DIE GRENZE. Robert Mccammon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353060
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      Ethan blickte zu seiner Rechten, wo die Gestalt von Dave McKane mit seiner Uzi aufgetaucht war, die nur knapp neben den Jungen zielte.

      »Ich habe deine Tür gehört«, sagte Dave. »Meine Wohnung ist neben deiner. Was machst du hier? Wasser holen?«

      »Nein, Sir.« Ethan sah, dass Dave heute Nacht nicht viel geschlafen hatte, weil er immer noch die Kleidung vom Tag zuvor trug. Außerdem hatte er seine Baseballmütze auf dem Kopf. »Ich musste mich nur etwas bewegen.«

      »Das ist ja wohl völliger Bullshit.«

      Ethan entschied, dass es am besten war, die Wahrheit zu sagen. Zumindest die Wahrheit, wie er sie verstand. »Ich hatte das Gefühl, dass ich an diesen Ort kommen musste.«

      »Ach so … zum Mitternachtsschwimmen?«

      »Nein, Sir. Ich musste einfach hierherkommen, das ist alles.«

      »Wozu? Um etwas zu trinken?«

      Ethan schüttelte den Kopf. »Ich habe Durst, aber Olivia hat gesagt, dass ich dem Regenwasser nicht trauen soll. Dass alle hier nur das abgefüllte Wasser trinken.« Er dachte an den Raum, der für kurze Zeit sein Gefängnis gewesen war und an die Inspektion, die er durchgemacht hatte. Wie John Douglas gesagt hatte: Wir prüfen, ob du wirklich ein Mensch bist oder nicht. Ethan wusste die Antwort, wollte sie aber hören. »Ihr denkt, das Regenwasser ist giftig, nicht wahr? Wegen des ganzen Alien-Zeugs da oben?« Er hob sein Kinn zum blitzdurchzuckten Himmel. »Was macht es mit den Menschen? Verwandelt es sie in die Wesen, die ihr töten müsst?«

      »Das wissen wir noch nicht«, sagte Dave. »Wir wissen nicht, warum einige Wesen hier auftauchen, die wie Menschen aussehen. Vielleicht waren es einmal Menschen, die von ihnen verändert worden sind.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung des Horizonts, der vor Blitzen flackerte. »Vielleicht spielen sie mit ihren menschlichen Spielzeugen. Es gibt einfach eine verdammte Menge, was wir nicht wissen.«

      »Aber das ist nicht alles, oder?«

      »Nein«, sagte Dave. »Das ist nicht alles.«

      »Sagen Sie es mir …«

      »Erst mal kommst du dort raus.« Dave richtete seine Uzi auf den Boden und zog sich ein paar Schritte zurück, während Ethan die Stufen des Pools heraufkam.

      »Also, was ist da noch?«, fragte Ethan.

      Dave sagte: »Nachts kommen die Grauen.«

      »Die Grauen«, wiederholte Ethan. Er mochte den Klang der Worte nicht, nicht aus Daves Mund und nicht aus seinem. Und dann musste er wieder fragen, damit Dave weitererzählte: »Was sind sie?«

      »Mutierte Menschen.« Dave hielt sich nicht zurück, auch nicht mit Worten, und er würde jetzt nicht damit anfangen. »Einige von ihnen sind … mutiert … zu etwas, das nicht mehr menschlich aussieht. Wir wissen nicht, was die Ursache ist. Vielleicht ist es ein Stoff in der Atmosphäre, im Regen, vielleicht ist es eine Krankheit, die sie mitgebracht haben. Die Grauen kommen nachts. Nicht jede Nacht, aber wenn sie versuchen, hier hereinzukommen … dann wird es übel. Wir denken – JayDee denkt –, dass ihre Haut das Sonnenlicht nicht mehr verträgt. Oder es ist etwas anderes, weshalb sie sich tagsüber verstecken. Wie ich schon sagte, wir wissen es nicht genau und wir haben noch niemanden getroffen, der mehr weiß.«

      Ethan hatte ein Durcheinander von Fragen im Kopf, die alle versuchten, die Erste zu sein. Er begann mit: »Warum heißen sie die Grauen

      »Weil sie grau aussehen. Zumindest nahe genug dran. Sie haben ihre natürliche, lebendige Hautfarbe verloren. Ich weiß nicht, wer sie zuerst so genannt hat, aber es passt zu ihnen. Sie kamen vor ungefähr drei Monaten zum ersten Mal. Nur ein paar am Anfang … dann wurden es mehr und mehr. Ich vermute, sie haben irgendeinen besonderen Sinn oder was auch immer, der sie zusammenführt … vielleicht können sie sich gegenseitig riechen.« Dave brachte ein dünnes, verzweifeltes Lächeln hervor. »Wir haben nicht viel Munition übrig. Freust du dich, dass du nun zu unserer glücklichen Gruppe gehörst?«

