SEELENHANDEL. Kealan Patrick Burke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kealan Patrick Burke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350465
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herzustellen?«

      Ich schaue Cobb offen ins Gesicht. »Kannst du ihm helfen?«

      Er nickt eifrig.

      »Machst du’s auch?«

      Alle Anwesenden wissen, was es Cobb kosten wird, wenn er das tut, aber verdammt noch mal, er nickt immer noch mit seinem alten, zotteligen Kopf. Für einen kurzen Moment beneide ich nicht nur Wintry, sondern auch diesen alten Mann mit seinem schlaffen Körper, der, auch wenn er sonst nichts hat, die Art von Charakter besitzt, für die die meisten von uns töten würden – und für die wir getötet haben.

      Aber dann wirft der Reverend ihm einen finsteren Blick zu. »Halten Sie sich da raus, Cobb. Wenn wir die schwarze Magie von Heiden brauchen, werden Sie als Erster Bescheid bekommen.«

      Der sterbende Junge starrt den Nudisten seltsam an. »Sie heißen Cobb?«

      Cobb nickt, ebenso verwirrt. »Ja, und?«

      Der Reverend seufzt. »Halte deinen verdammten Mund. Jetzt pass mal auf, Jungchen. Ich will nur eine ganz simple Antwort von dir haben. Diese Stadt gehört den Menschen ohne Träumen, den Verlorenen und Hoffnungslosen. Du bist vielleicht ein nutzloses Arschloch, aber ich gehe jede Wette ein, dass du Ambitionen hast, oder?«

      »Klar, noch mal die Sonne aufgehen zu sehen, gehört dazu.«

      »Irgendwo anders als in Milestone.«

      »Ja.«

      »Und wie kommt es dann, dass du, statt deine schöne neue – gestohlene – mitternachtsblaue Corvette Richtung Norden zu lenken, nichts wie aus diesem Kaff abzuhauen, vielleicht während dir deine dreckige Nutte einen bläst und du dabei die Musik des Teufels aufgedreht hast … wieso sitzt du stattdessen hier und stirbst?«

      Brodys Augen werden immer größer, bis sie sein Gesicht auszufüllen scheinen. »Shit, ich sterbe?« Er fängt an zu lachen. »Heilige Scheiße, Dean. Sieht so aus, als würden wir doch noch ein Duett singen können.«

      Der Reverend ohrfeigt ihn mit einem schnellen, trockenen Schlag seiner Handfläche, der dem Jungen das Vergnügen vom Gesicht wischt. Er sieht geschockt aus, sein Atem geht stoßweise. Dann wird er wütend. »Priester«, sagt er und packt so viel Härte in seine Worte, wie er kann. »Sie haben Glück, dass ich am Ende bin. Sonst müsste ich meine Momma um Verzeihung bitten, weil ich Ihnen die Nase einschlagen würde.«

      Und als ich das höre, fange ich an, mich für den kleinen Bastard zu erwärmen – möge Gott mir verzeihen.

      »Beantworte die Frage, Junge«, befiehlt Reverend Hill ihm. »Und zwar jetzt. Sonst garantiere ich dir, dass der Bauchschuss dir wie ein Wespenstich vorkommen wird, wenn ich mit dir fertig bin. Verstehst du, wir befolgen hier ganz strikte Regeln: Die Sünder machen ihre Sünden gut, indem sie die Welt von Dreck wie sich selbst befreien. Überall gibt es Orte wie den hier. Und jeder hat seine eigenen Methoden. Hier in Eddie’s kann man Autofahren. Aber da ich sehe, dass das nichts mehr für dich ist und du damit für mich nutzlos bist, fängst du jetzt besser an, meine Fragen zu beantworten. Also, zum letzten Mal: Warum bist du hier?«

      Brody ignoriert den Priester und schaut wieder zu Cobb rüber. »Sie hatte denselben Namen wie Sie.«

      Cobb erbleicht. »Wer?«

      Brody beginnt zu zittern, schlimmer als zuvor, und plötzlich sieht er mich mit solcher Intensität an, dass selbst Hill über seine Schulter guckt. »Sheriff«, sagt der Junge. »Kann ich Ihnen was geben?«

      »Mach’s nur, solange es keine Kugel ist.«

      »In meiner Tasche … zwei zwanzig Dollarscheine und ein Fünfer.«

      »Okay.«

      »Können Sie die dem Mann da geben?«

      »Cobb?«

      »Ja.«

      Ich widerstehe der Versuchung zu fragen, warum er Cobb das Geld nicht einfach nehmen lässt.

