Das Gesicht des Ranchers war jetzt eine Studie der Verblüffung. »Was –?« brach es schließlich rostig von seinen Lippen.
»Wyatt Earp!«
»Bist du wahnsinnig?«
»Nein, Boß. Wyatt Earp bewacht seit Tagen den Bahnbau. Er hat das Camp Speedys ausfindig gemacht und Ihre Leute gefangengenommen.«
Austin Portland fuhr sich mit dem Jackenärmel über den kahlen Schädel. Seine Lippen bebten. »Was faselst du da, du dreckiger Kuhtreiber, he –?«
»Es ist so, wie ich sage. Ich war in Santa Fé, als der Marshal die Cowboys mit einem Planwagen in die Stadt brachte. Es dauerte nicht lange, da wußte die ganze Stadt, was los war. Einer der Bahnarbeiter hat es erzählt. Wyatt Earp hat alle unsere Leute ergriffen…«
Da warf sich der bullige Rancher mit einem Wutschrei nach vorn und schleuderte seine klobige Faust wieder in das blutige Gesicht des Cowboys.
Das winzige Grinsen in den Augen Jim Porters erstarb. Er wankte zur Seite und kippte aus den Steigbügeln. Ganz langsam erhob er sich und wischte sich durchs Gesicht. »Und wenn Sie mich totschlagen, Boß – es ist so,wie ich gesagt habe. Der Marshal hat Speedy und die anderen geschnappt!«
Die Hände des Ranchers zitterten. Seine Augen waren weit aufgerissen und schienen aus ihren Höhlen treten zu wollen. Die Brust des gewalttätigen Mannes hob und senkte sich in rascher Folge. Dann riß er plötzlich die Zügelleinen hoch, hieb seinem erschreckten Pferd die großen Sternsporen in die Weichen und schoß nach Südwesten davon.
*
In der Front Street Ratons stieg ein großer staubbedeckter Mann von einem Grauschimmel. Mit sporenklirrenden Schritten stieg er die Vorbautreppe hinauf und ging auf die Bar »Zum Whiskyparadies« zu.
Der Reiter hatte flachsblondes Haar und ein rissiges Gesicht, das an die Felsenberge Colorados erinnerte. Seine Augen waren hart und schiefergrau. Auf der Oberlippe trug er einen ungepflegten Schnurrbart. Seine Kleidung bestand aus schwarzem Kalbsleder, und in dem Kreuzgurt hingen tief auf den Oberschenkeln zwei große Revolver.
Der Mann stieß die bastgeflochtenen Schwingtüren auf und schob sich in den halbdunklen Schankraum.
Sein Blick flog zur Theke.
Da lehnte nur ein junger Mann mit dunklem Haar und braunen Augen. Er hatte seinen weißen Stetson in den Nacken geschoben und kippte gerade einen Brandy in sich hinein.
Drüben an den Tischen saßen mehrere Männer und blickten stumpf vor sich hin.
Der Mann im schwarzen Kalbslederzeug ging an die Theke und rief dem froschäugigen Salooner zu: »Einen doppelten Whisky!«
Dann durchquerte er mit rasselnden Sporen den großen Schankraum und warf eine Münze in das alte Orchestrion.
Der Musikkasten setzte sich daraufhin ächzend in Bewegung und hämmerte einen der abgeleierten frechen Westernsongs in den Saloon
Der Fremde wandte sich um und blickte auf die Männer an dem Tisch. Seine grauen Augen flogen über die ausdrucklosen Gesichter.
»Wir machen ein Spiel, Leute!« sagte er schnarrend.
Die Männer blickten nicht auf.
Da trat der Fremde heran, setzte den Stiefel unter die Tischkante und kippte den Tisch um.
Die Männer sprangen auf.
Der Bursche an der Theke wandte sich langsam um.
Der Wirt ließ seinen zahnlosen Mund offenstehen.
Nur das alte Orchestrion hämmerte weiter seinen wenig melodiösen Song.
Der Kalbsleder-Mann ging zur Theke und kippte seinen Schnaps in die Kehle. Dann wollte er zur Tür.
»He!« rief ihm der Bursche mit dem weißen Stetson nach und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Theke.
