Wyatt Earp Paket 1 – Western. William Mark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Mark
Издательство: Bookwire
Серия: Wyatt Earp
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740942502
Скачать книгу
eine große helle Zigarre an und blies genießerisch kleine blaue Rauchwolken gegen die Decke.

      Er war also tot, der Gegner, der Feind! Der Mann, der ihm mit der Schuldforderung den Hals abschnüren wollte.

      Ed Holyoke dachte nicht einen Augenblick daran, dass Chesterton bisher nicht den leisesten Versuch gemacht hatte, ihn an die alte Schuld zu erinnern. Nie hatte der Sägemüller den Freund an das Geld gemahnt.

      Jetzt war er tot – und mit ihm die Schuld.

      Holyoke wischte sich mit dem Handrücken übers Kinn und hatte ein hohnvolles kleines Lachen in den Augenwinkeln stehen.

      Gut gelaunt erhob er sich, nahm im Korridor seinen Melbahut von der Garderobe und ging hinaus.

      Vor der Tür kam ihm eine bildhübsche junge Frau entgegen. Sie trug ein rosafarbenes Kleid, das vom Gürtel ab in einer weiten, faltenreichen Glocke bis zum Boden fiel. Der ebenfalls rosafarbene Biedermeierhut hob ihr puppiges Kindergesicht noch mehr hervor. Aber es schien nur ein Kindergesicht zu sein, bei näherem Hinsehen waren der wissende Zug um den Mund und das kalte Leuchten in den Augen deutlich zu erkennen.

      Holyoke stand wie verzückt da und sah seine junge Frau an.

      »Jenny, mein Gold, mein Engel – du kommst schon zurück? Geht es deiner Mutter besser?«

      »Doch, ja«, sagte die Frau mit einer seltsam harten Stimme und schob sich an dem schweren Mann vorbei ins Haus.

      Der Holzhändler blickte ihr wohlgefällig nach. Dann steckte er die Daumen in die Ausschnitte seiner zitronengelben Weste und ging über den breiten Vorbau auf die Treppe zu, die hinunter zur Straße führte.

      Jäh verhielt er seinen Schritt.

      Drüben vor dem Marshal-Office stand ein hochgewachsener dunkelhaariger Mann mit breiten Schultern, schmalen Hüften und tiefbraunem ernstem Gesicht. Er trug ein weißes Hemd, eine Samtbandkrawatte, eine offene schwarze Weste und schwarze Levishosen, die unten über die Kurzschäfte der hochhackigen Stiefel liefen.

      Auf der linken Westenseite blitzte der fünfzackige Stern im silbernen Kreis.

      Dieser Mann war der junge Constabler Wyatt Earp. Er war seit einiger Zeit im Marshal-Office als Hilfspolizist eingestellt. Sein Vater hatte im Norden vor der Stadt eine kleine Farm, auf der die drei Brüder Wyatts arbeiteten.

      Holyoke fühlte den Blick der tiefblauen Augen des jungen Mannes in seinem Gesicht. Und plötzlich wusste er, dass er Angst vor diesem Blick hatte. Er wusste, dass er den Constabler Earp nicht leiden konnte, dass er ihn von dem Tag an, an dem der ihn drüben in der Sägerei davon abgehalten hatte, einen dunkelhäutigen Arbeiter halb tot zu schlagen, geradezu hasste.

      Und jetzt stand er da, mit gespreizten Beinen und über der Brust verschränkten Armen, und sah unverwandt zu ihm herüber.

      Holyoke hatte kein gutes Gefühl bei diesem Blick. Weshalb sah ihn der Kerl so an? Was wollte er?

      Und dann fiel dem Händler plötzlich Jim Chesterton ein, der Freund, den er von einem texanischen Schießer hatte ermorden lassen.

      Ermorden?

      Wer wollte es Mord nennen? Es war ein faires Duell. Jawohl, ein faires Duell. Es sollte ihm einmal jemand sagen, es sei seine Schuld, dass Chesterton tot war!

      Aber da war ja noch der Revolvermann!

      Er wusste von allem. Und er hatte ja auch den Grund erfahren, weshalb Jim Chesterton hatte sterben müssen.

      Holyoke sah immer noch die Augen des Constablers auf sich gerichtet. Nein, er würde sicher nicht wegsehen, nicht den Kopf heben und davongehen. Er war ein Fuchs, der alte Edward Sefton Holyoke. Er war gerissen genug, es nicht sinnloserweise mit der Polizei zu verderben. Schließlich konnte ihm der Constabler nur schaden, wenn er sein Feind war.

