DIE GRENZE. Robert Mccammon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353060
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und dass er zu einem Ort geleitet wurde, den man White Mansion nannte?

      War das falsch, in diesem Moment?

      Er wusste es nicht, aber zumindest in diesem Moment, in dem Aliens überall auf dieser Welt kämpften und Albtraumwesen aus ihren Energien und Giften hervorbrachten, glaubte er. Nur ein wenig. Gerade genug, um es bis zum nächsten Morgen zu schaffen.

      Dennoch; er lehnte die Hand ab und stand aus eigener Kraft auf.

      Er begann wieder den Hang hinauf zu seiner brüchigen Wohnung zu gehen, aber jetzt langsamer, unter den Mühen intensiven Nachdenkens. Und einen Moment später, der Dave McKane etwas Raum geben sollte, folgte der Junge beinahe in seinen Fußstapfen.

      Kapitel 7

      Kurz vor Mitternacht sagte Dave, was er schon seit einiger Zeit sagen wollte, wozu ihm aber bislang die Worte gefehlt hatten. Jetzt waren sie da.

      »Was ist, wenn es wirklich einen Ort namens White Mansion gibt?«

      »Sicher gibt es den«, antwortete John Douglas. »Vielleicht ist es eine Stadt irgendwo. Oder etwas, was mal eine Stadt war. Könnte auch in einem anderen Land sein.« Er legte seine Buchstabensteine auf das Scrabble-Brett, um das Wort Oase zu buchstabieren, und nahm sich dann weitere fünf Spielsteine, gefolgt von einem großen Schluck aus seinem vollen Becher mit frischem Wasser. »Aber nur, weil Ethan davon gehört hat, und zwar von einer Stimme, die ihm im Traum erschienen ist … das bedeutet nicht wirklich viel. Oder sehe ich das falsch?« Er spähte über das Spielbrett hinweg zu Dave. Zwei Öllampen und eine Laterne mit einer Kerze brannten in der Wohnung des Doktors, Nummer 108, in der die Fenster zersplittert waren und ein halbes Dutzend Risse die Wände durchzogen. Die Tür war mit einer Handsäge bearbeitet worden, damit sie wieder in den verzogenen Rahmen passte. In einer normalen Welt wäre der gesamte Apartmentkomplex evakuiert und mit gelbem Absperrband versehen worden, aber im Hier und Jetzt durften die Menschen nicht wählerisch sein.

      Olivia Quintero betrachtete das Spielbrett auf dem verschrammten Tisch zwischen ihnen. Ein Gewehr lehnte am Stuhl neben ihr. Die Grauen waren heute Nacht nicht gekommen, vielleicht wegen des strömenden Regens. Sie konnten noch immer vor der Morgendämmerung angreifen, aber für den Moment war es still. Sie brauchte dringend Schlaf, aber Dave hatte sie gebeten, sich mit ihm und dem Doktor zu treffen. Zumindest war es eine Möglichkeit, sich etwas zu entspannen. Ihre beste Option war, dem Wort bow ein E und ein L hinzuzufügen. Sie zog zwei weitere Spielsteine, ein T und einen Blankostein. »Was hältst du von der Geschichte?« Ihre Frage richtete sich an JayDee. »Davon, dass Ethan tot dagelegen hat?«

      »Ich denke, der Mann war mental schon ziemlich ramponiert und hat den Herzschlag und den Puls nur nicht bemerkt.«

      »Mag sein. Aber nach dem, was du mir in meinem Büro über die blauen Flecken gesagt hast … du warst der Meinung, der Junge sei in eine Schockwelle geraten, dass er eigentlich tot sein müsse. So war es doch?«

      »Genau so habe ich das nicht gesagt.«

      »Das musstest du auch nicht.« Sie sah zu, wie Dave ein R vor das Wort oar legte. »Was du gemeint hast, war offensichtlich. Ich erinnere mich, wie erstaunt du warst, dass er zumindest keine größeren inneren Verletzungen davongetragen hatte und noch immer laufen konnte.« Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, um die Gesichtsausdrücke beider Männer besser beurteilen zu können. »Dave, was denkst du?«

      Dave ließ sich Zeit. Er beobachtete JayDee, der with vor das Wort draw legte. Dann sagte er, ohne Olivia anzusehen: »Ich bin mir nicht sicher, ob Ethan das ist, was er zu sein scheint. Ich weiß nicht, was zum Teufel er ist, aber ich würde sagen … wenn er das Beben wirklich verursacht hat … irgendwie … mit einer Kraft, die wir nicht …«

      »Unmöglich!«, stieß der Doktor aus.

