Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman. Hans-Peter Lehnert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Peter Lehnert
Издательство: Bookwire
Серия: Die Bergklinik Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916947
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weiter darüber unterhielten, was zu den Aufgaben einer Oberschwester gehörte, stiegen Clemens Stolzenbach und Monika Gratlinger in Mittenwald bereits aus dem Wagen. Sie hatten sich entschlossen, nicht nach Garmisch zu fahren, sondern sich in dem malerisch gelegenen Mittenwald ein wenig umzusehen.

      »Ich werde Ihnen mein Haus zeigen«, sagte Stolzenbach. »Das heißt, es gehört nicht mir, sondern ich habe es nur gemietet. Aber ich kann es auch erwerben.« Dann zog er die Augenbrauen in die Höhe. »Falls ich denn da bleibe.«

      »Haben Sie denn vor, wieder zu wechseln?« fragte Monika.

      »Ich werde nächsten Monat vierzig.« Clemens Stolzenbach verzog ein wenig sein Gesicht. »Da weiß man noch nicht, was das Leben einem zu bieten hat.«

      »Nicht mal vierzig und schon habilitiert«, seufzte Monika. »Ich muß jetzt erst mal mein zweites medizinisches Staatsexamen ablegen. Dann erst bin ich Ärztin im Praktikum.«

      »Ihr praktisches Jahr könnten Sie wieder bei uns in der Bergklinik ablegen«, sagte Stolzenbach. Dann sah er Monika fragend an. »Gibt’s da in Mittenwald nicht ein Geigenbau-Museum?«

      »Ja«, das hübsche Mädchen zeigte die Straße hinunter, »gleich da vorn in der Ballenhausgasse ist es. Ich bin schon oft dagewesen und ­jedesmal war ich fasziniert. So eine umfassende Musikinstrumentensammlung gibt’s sonst sicher nirgends.«

      »Spielen Sie ein Instrument?« wollte Stolzenbach daraufhin wissen.

      »Ja, ich spiel’ Geige. Zehn Jahr’ lang hab ich Unterricht bei dem alten Professor Bergner gehabt. Leider bin ich nicht sehr musikalisch.«

      »Wissen Sie, daß Sie ein außerordentlich nettes und sympathisches Mädchen sind? Und wunderschön obendrein?« Clemens Stolzenbach lächelte Monika mehr als freundlich an.

      Die bekam einen roten Kopf und wich seinem Blick aus.

      »Was haben Sie denn?« fragte Stolzenbach. »Darf ich Ihnen kein Kompliment machen?«

      Monika sagte nichts, sie dachte an die mahnenden Worte ihrer Mutter. Nach einer Weile huschte dann ein Lächeln über ihr Gesicht und sie nickte. »Sicher dürfen S’ das und… und ich freu’ mich auch.«

      »Aber?« Stolzenbach hatte ihr Zögern sehr wohl registriert.

      »Vielleicht bin ich deswegen ein bisserl verwirrt, weil Sie der Professor und ich die Studentin bin.«

      »Das sollten Sie doch vergessen.«

      »Das kann ich nicht und ich kann Sie auch nicht ohne Ihren Professorentitel anreden.«

      Die beiden standen vor einem wunderschönen, reich mit Malerei verzierten alten Haus in der Nähe der Pfarrkirche St. Peter und Paul. Touristen strömten an ihnen vorüber, manche blieben stehen,

      bewunderten das malerische Fleckchen, doch die hübsche Studentin und der Chirurgieprofessor der Bergklinik bekamen nichts davon mit.

      Das junge Mädchen gefiel Clemens Stolzenbach außerordentlich gut, und ihm war längst klar geworden, daß er sich in sie verliebt hatte. Ebenso bewußt war er sich aber auch um die Kompliziertheit seines Verliebtseins. Monika war nicht nur eine Studentin, somit also eine Schutzbefohlene, sondern Dr. Trautner war mit ihrer Familie sehr befreundet, was die Sache noch mehr erschwerte.

      Am schwierigsten aber war es für Stolzenbach, mit Monika Gratlinger einen lockeren Umgang zu üben, ohne ihr zu nahe zu treten oder gar lächerlich zu wirken. Daß sie die Distanz zwischen Professor und Studentin nicht zu überwinden verstand, gab der Angelegenheit erst recht eine spröde Note.

      Stolzenbachs Schweigen war überdeutlich, und als Monika ihn anblickte, spürte sie seine Nachdenklichkeit. Diese Nachdenklichkeit blieb auch die nächste Zeit erhalten. Während sie durch das Museum gingen, sprach er kein einziges Wort und er mied auch jeden Blickkontakt mit ihr.

