberg war ein ausgesprochen ruhiger, oft sogar introvertierter Mann. Er war ein ausgezeichneter Analytiker und er war stets darauf bedacht, seinen Patienten wieder eine Perspektive zu verschaffen, falls sie ihnen dann abhanden gekommen war, und das war nicht selten der Fall.

      »Haben Sie einen Moment Zeit für mich?« fragte er Dr. Trautner, als er ihn anrief, »ich würde dann mal bei Ihnen vorbeischauen. Ich hätt’ wegen einer Patientin ein paar Fragen.«

      »Komm S’ nur«, sagte der Chef der Bergklinik, denn er wußte, daß Rosenberg sehr gewissenhaft war und nur dann wegen eines Patienten mit ihm reden wollte, wenn es wirkliche Probleme gab.

      Trautner ahnte auch schon, um welche Patientin es sich handelte, und als Rosenberg Platz genommen hatte und sagte, warum er gekommen war, wußte er, daß er nicht falsch gedacht hatte.

      »Was ist mit Frau Wagner?« fragte er.

      »Sie macht mir Sorgen«, antwortete Rosenberg. »Sie ist in einer sehr labilen Phase und sie unterliegt einer starken Projektion. Sie wissen, was das ist, nämlich ein Abwehrmechanismus, der eigene Gefühle, zum Beispiel Schuld, anderen zuschreibt.«

      »Das heißt…?«

      »Daß Frau Wagner durchaus Dinge tut, für die sie sich nicht verantwortlich sieht.«

      »Könnte der Suizidversuch in diese Kategorie fallen?« fragte Dr. Trautner.

      »Es war kein Suizidversuch«, antwortete Rosenberg. »Sie hatte sehr viel Alkohol zu sich genommen und ein paar Tabletten. Der Tablettenkonsum war durchaus normal, aber nicht in Verbindung mit Alkohol. Das hat zu dem kurzen Ausfall geführt.«

      »Dann hat Stolzenbach doch recht gehabt.« Dr. Vinzenz Trautner wirkte plötzlich sehr nachdenklich. Dann sah er Rosenberg an. »Was schlagen Sie Frau Wagner betreffend vor?«

      »Man muß sie intensiv beobachten«, antwortete Rosenberg. »Und sie therapieren. Regelmäßig beschäftigen auf jeden Fall.«

      »Beobachten heißt, sie nicht aus den Augen lassen?« fragte Trautner. »Das ist hier bei uns fast nicht möglich.«

      »Deswegen wollte ich Sie sprechen«, antwortete Karl Rosenberg. »Ich habe mit dem Kollegen Zeitzner in München gesprochen. Er könnte Frau Wagner in eines seiner Projekte aufnehmen. Wenn sie möchte, kann sie dann nach ein paar Wochen wieder zu uns kommen. Aber im Moment erscheint es mir sehr problematisch, sie bei uns zu behalten.«

      Dr. Vinzenz Trautner nickte. »Soll ich mit ihr reden?«

      »Darum würde ich Sie bitten«, sagte Karl Rosenberg. »Falls sie noch mal zu uns zurückkommt, würde ich ja mit ihr arbeiten müssen…!«

      »In Ordnung.« Trautner stand auf. »Ich kümmere mich schon darum.«

      Als Rosenberg gegangen war, wollte er sich von der Zentrale eine Verbindung mit ihrem Zimmer herstellen lassen.

      »Frau Wagner hat vor einer Dreiviertelstunde die Bergklinik verlassen«, sagte die Dame an der Zentrale.

      »Was heißt verlassen?« fragte Trautner.

      »Sie ist zu einem Spaziergang aufgebrochen.«

      »Wohin…?«