Da brach es von den Stepwalks und Vorbauten nieder, überschwemmte vielfüßig und brüllend die Straße.
Die Menschen bildeten eine dichte Mauer aus ihren Leibern zwischen den beiden Schützen.
Es wogte hin und her auf der Straße, Schreien, Brüllen, Johlen und Kreischen mischte sich mit Schüssen, die in den unschuldigen Abendhimmel krachten.
Und als Wyatt Earp Luft bekam, als sich die Menschen langsam verzogen, sah er, dass der Mann mit dem weißen Hut verschwunden war.
Hal Flanagan hatte durch den unfairen Run seiner Landsleute Gelegenheit zur Flucht gefunden.
Wyatt zwängte sich durch die Leute zum Sheriff-Office.
»Wo ist er?«, fragte er nur und senkte den Kopf.
»Ich weiß es nicht, Marshal«, gab der Sheriff düster zurück.
»Ich konnte ihn in diesem Durcheinander nicht mehr sehen.«
»Sheriff!«, sagte Wyatt hart. »Sie haben heute zweimal das Gesetz verletzt! Ich warne Sie. Sagen Sie mir, wo Flanagan geblieben ist!«
Dublin blickte die Straße hinunter.
*
Der Missourier ritt aus der Stadt, nur eine halbe Stunde später.
Niemand hatte ihm den Eintritt in den »Dusty Saloon« verwehrt, wo er ein Glas Wasser getrunken hatte. Im Store hatte er seinen Munitionsvorrat aufgefüllt und einen neuen Beutel für seinen Proviant gekauft.
Dann hatte er das weiße, grelle und doch so düstere Panhandle verlassen.
An der südlichen Grenze der Looney-Weide traf er einen Tag später auf den kleinen Jim Brennan. Der Cowboy saß auf einem Weidepfahl und kaute auf einem Priem herum.
Wyatt hielt auf ihn zu.
»Hallo, Mr Earp.«
»Wo ist Hal Flanagan?«
»Ich weiß es nicht!« Der Cowboy wies hinter sich. »Ich bin doch kein Verräter. Aber der große Sand fängt schon drüben hinter den Hügeln an.«
Sieben Tage hetzte der Constabler den Mörder noch durch den glühenden Sand. Dann kam das Ende.
Wyatt hatte seit zwei Tagen keinen Tropfen Wasser mehr. Er war längst aus dem Sattel gerutscht und trottete vor seinem Gaul durch den glühenden Sand.
Als die Nacht kam, legte sich Wyatt auf seine Decke. Erst gegen ein Uhr wurde es kühler. Da erhob er sich wieder und trottete weiter. Der Spur folgend, die er seit Tagen vor sich hatte.
Und als der Morgen graute, sah er ihn.
Er lag noch drei Yards vor seinem Pferd, das erschöpft im Sand hockte.
Wyatt beugte sich über ihn und sah ihm ins Gesicht.
Er war noch nicht tot.
»Wasser …«, lallte er.
Wyatt sah ihm in die glasharten Augen. Dann nahm er ihm die Revolver ab und blickte sich um.
Kaum eine halbe Meile entfernt erkannte er die strichdünne Silhouette einer Stabkaktee, die in den grauschwarzen Himmel ragte.
Er trottete darauf zu.
Der Apfelschimmel folgte ihm.
Als die Sonne über den Horizont kroch, sah er die Häuser.
Und dann richtete er sich auf und rannte, bis er kurz vor dem ersten Haus zusammenbrach. Der Aufprall auf den sandigen Boden brachte ihn wieder zu sich. Er taumelte in den Hof an die Pferdetränke.
Ein hartgesichtiger Mann schleppte ihn zu einer rohgezimmerten Bank und brachte ihm Wasser.
Es war schon Mittag, als Wyatt wieder bei dem Revolvermann ankam.
Es war zu spät.