      »Besser, als da draußen zu sein.«

      »Wer weiß. Also, die Grauen versuchen an uns heranzukommen, weil sie Fleischfresser sind. Sie ziehen ihre Toten vom Schlachtfeld, also denken wir, dass sie die Leichen fressen. Das befriedigt sie für eine Weile.«

      Ethan nickte. »Aber ich bin nicht grau und ich bin nicht mutiert. Warum bin ich in diesen Raum gebracht worden, in dem ihr welche Monster auch immer getötet habt?«

      »Wir haben dich in den Sicherheitsraum gebracht, weil wir es ab und an mit … sagen wir Eindringlingen zu tun haben. Das sind Kreaturen, die wie Menschen aussehen, und vielleicht waren sie das früher auch, oder sie glauben immer noch, dass sie Menschen sind … aber jetzt sind sie eher eine andere Art Lebensform, eine fremde Spezies. Nach JayDees Meinung – und Olivia glaubt das auch – sind sie Menschen, die von den Außerirdischen entführt wurden und an denen sie experimentiert haben. Dann werden sie wieder freigelassen. Eine Art Alien-Zeitbombe, schätze ich. Sagen wir mal so: Wir hatten einige wirklich interessante Reaktionen auf die Kochsalzlösung. Damals gab es hier noch einen anderen Arzt. Er hat sich, seine Frau und seinen Sohn im vergangenen Dezember umgebracht, aber es war seine Idee gewesen, allen Neuankömmlingen zum Test etwas in den Blutkreislauf zu injizieren. Gott sei Dank kam er darauf, sonst hätten wir ohne es zu wissen ein paar echte Horrorgestalten hier hereingelassen. Dann wäre es zu spät gewesen.«

      »Der Regen«, sagte Ethan. »Glaubst du, er verwandelt die Menschen in Graue? Wenn das so ist, hat sich hier noch niemand verändert?«

      »Doch, das gab es. Es beginnt mit dunklen, aschgrau aussehenden Flecken auf der Haut. Die Flecken werden größer, wachsen schneller … und dann beginnen sich die Knochen zu verändern. Wir haben das erste Opfer dabei beobachtet, während es passierte. Wir mussten sie anketten, das war grausam, aber wir hatten keine Wahl.« Dave starrte den Jungen finster an, bevor er fortfuhr. »Nach ein paar Tagen, als sich ihre Knochen verdreht und verformt hatten, wuchs ihr ein zweiter Kopf, der vor allem aus einem Mund mit kleinen, nadelförmigen Zähnen bestand. Dann traf ihr Vater eine Entscheidung und erschoss sie. Sie war zwölf Jahre alt.«

      »Oh«, sagte Ethan, oder glaubte, es gesagt zu haben.

      »Wir hatten noch vier andere Fälle. Wir mussten sie erledigen, bevor es zu übel wurde. Es muss Gift in der Atmosphäre geben«, sagte Dave. »Manchmal sieht der Regen schmutzig braun oder pissgelb aus, aber wir sind nicht sicher, ob das die Mutationen verursacht. Niemand ist sich mehr über irgendetwas sicher. Aber nun gut … jedenfalls sind wir deshalb auf das abgefüllte Wasser angewiesen. Wir stellen die Pferde unter, aber uns ist klar, dass sie dem Regen ausgesetzt sind. Wir wiederum essen die Pferde, und der Regen frisst sich durch die Dächer und Wände und sickert überall herein … es gibt keine Möglichkeit, den Regen von sich fernzuhalten. Der Doc meint, dass es Zeit braucht, bis die Veränderung eintritt, und vielleicht hängt es auch von der Chemie des Einzelnen ab. Wie bei einem Virus oder bei Krebs. Manche bekommen es, andere nicht.« Dave zuckte mit den Schultern. »Was soll man machen?« Er beantwortete seine eigene Frage: »Sterben, letzten Endes. Die Frage ist nur … wie lange man warten will.«

      »Warum haben Sie gewartet?« Ethan warf einen Blick auf die Maschinenpistole.

      Dave hielt die Uzi vor sein Gesicht und betrachtete sie, als wäre die Waffe ein Exemplar tödlicher Kunst. Dann ließ er sie wieder an seine Seite fallen. »Gute Frage«, gestand er. »Ich habe hier viele gekannt, die sich entschieden haben, nicht zu warten. Sie fanden, dass es zwischen den Gorgonen, den Cypher, den Grauen und der guten alten Hoffnungslosigkeit das Beste war, auf die andere Seite zu wechseln.« Er hielt einen Moment inne und dachte über eine Antwort nach. »Ich denke«, sagte er schließlich, »ich bin noch nicht bereit. Aber morgen könnte ich es sein. Es hängt nur ab vom …«

      Vom Wetter, wollte er gerade sagen, wurde aber von einem roten Leuchtsignal unterbrochen, das plötzlich vom Wachturm an der westlichen Ecke der Mauer in den Himmel schoss.

      Wenige Sekunden später folgte das Heulen einer kurbelgetriebenen