Der Fremde blieb stehen und wandte sich langsam um. »Was gibt’s, Junge?«
Der Bursche deutete auf den umgeworfenen Tisch. »Sie haben was vergessen, Mister. Heben Sie den Tisch auf – und zahlen Sie Ihren Whisky!«
Um das rissige Geischt des Fremden kroch ein böses Lachen. Ganz langsam kam er näher. Einen Yard vor dem jungen Mann blieb er stehen. »Hast du was gesagt, Kleiner?«
Da richtete sich der Bursche auf und schob sich den weißen Hut in die Stirn. »Yeah, das habe ich! Sie kommen hier herein und führen sich auf, als ob Sie hier daheim wären…«
Da grinste der Fremde wieder diabolisch. »Wer sagt dir, wie es bei mir daheim ist, Junge?«
»Hier jedenfalls sind Sie nicht daheim, Mister. Raton ist kein Banditennest. Hier macht nicht jeder, was er will. Sie werden jetzt den Tisch aufstellen und Ihren Whisky bezahlen, dann können Sie gehen.«
»So, kann ich das?« fragte der Mann.
»Yeah.«
Immer noch lächelte der Kalbsleder-Mann dünn. »Du machst mir Spaß, Kleiner.«
»Meine Name ist John Portland.«
»Feiner Name«, höhnte der Fremde. »Und du bist viel zu grün, um auf den Friedhof getragen zu werden.«
Der Ranchersohn zog die Brauen zusammen. Damned, er hatte schon drei Whisky gekippt, er spürte, daß ihm der Schweiß auf der Stirn trat.
»Ich habe es ja gewußt: Sie sind ein Revolverheld. Aber für solche Leute ist in Raton kein Platz. Hier in der Stadt herrscht Ruhe und…«
Der Kalbleder-Mann packte den Rockaufschlag des Burschen und zog John Portland mit einem kurzen Ruck zu sich heran. »Ist dein Großvater vielleicht hier der Sheriff, Kleiner?«
John machte sich mit einem schnellen Griff los. Seine Augen funkelten. Die Unbeherrschtheit, das Erbteil seines Vaters, gewann Gewalt über ihn. Die Rechte hing dicht über den elfenbeinbeschlagenen Coltgriff.
Eiskalt blickte ihn der Fremde an. »Komm raus, Junge«, sagte er völlig ruhig. »Draußen ist mehr Luft, und im Straßenstaub liegst du besser.«
»Well!« stieß der Bursche rauh durch die Zähne. »Wir machen es draußen ab!«
»John!« brüllte der Wirt. »Du bist betrunken! Bleib hier!«
Der Fremde hatte blitzschnell einen Colt in der Rechten, ließ die Linke über den Hammer fliegen, und drei Schüsse brüllten durch den Raum.
Drei Gläser zersprangen auf dem Flaschenbord, und Scherben klirrten auf den Boden.
Der Salooner war aschfahl geworden.
»Noch irgendwas auf dem Herzen?« fragte der Mann mit den grauen Augen.
Nein, niemand hatte mehr etwas zu sagen.
John Portland stampfte auf unsicheren Beinen vor dem Mann durch die Tür. Auf dem Vorbau blieb er stehen und sog die frische Luft tief in die Lungen.
Der Fremde stieß ihm derb ins Kreuz. »Vorwärts, auf die Straße, Boy!«
Der Stoß brachte den Burschen wieder zu sich. Er torkelte vorwärts und hielt sich an einem Vorbaupfeiler fest. Hell and devils! Was hatte er da getan!
Ganz langsam wandte er den Kopf und blickte in das harte rissige Gesicht des Fremden.
Der grinste eisig. »Vorwärts, ich habe nicht allzuviel Zeit!«
Da lief einer der Gäste aus dem Saloon heraus und hielt den Fremden an seinem ledernen Jackenärmel fest. »Mister, lassen Sie ihn gehen, er ist betrunken!«
Der Fremde riß sich los und hieb dem alten Mann die flache Hand gegen den Hals.
Der torkelte gegen die hölzerne Hauswand, raffte sich auf und keuchte. »Verdammter Schießer,