Wyatt hatte die Wasserflasche in der Hand und starrte auf den toten Mörder, der Mary Calligan nieder …
Dann warf er den glühenden Sand über den Körper und stieg in den Sattel.
Als er durch Panhandle ritt, sahen die Menschen an den Fenstern und Türen, dass er einen weißen Hut vorn neben dem Lasso hängen hatte. – Den Hut des Revolvermannes Hal Flanagan.
Die Flasche prallte mitten in den schweren Thekenspiegel und riß ihn klirrend in tausend Scherben.
Silk Cassedy reckte seine Gestalt und verzog den breiten Mund zu einem spöttischen Lachen. »He, Wirt, alte Schleiereule, komm raus! Ich habe mit dir zu sprechen!«
Als der kahlköpfige Butch Keaton hinter der Theke hervorkam und mit ängstlichen Augen um sich blickte, grölten die Männer um Silk Cassedy los.
»Seht euch bloß diese Nebelkrähe an!« brüllte Cassedy. »Steh auf, alter Halunke! Unsere Flaschen sind leer!«
»Sofort«, brummte der Wirt und langte mehrere Flaschen unter der Theke hervor.
»Das sind nur fünf!« stellte Cassedy fest und schob sich den breitrandigen Hut ins Genick. »Du kannst wohl nicht zählen, alter Giftmischer. Wir sind sieben Männer!«
»Männer?« fragte der Wirt, wobei er einen galligen Blick auf seinen zertrümmerten Spiegel warf.
Mit einem Satz war Cassedy an der Theke, griff hinüber und riß den kleinen Mann zu sich heran. »Was hast du da eben gesagt, he? Paßt dir irgend etwas nicht, Freund?«
»Nein!« zeterte das schmächtige Männchen mutig. »Ihr habt den Saloon voller Flaschenscherben geschlagen. Ihr habt meine Stühle zertrümmert und meinen großen Spiegel zersplittert…«
»Na und?« Der Riese stieß ihn zurück gegen das Flaschenbord. Mehrere Flaschen fielen hinunter und zerschellten auf dem Boden.
Mit zusammengebissenen Lippen starrte der Wirt auf den Whisky, der durch die Scherben auf die Dielen rann. »Verdammtes Pack!« zischte er.
Silk hatte es gehört. Sofort sprang er über die Theke und versetzte dem kleinen Mann einen Faustschlag ins Gesicht.
Butch Keaton torkelte zurück und sank am anderen Thekenende lautlos in sich zusammen.
Silks Leute feierten diese »Heldentat« ihres Anführers mit johlendem Geheul.
Die anderen Gäste hatten sich längst aus dem Saloon »Zum toten Sioux« verzogen. Wenn Cassedy mit seiner Bande in der Stadt war, hatte niemand was zu lachen.
*
Drüben im Sheriff-Office saß ein alter grauhaariger Mann. Auf seiner zerfurchten Stirn perlten schwere Schweißtropfen.
Vor ihm stand ein junger Bursche von vielleicht siebzehn Jahren. Er strich sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn und stürzte sich auf die Tischkante. »Geben Sie mir einen Stern, Sheriff, dann gehe ich rüber!«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Nein, Joe – es hat keinen Zweck. Sie schlagen dich zusammen.«
Der Bursche knirschte mit den Zähnen und blickte durch die große Scheibe hinüber zum »Toten Sioux«.
Aus der Schenke flog eben eine volle Flasche durchs Fenster auf die Stepwalks.
Lautes Geschrei drang auf die Straße.
Im nächsten Augenblick kam die Bande heraus. Allen voran der baumlange Cassedy. Er deutete auf den Drugstore von Fred Calligan. »Los, Boys, kleidet euch ein!«
Die Horde stürmte hinüber.
Lad Bryan trat die Tür ein und brüllte dem Händler entgegen: »Kundschaft kommt, old fellow! Wir brauchen Stiefel und Hemden! Aber