DIE GRENZE. Robert Mccammon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353060
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fallend … wie es schien, von einer Welt in eine andere. Als er wieder zu sich gekommen war, hatte er in qualmender Kleidung neben dem verbrannten Campingwagen auf dem Boden gelegen. Das noch brennende Haus und der Pick-up waren in einen Krater gestürzt und jeder Baum im Wald um das Haus herum war zu einer Fackel geworden und hatte mit einer unheimlichen blauen Flamme gebrannt.

      Er hatte versucht aufzustehen, aber es war ihm nicht gelungen. Seine Nerven hatten sich wie blockiert angefühlt und ihm die Kontrolle über seinen zitternden Körper genommen. Seine Nase hatte geblutet und auch aus seinen Augenhöhlen war Blut gelaufen. Er hatte sich immer wieder in den Dreck gekrallt und sich über den Boden gezogen und geschleppt und dabei den Namen seiner Frau und seiner Söhne geschrien. Am teilnahmslosen Himmel über seinen Qualen hatten unbekannte Objekte leuchtend blaue und rote Spuren hinterlassen, die schön anzusehen gewesen waren, wie sie im Zickzack durch die Dunkelheit schossen.

      Wie lange Dave beim Haus geblieben war, nachdem das Feuer erloschen und er in den Krater gekrochen war, wusste er nicht mehr. In den Trümmern seines Hauses hatte er die schwarz verbrannten Leichen gefunden. Im trüben Licht saß er inmitten der Toten in den rauchenden Ruinen und versuchte sich zu erinnern, wo die Schlüssel des Wohnmobils waren und wie er die vier geschmolzenen Reifen wechseln konnte, als die Cypher-Soldaten sich wieder vorbeibewegten, schweigend und gespenstisch auf einer unbekannten Mission zu einem unbekannten Ziel. Einige von ihnen sahen ihn an, als sie am Rand des Kraters vorbeikamen, oder vielmehr ihre gesichtslosen, behelmten Köpfe wandten sich ihm für einen kurzen Augenblick zu. Aber er war für sie nichts, womit sie sich auseinandersetzen mussten, in seinen verbrannten Lumpen, mit blutverkrusteter Nase und blutigen, halb wahnsinnigen Augen und seinem offenen Mund, aus dem Speichelfäden hingen.

      Er war nichts im Vergleich mit den Ausmaßen dieses Krieges.

      Er erinnerte sich, dass er in diesem Moment dachte, dass es Zeit war, sich zu bewegen. Zeit zu gehen, wenn er denn gehen wollte. Und er hatte auf die sehr schöne Bulova-Armbanduhr geschaut, die Cheryl ihm zu ihrem zehnten Jahrestag geschenkt hatte. Sehen zu müssen, dass das Glas herausgefallen war und die Zeiger unbeweglich auf 9:27 standen, hatte ihn beinahe um den Rest seines Verstandes gebracht. Aber irgendetwas ihn ihm trieb ihn weiter, brachte ihn in Bewegung, denn seine nächste Erinnerung war, wie er den Highway entlang taumelte. Die ihn umgebende Dunkelheit musste schon zu einer anderen Nacht gehört haben. Der Rauch brennender Bäume, Häuser und Felder hatte die Erde verhüllt. Scheinwerfer stachen durch den Qualm und die Autos voller panischer Menschen verfehlten ihn mehrfach nur knapp. Er lief weiter, immer weiter auf sein unbekanntes Ziel zu, und vielleicht schrie und tobte er über das Ende der Welt, denn sein verwüsteter Verstand dachte, ja, das ist es tatsächlich.

      Sein Weg hatte ihn schließlich hierher zu der Festung gebracht, die aus den Panther Ridge Apartments geworden war. Und obwohl er sich jeden Tag aufs Neue vornahm, ein paar Vorräte einzupacken, ein Pferd zu satteln sich dann auf die Reise nach Cedar Rapids zu machen, um zu sehen, ob seine Mutter und sein Vater noch lebten, war er sich in Wahrheit sicher, dass sie tot waren. Noch sicherer war, dass jede Reise nach Cedar Rapids ein qualvoller Trip durch eine unfassbare Hölle wäre. Er schätzte, dass er es keine zwei Nächte da draußen überleben würde, wo die Grauen unermüdlich auf der Suche nach frischem Fleisch waren. Oder er konnte in ein Gefecht zwischen den Aliens geraten und würde als schwarze Asche enden, wie Cheryl, Mike und Steven.

      Heißt das, dass ich im Grunde ein Feigling bin?, hatte er sich gefragt. Dass er trotz all seiner körperlichen Kraft und Tapferkeit gar nicht so ein harter Kerl war, sondern in ihm nicht mehr steckte als ein verängstigter kleiner Schatten dessen, was er nach außen darstellte?