      »Von deinem Leben ist nicht mehr viel übrig«, sagt Hill und geht neben ihm in die Hocke. »Fang jetzt besser an zu reden. Bloß weil du stirbst, heißt es noch lange nicht, dass ich dir nichts mehr tun kann.«

      Brody schluckt, sieht zu Cobb rüber und schaut dann wieder weg. »Sie war plötzlich da.«

      Cobb macht einen Schritt nach vorn, wird aber vom wilden Blick des Reverend und Wintrys Hand auf seiner Schulter zurückgehalten. »Wovon redet er?«

      »Ihrer Frau, nehme ich an«, sagt Hill ohne jegliche Emotionen, greift dann nach dem Kopf des Jungen und hält ihn hoch, bis sich ihre Blicke treffen. »Hab ich Recht?«

      »Wir haben sie nicht gesehen. Sie musste die Scheinwerfer ausgeschaltet haben. Und wenn Sie nicht Ihre gottverdammt Hand wegnehmen, Priester, schwöre ich … Sie mit meinem letzten bisschen Kraft durch die Wand zu hauen.«

      Während ich zuhöre, stelle ich mir Eleanor Cobb vor, aus Angst von jemandem gesehen zu werden über das Lenkrad gebeugt, damit sie so klein und unauffällig wie möglich ist – im Unwetter mit gelöschten Scheinwerfern in einer ruhigen Seitenstraße, weil sie nicht glaubt, auf ein anderes Auto zu treffen und keine Aufmerksamkeit auf sich lenken will, falls sie doch eins sieht. Aber sie hat nicht damit gerechnet, dass ein Dieb mit seiner Freundin in derselben Seitenstraße unterwegs sein würde, den Fuß aufs Gaspedal gedrückt, um einer Stadt zu entrinnen, die nach dem Tod stinkt.

      Ich beuge meinen Kopf. »Herrgott.«

      »Warte mal, Junge«, sagt Cobb, und seine Stimme ist sowohl verzweifelt als auch ungläubig. »Du musst dich irren. Sie holt mich nicht ab. Sie holt mich nie ab.«

      »Heute schon«, sagt Hill.

      »Nein.«

      »Ich hab ihre Brieftasche mitgenommen. Hab mir gedacht … so wie sie aussah … dass sie sie nicht mehr brauchen würde. Hab ihren Namen gesehen … tut mir leid … Sie können das Geld haben … ich …«

      Gerade noch rechtzeitig hebe ich den Blick, um Cobb auf den Jungen losgehen zu sehen, aber Wintry hat ihn fest im Griff und Cobb kann nicht mehr tun, als gegen ihn ankämpfen bis die Kraft ihn verlässt und er sich umdreht, den großen schwarzen Mann umarmt und unkontrolliert zu weinen anfängt.

      »Besorge ihm einen Drink und sieh zu, dass er sich hinsetzt«, sage ich zu Wintry, und das macht er auch. Ich bin überrascht, dass mir jemand gehorcht. In Nächten, in denen es zugeht wie in dieser, ist ein Polizeistern nicht viel wert.

      Cobb versucht nicht mehr zu kämpfen.

      Revernd Hill steht auf und kratzt sich das Kinn. Er seufzt schwer. »Sheriff«, sagt er. »Sieht so aus, als ob Sie und ich ein kleines Problem haben.«

      4

      Angesichts der Unmenge von Blut auf dem Stuhl und dem Boden darunter schätze ich, dass dem Jungen nicht mehr viel Zeit bleibt. Sein Gesicht hat die Farbe von frischem Schnee und er lehnt sich gegen den Tresen wie einer, der zu viel getrunken hat und versucht, sich zu erinnern, wo zum Teufel er eigentlich ist. Und abgesehen von der Trunkenheit ist es vielleicht genau das, was er tut.

      Das Mädchen auf dem Tresen wendet ihren Kopf. Ihre Tränen fließen lautlos. Es sieht aus, als ob auch sie keine Energie mehr hat, sich noch zu wehren. Sie schließt die Augen, zuckt ab und zu zusammen und schnappt nach Luft, wenn Flo und Gracie sie berühren. »Wenn wir nichts tun, stirbt sie«, informiert Flo mich, und das ist nicht gerade etwas Neues. Allerdings ist der einzige Mann, der etwas dagegen tun könnte, inzwischen außerstande dazu. Ich kann wohl kaum zu Cobb rüberschlendern und ihn bitten, die Menschen zu heilen, die seine Frau getötet haben. Das ist das Traurigste von Allem. Ich bezweifle, dass er so zerstört wäre, wenn seine Gabe ihm auch erlauben würde, die Toten wiederauferstehen zu lassen. Aber das tut sie nicht. Er kann heilen und damit hat sich’s, und auch nur Wunden, keine Krankheiten. Im Moment würde ich jede Wette eingehen, dass Cobb die Grenzen seiner Heilkraft überdenkt und sich fragt, ob sie nicht doch bei seiner Frau funktionieren würde.

      Der Priester dreht sich zu mir um. »Sie haben einen Job zu erledigen,