Wyatt Earp Paket 1 – Western. William Mark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Mark
Издательство: Bookwire
Серия: Wyatt Earp
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740942502
Скачать книгу
Owens war seit dreißig Jahren in diesem Land. Er hatte vielerlei Pferde gesehen in dieser langen Zeit. Aber noch niemals einen so abgetriebenen Gaul.

      Dann erst warf er einen Blick auf den Reiter, und er erschrak.

      Welch ein Gesicht!

      Owens hatte bisher geglaubt, jede Gattung von Mensch gesehen zu haben. Aber das kalkige Gesicht, das ihm da entgegenstarrte, bestürzte ihn zutiefst.

      Flanagan öffnete die Lippen. »Was kriege ich für den Gaul?«

      Der Mietstallbesitzer sah trotz des traurigen Zustandes, in dem sich der Rappe befand, dass es ein gutes Pferd war, wusste aber auch, dass er die Spuren der ausgestandenen Strapazen vielleicht nie wieder aus dem Tier herausbekommen würde.

      »Zwanzig«, sagte er, und es war ein anständiger Preis für einen so abgetriebenen Klepper.

      Flanagan sagte hart: »Dreißig!«

      Owens wusste nicht, was ihn dazu brachte, zu nicken. Er wandte sich um und ging ins Haus.

      »Bleiben Sie, ich brauche ein neues Pferd!«, rief ihm der Texaner nach.

      Owens blieb einen Augenblick unschlüssig stehen, dann ging er auf den Stall zu.

      Flanagan folgte ihm. Bei einem Grauschimmel hielt er inne.

      In diesem Augenblick wusste Owens, dass der Mann wirklich etwas von Pferden verstand: Dieser Graue war das beste Tier im ganzen Stall. Und doch sah man es ihm nicht an. Das heißt, selbst ein guter Pferdekenner hätte einiger Minuten bedurft, um die Vorzüge dieses Tieres festzustellen.

      Der Mann mit dem weißen Hut deutete mit der behandschuhten Rechten auf das Pferd.

      »Wie viel?«

      »Hundertfünfzig.«

      Flanagan zuckte unmerklich zusammen.

      »Sind Sie verrückt?«

      Owens hustete.

      »Sie kommen aus Texas, Mister. Da sind die Pferde billiger. Aber ein solches Tier bekommen Sie nirgends geschenkt.«

      Flanagan krächzte: »Wer will es geschenkt? Neunzig, mit den dreißig!«

      Owens schüttelte den Kopf.

      »Sie können Ihren Gaul wieder mitnehmen, Mister. Ich habe keinen Grund, meine Tiere zu verschenken. Ich habe Ihnen mit dreißig für Ihren Klepper schon ein Geschenk gemacht. Und jetzt soll ich mein bestes Pferd dazu verschleudern?«

      Da trat Flanagan ganz nahe an den Händler heran.

      »Neunzig«, sagte er bedrohlich leise.

      Owens schluckte. »Es geht nicht, Mister. Die Pferde sind mein ganzes Kapital. Der Graue ist doch noch unter Brüdern hundertachtzig wert, Sie wissen es selbst.«

      Flanagans Gesicht erstarrte zur Maske.

      Nur der Unterkiefer bewegte sich, als er jetzt sagte: »Good, schicken Sie mir die dreißig Dollar ins Hotel rüber. Ich kaufe mir anderwärts ein Pferd.«

      Danach wandte er sich um und ging auf das Hoftor zu.

      Pat Owens rief ihm nach: »Ihr Name, Mister …«

      Der Texaner blieb stehen und wandte sich langsam um.

      »Flanagan, Hal Flanagan aus Panhandle!«

      Patrick Owens stand da wie angewurzelt und starrte auf den weißen Hut des Fremden.

      Flanagan? Hal Flanagan? Sollte das vielleicht der berüchtigte Schießer aus Texas sein, der drüben in Wichita Dave Bleasdale erschossen hatte, den gefährlichen Bleasdale, den eine halbe Schwadron Blauröcke monatelang gejagt und nicht gestellt hatte? Sollte es derselbe Hal Flanagan sein, von dem erst vor wenigen Monaten die Rede war, als er drüben in Santa Fé Cap Ronney getötet hatte?

      Der Mann mit dem weißen Hut! Plötzlich fiel es dem Händler wieder ein. Wie ein Paukenschlag hämmerte es in seinem Hirn. Der Mann mit dem weißen Hut, so hatte es ja auch in der Gazette gestanden!