      »Ist es das?« Dave nahm einen Schluck Wasser aus seinem Becher. »Sieh mal, was wissen wir denn überhaupt? Worüber können wir uns noch sicher sein? Der ganze Horror der letzten zwei Jahre … er steht gegen alles, woran Menschen jemals geglaubt haben. Und die Grauen … sie mutieren so schnell. Wer hätte das je für möglich gehalten? Und ohne die Aliens wäre es auch nicht möglich gewesen. Ohne das, was auch immer es ist, womit sie die Welt infiziert haben. Okay …« Er drehte sich auf seinem Stuhl, um den Doktor direkt ansehen zu können. »Was ist, wenn … Ethan etwas anderes ist. Vielleicht ein Experiment, das die Cypher oder die Gorgonen gemacht haben …«

      »Sein Blut hat nicht reagiert«, erinnerte ihn JayDee.

      »Das ist richtig, und trotzdem … er könnte noch etwas anderes sein. Etwas weiter Fortgeschrittenes.«

      »Etwas nicht Menschliches?«, fragte Olivia. »Er sieht aus wie ein Junge, ist aber keiner?«

      »Ich weiß es nicht. Ich versuche nur …«

      »Dir selbst einzureden, dass Ethan Gaines nach Panther Ridge gekommen ist, um uns zu retten?« JayDees weiße Augenbrauen hoben sich. »Um die mächtigen Erdbeben hervorzurufen, damit die Grauen uns nicht bei lebendigem Leib fressen? Wenn das so ist, dann muss selbst Ethan klar sein: noch so ein Beben, und Panther Ridge ist nur noch ein Haufen Trümmer.«

      »Es ist schon jetzt nur noch ein Haufen Trümmer«, gab Dave zurück. Er nahm einen weiteren Schluck Wasser und stellte sich vor, dass es wie Jim Beam schmeckte. Aber so wie es war, war es gut genug. »Mehr als das. Panther Ridge ist ein Friedhof.«

      Weder JayDee noch Olivia erwiderten etwas. Der Doktor rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her und Olivia betrachtete ihre kleine Sammlung Spielsteine, als würde sie sich tatsächlich auf das Spiel konzentrieren und nicht nur versuchen, sich abzulenken, damit sie nicht über die auf sie zustürzende Zukunft nachdenken musste.

      »Hier werden wir alle sterben«, fuhr Dave fort. »Wir halten das hier nicht durch. Das ist es, was unmöglich ist.« Er warf JayDee einen schnellen, finsteren Blick zu. »Ich habe herumgefragt, ob jemand etwas von einem Ort namens White Mansion gehört hat. Soweit kein Ergebnis. Ich habe gefragt, ob jemand einen Straßenatlas hat, aber wieder … nein. Vielleicht fällt jemandem dazu etwas ein, vielleicht auch nicht. In der Zwischenzeit: Ich weiß, dass es in der Highschool eine Bibliothek gibt.« Von der Schule hatten sie einen großen Teil von JayDees medizinischen Vorräten geholt, ebenso einen Teil der Konserven, aber Daves letzter Ritt dorthin war schon einige Monate her. »Ich nehme mir morgen früh ein Pferd, reite hin und versuche, etwas zu finden, was uns weiterhilft … ein paar Landkarten, vielleicht … irgendetwas, das helfen könnte.«

      »Du kannst auf keinen Fall allein gehen«, sagte Olivia. »Du hättest auch nicht allein gehen sollen, als du Ethan geholt hast. Das war leichtsinnig. Und du weißt auch, dass du überhaupt nicht nach draußen gehen solltest, außer du suchst nach Essen und Munition.«

      »Ja, aber ich gehe trotzdem. Ich werde niemanden bitten, mich zu begleiten, ich bekomme das allein hin.«

      Olivia hielt inne und betrachtete erneut ihre Buchstabensteine. Sie beschloss, ihren Blankostein aufzuheben und legte dart auf das Spielbrett. Dann zog sie drei weitere Buchstaben, darunter das gefürchtete Z. »Glaubst du daran?«, fragte sie leise, während die Öllampen ein leises Rauschen von sich gaben. »Dass Ethan zu einem tatsächlich existierenden Ort will? Dass er das Gefühl hat … wie soll ich es sagen … herbeigerufen zu werden? Und dass dieses White Mansion nicht irgendwo am anderen Ende der Welt ist?«

      »Herbeigerufen?« JayDee zeigte ein schiefes Lächeln, das aber schnell verschwand. »Herbeigerufen von wem? Einer Stimme im Traum? Das ist deine Basis, auf der du weitermachen willst?« Die Frage war an Dave gerichtet.

      »Ich muss weitermachen mit dem, was der Junge mir gesagt hat«, erwiderte Dave fest. »Sicher, das ist alles, was ich habe … aber ich weiß, dass ich das Erdbeben gesehen habe. Und auch gespürt. Ich glaube, er wusste, dass die Quelle da war, bevor der Boden aufbrach. Ich glaube, er hat es gefühlt. Frag mich nicht wie, ich kann es nicht erklären.« Er beugte sich leicht nach vorn und sah von John Douglas zu Olivia und wieder zurück. »Er hat mich gebeten, ihm zu helfen, diesen