      Die Wahrheit war … er hatte Angst. Große Angst. Seine Freunde waren hier. An diesem Ort war er nützlich. Hier war klar, dass er irgendwann innerhalb dieser Mauern sterben würde. Und ausgehend von der Zahl der Grauen, die letzte Nacht die Festung gestürmt hatten, war der Tod nur noch eine Frage von fünf Uzi-Magazinen. Dann war das alles für ihn vorbei. Würde es heute Nacht soweit sein? Morgen? Oder nächste Woche? Das konnte niemand wissen, aber es würde bald sein. Und wenn es für ihn vorbei war, würde es wahrscheinlich für alle anderen hier ebenfalls vorbei sein, denn sogar verrückte Erdbeben würden den Hunger nach menschlichem Fleisch nicht für ewig aus den Bäuchen dieser Monster verbannen.

      Dave lag in seinem Schlafsack auf seinem Sofa und wünschte, er hätte noch die letzte Flasche Jim Beam, die er vor einem Monat geleert hatte. Er konnte nicht schlafen. Zwei Dinge ließen ihn einfach nicht los.

      Ethan, der mit grimmiger Überzeugung gesagt hatte: Die Erde hat getan, was ich wollte.

      Und die Tatsache, dass sich da, wo der Junge über den Boden des Swimmingpools gelaufen war, ein Riss gebildet hatte, der ihnen sauberes Wasser spendete.

      Sie mussten sich nicht mehr darum sorgen, das abgepackte Wasser zu rationieren. Sicher, es gab noch jede Menge anderer Probleme, um die sie sich Sorgen machen mussten, aber Wasser gehörte nicht mehr dazu.

      Die Erde hat getan, was ich wollte, hatte er gesagt.

      Und nur Dave wusste, dass Ethan den Pool entlanggegangen war. Als er ihn nach dem Warum gefragt hatte, war die Antwort nur gewesen: Ich hatte das Gefühl, dass ich hierherkommen musste.

      Eine einfache Aussage. Aber … dahinter stand mehr. Viel mehr. Dave machte sich seine Gedanken, und plötzlich stieg er aus seinem Schlafsack und zog sich Schuhe und Mütze an. Er hatte gesehen, wie Soldaten mit schwarzen Helmen durch die Wände seines Hauses geglitten waren, und er hatte monströse Gestalten gesehen, die einst gottesfürchtige, hart arbeitende amerikanische Bürger gewesen waren, die nun am Stacheldraht rissen, um an menschliches Fleisch zu kommen. Er hatte die glühenden Spuren der außerirdischen Schlachtschiffe am Nachthimmel gesehen, und er hatte erkannt, dass Vieles von dem, was er nie für möglich gehalten hatte, existierte, und dass von nun an nichts unmöglich war in dieser Albtraumwelt.

      Dave verließ seine Wohnung und ging den Hügel hinunter in Richtung Krankenstation. Er hatte einige Fragen, die er einem gewissen mysteriösen Jungen stellen musste.

      Kapitel 6

      Selbst in der Festung seines Schlafs war Ethan nicht sicher.

      Er stand wieder auf der Mauer und beobachtete die vielen verzerrten, entstellten und verfallenden Gestalten, die den Hang hinaufschwärmten. Waffen wurden überall um ihn herum abgefeuert und mähten viele der Monstrositäten nieder, aber ebenso viele Graue erreichten die Mauer, hakten sich mit stachelbewehrten Zehen und Fingern in die Spalten zwischen den Steinen und kletterten mit der Geschwindigkeit und Entschlossenheit tollwütigen Hungers nach oben. Sie begannen über den Stacheldraht zu klettern. Einige drückten die Drahtspiralen mit ihren Körpern nach unten, sodass mehr von ihnen über sie steigen konnten, und andere rissen in rasender Wut am Draht, um die Verteidiger dahinter zu erreichen.

      Die Mauern waren kurz davor, erobert zu werden. Den Waffen ging die Munition aus und sie verstummten. Einige der Verteidiger wurden zwischen Klauen zerfetzt und von Zähnen scharf wie Sägeblätter zerrissen. Andere sprangen panisch vom Hochweg und flohen, um Schutz zu finden. Ethan wich vor stacheligen Gestalten zurück, die vor ihm über den Draht krochen. Er balancierte gerade noch so auf der Kante des Hochwegs, als plötzlich eine aschfahle Hand durch den Stacheldraht schoss und ihn an der Kehle packte. Ethan sah ein schlankes Wesen, das halb Mensch und halb Schlange sein mochte. Langsam schob es sich über den Draht und zog ihn mit schrecklicher Kraft zu sich.

      Ein gelbäugiges Gesicht, das mit warzigen grauen Schuppen bedeckt und von einem Büschel schwarzer Haare gekrönt war, starrte in Ethans Gesicht. Der schmallippige Mund öffnete sich und zeigte Zähne, die vom Nagen an menschlichen Knochen bereits geschärft und zum Teil gebrochen waren.

      Der Mund stand nun vollständig offen. Die Zähne glitzerten.

      Das Wesen sprach in einem rasselnden Flüstern.

      »Geh«, sagte es, »dein Ziel heißt White Mansion.«

      Dann traf es eine Kugel in den Kopf und schwarzes Blut rann aus der Wunde. Die gelben Augen blinzelten wie in entrüsteter