      Pat Owens schluckte, dann sagte er heiser: »Es ist gut, Mister Flanagan: Neunzig Dollar.«

      Der Schießer kam langsam zurück, schnallte seinem Rappen den Sattel ab, gab dem abgetriebenen Tier in herzloser Weise einen Tritt, dass es schmerzlich aufwieherte, und dann legte er dem Grauen den Sattel auf. Anschließend zählte er dem an allen Gliedern zitternden Händler neunzig Dollar hin, zog sich in den Sattel und ritt aus dem Tor hinaus.

      Als Pat Owens sich in Bewegung setzte und zum Tor rannte, sah er den Texaner weit oben in der Straße reiten.

      Jim Chestertons Sägemühle lag am Rande der Stadt. Es waren fünf große Bauten, in denen eine Menge Leute beschäftigt waren.

      Flanagan warf einen prüfenden Blick auf die Häuser, die eine vorübergehende Frau ihm als die Chesterton-Sägerei bezeichnet hatte.

      Es war nur ein kurzer Blick, den der Schießer den Häusern jedes Mannes widmete, dessen Leben er auslöschen sollte.

      Dann machte er kehrt und mietete sich im Boardinghouse von Lewt Brighton ein.

      Der blonde Bursche vorn an der Rezeption hätte vor Schreck fast den Federhalter und das Gästebuch fallen lassen, als er die Eintragung las. Ganz deutlich stand es da in großen, etwas starren, steilen Buchstaben: Hal Flanagan, aus Panhandle, Texas.

      »Kümmern Sie sich um mein Pferd!«, rief der Schießer dem Burschen zu.

      »Yeah – Mister Flanagan. Selbstverständlich.«

      Während der Revolvermann sich oben im Zimmer auf seinen Stuhl fallen ließ und die staubigen Stiefel von sich streckte, rannte die Nachricht wie ein Lauffeuer durch die Stadt: Hal Flanagan ist da! Big Hal Flanagan aus Texas! Er wohnt in Brightons Boardinghouse!

      Und der Texaner wusste, dass es so war. Es musste so laufen, das gehörte zu seinem Job. Das, was er jetzt gesät hatte, war die Angst. Sie würde sich über Nacht in die Herzen der Menschen hineinfressen. Es war jetzt ein Mann unter ihnen, dessen Name sie fast alle kannten. Und die ihn noch nicht gekannt hatten, würden ihn morgen früh sicher kennen. Es war einer da, der durch seinen Colt bekannt geworden war. Ein Revolvermann. Ein Mann, der davon lebte, dass er schneller war als der, den er töten sollte.

      Eine festgefressene seltsame Auffassung des Gesetzes gestattete einem solchen Menschen sein makabres Handwerk. Eine starre und primitive Auffassung, die zurück ins Mittelalter gehörte: Wenn der Schießer einen Mann töten wollte, forderte er ihn zum Duell heraus. Dies geschah nur durch den Ruf »Zieh!« Zog der andere, um sich zu verteidigen, schoss der Revolvermann, und zwar ehe der Gegner abdrückte. Nur diese kurze Zeitspanne war sein Risiko. Wenn einmal einer schneller zog und abdrückte als er selbst und dazu auch noch traf, war die Laufbahn des Revolvermannes beendet.

      Das geradezu Irrsinnige an diesem so genannten Duell war die Tatsache, dass der Schießer, der ja vom Töten lebte, nicht als Mörder angesehen wurde, wenn er den Menschen, den er doch bewusst vernichten wollte, getötet hatte …

      Aber das war das ungeschriebene Gesetz des Westens, das allenthalben strengste Beachtung fand. Wenngleich der Schießer ob seines blutigen Handwerks auch verachtet wurde, gemieden wie eine Seuche – so hatte doch niemand das Recht, ihn als Gesetzesübertreter anzusehen oder gar zu behandeln. Diese verkrampfte, ja geradezu widersinnige Auffassung hatte manchem braven Menschen im alten Westen das Leben gekostet.

      Es gab ja noch eine Chance für den Geforderten: Er konnte den Colt stecken lassen. Er brauchte nicht zu ziehen. Aber wie stand er dann da? In einem Land, wo der Colt zum Mann gehörte und wo sich der Mann so wenig davon trennte wie von seinem Sattel? Er war blamiert, fertig, unmöglich – und zudem gab der Schießer ja nicht auf – er folgte ihm so lange, bis dem so Gequälten die Galle überlief und er zum Colt griff. Dann war er noch sicherer das Opfer des Töters.

      Es kam öfter vor, dass ein Schießer in die Stadt kam. Immer gab es Menschen, die einen Vertreter dieses Gewerbes für einen anderen Menschen kauften, dem sie den Tod wünschten.