      Holyoke verließ pfeifend den Vorbau und überquerte die Straße.

      Er hielt direkt auf Wyatt Earp zu.

      Vor der Treppe, die zu dem schmalen Vorbau des Marshal-Offices hinaufführte, blieb er stehen und sagte, ohne die Zigarre aus dem Mund zu nehmen: »Wie geht’s, Wyatt?«

      Der Constabler bewegte den Kopf nicht.

      »Danke«, sagte er halblaut.

      Und nun war das Unbehagen, das Holyoke beim Blick des Hilfs-Marshals empfand, so stark, dass er sich doch weiterwandte. Schon halb der Straße zugekehrt, vernahm er die Stimme des Constablers hinter sich: »Haben Sie schon gehört, dass Ihr Freund Chesterton aus Joplin tot ist?« Holyoke blieb wie angewurzelt stehen.

      Sollte der Constabler etwa wissen …? Ausgeschlossen! Es war ein purer Zufall, dass er nach Chesterton fragte. Schließlich wussten eine Menge Leute in Lamar, dass er Chesterton kannte. Man hatte sich in den verflossenen fünf Jahren hin und wieder einmal gegenseitig besucht. Da war es nur erklärlich, dass in der kleinen Stadt, in der nicht allzu viel passierte, ein Mann wie der reiche Sägereibesitzer Chesterton, der mit einem eleganten Reisewagen und zwei Schimmeln gekommen war, hier auffiel.

      »Yeah, ich weiß es«, entgegnete der Händler dumpf. »Er ist im Duell von Hal Flanagan erschossen worden.«

      Wyatt Earp nahm eine schwarze Zigarre oben aus der Westentasche, riss ein Zündholz an einem der Vorbaupfosten an und sagte: »Er ist nicht erschossen worden.« Holyoke fuhr herum. Aus weit offenen Augen blickte er den Constabler an. »Was sagen Sie da?«, stieß er hervor. Wyatts Gesicht war hinter einer Tabakwolke verschwunden.

      Da stürmte Holyoke auf die Treppe zu, hastete auf den Vorbau und suchte mit halb geschlossenen Augen den Tabaknebel zu durchdringen, um das Gesicht des Constablers zu erkennen.

      »Was haben Sie da gesagt, Earp – er ist nicht tot?«

      Die Hände des Holzhändlers waren auf einmal schweißnass. Schweiß stand auch in großen Perlen auf seiner Stirn.

      Chesterton war nicht tot?

      Es war alles gar nicht wahr!

      Der Zeitungsbericht eine gemeine Lüge!

      »Aber …«, stammelte der schwere Mann und rang nach Atem, »wie ist denn das möglich?«

      Seine Linke tastete über die gelbe Weste zum Herzen.

      Wyatt wischte den Rauch mit einer schnellen Handbewegung zur Seite.

      »Es sieht fast so aus, als seien Sie erschrocken darüber, dass er noch leben könnte«, sagte er halblaut.

      Holyokes Kopf flog hoch.

      »Was soll das heißen!«, stieß er heiser hervor. »Was meinen Sie damit, Earp! He?«

      Wyatt lehnte sich gelassen gegen den Vorbaupfosten.

      »Sie können beruhigt sein: Chesterton ist tot.«

      »Aber Sie haben doch gesagt …«

      »Ich habe gesagt: Er ist nicht erschossen worden!«, unterbrach ihn Wyatt schnell.

      Holyoke senkte den Kopf. Seine Augen waren rot gerändert, und sein Mund mit den wulstigen, aufgeworfenen Lippen stand offen.

      »Er ist aber tot –?«

      »Yeah. Er hat einen Herzschlag bekommen, als Flanagan mit dem Revolver vor ihm stand!«

      »Ah –!« Holyoke nickte ein paarmal, ohne den Mund zu schließen, und dann war da plötzlich ein teuflischer Gedanke in seinem Hirn.

      »Das ist doch Mord! Nicht wahr? Das muss doch bestraft werden. Flanagan hat den alten Mann zu Tode erschreckt. Er ist also schuld an seinem Tod. Dafür muss er doch bestraft werden, gehängt werden muss er! Nicht wahr?«

      Das Gesicht des feisten Mannes war plötzlich puterrot, die Adern an seinen Schläfen schwollen bedrohlich an.

      »Gehängt werden muss er, dieser Mörder! Gehängt …«

      Er rannte über die Straße davon auf den »Little Joe Saloon« zu.

      Es war noch ziemlich