      Erst als sie später in einem ganz kleinen Café bei einem Espresso saßen, spürte sie wieder seinen Blick auf sich, und als sie ihn dann ansah, versuchte er sie anzulächeln, was jedoch total mißglückte.

      »Haben Sie eigentlich einen Freund?« fragte er später, als sie zum Essen in ein Restaurant gingen. »Natürlich haben Sie einen Freund. Ein Mädchen wie Sie muß einen Freund haben.«

      Monika zögerte mit der Antwort. Längst war ihr klar geworden, daß Clemens Stolzenbachs Interesse an ihr über das gemeinsam Berufliche hinausging. Dann nickte sie. »Ja, ich habe einen Freund.«

      »Ist er Medizinstudent wie Sie?«

      Monika nickte. Sie dachte wieder an ihre Mutter. Wollte vermeiden, daß Stolzenbach ihr zu nahe kam. Du kannst mit ihm ausgehen, hatte ihre Mutter gesagt, aber mehr nicht. Würde ihre Mutter nicht so auf sie eingeredet haben, was wäre dann aus dem Abend geworden?

      So verlief er ruhig, Clemens Stolzenbach redete nicht mehr viel und Monika war immer noch zu befangen, um dem Abend noch eine Wende geben zu können.

      Als sie zurück in die Klinik kamen, war es nicht einmal zehn Uhr abends. Monika bedankte sich für die Einladung, und Clemens Stolzenbach verschwand sehr rasch in seinem Zimmer.

      Monika fuhr nach Hause, weil sie erst am nächsten Mittag Dienst hatte. Ihre Mutter sah sie erstaunt an, als Monika die wunderschöne Stube des fast dreihundert Jahre alten Sterzenhofs betrat.

      »Du bist schon zurück?« fragte sie. »Ist was passiert?«

      Monika hatte Tränen in den Augen, als sie ihrer Mutter antwortete. »Nein, es ist nichts passiert, gar nichts ist passiert.« Dann rannte sie weinend hinaus.

      *

      Als Professor Stolzenbach an jenem Morgen das Krankenzimmer Ernst Jagners betrat, versuchte er zu lächeln, ohne daß es ihm gelungen wäre.

      »Ich sehe Ihnen schon an, Sie bringen keine guten Nachrichten«, sagte Jagner. »Es ist wieder der Magen, und Sie können nicht mehr operieren. Ich bin meinem Schicksal ausgeliefert.« Dann atmete er tief durch.

      Stolzenbach setzte sich auf die Bettkante zu Jagner, nahm ein paar im Schichtverfahren aufgenommene Röntgenbilder zur Hand und zeigte sie dem Patienten.

      »Ihr Magen«, sagte er dann, »das heißt das, was davon übrig ist, ist vollkommen in Ordnung.«

      »Was ist es dann?«

      Professor Stolzenbach zuckte mit den Schultern. »Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber ich vermute, daß es Verwachsungen sind. Nach viszeralen operativen Eingriffen ist das nicht selten. Da, sehen Sie selbst. Auch auf diesem Röntgenbild erkennt man kaum etwas. Es gibt keine abgegrenzten Strukturen, die auf einen Tumor hinweisen.«

      »Verwachsungen?« fragte Jagner. »Und die können einen derart nerven? Sie haben doch schon so viele Röntgenaufnahmen gemacht, dann die vielen Blutuntersuchungen und so weiter. Und Sie haben trotzdem nichts Konkretes gefunden?«

      Professor Stolzenbach schüttelte den Kopf. »Es gibt Fälle, da hat man nichts Greifbares in den Händen oder besser auf dem Bildschirm beziehungsweise auf der Röntgenplatte.«

      »Und was passiert jetzt?« Ein wenig ängstlich sah Ernst Jagner Stolzenbach an.

      »Ich möchte bei Ihnen einen kleinen Bauchschnitt machen und mit dem Endoskop nachsehen.«

      »Was ist das?«

      »Man nennt es Laparoskopie«, erklärte Professor Stolzenbach. »Man führt ein oder mehrere Röhreninstrumente ein, um sich die Bauchorgane ansehen zu können. Man kann alles via Bildschirm beobachten, weil man durch das Endoskop eine Kamera steuern kann. Falls ich dabei etwas erkenne, was Ursache für Ihre Beschwerden sein kann, kann ich das Problem unter Umständen sofort lösen. Deshalb werde ich Ihnen auch keine Lokalanästhesie, sondern Vollnarkose geben.«

      Jagner nickte nachdenklich, dann lächelte er Stolzenbach an. »Ich ha­be totales Vertrauen zu Ihnen, Professor. Wenn Sie sich davon was versprechen, dann tunSie es. Wann wollen Sie diese Laparoskopie durchführen?«

      »Morgen vormittag, wenn Ihnen das recht ist.«