PLÖTZLICH ZAUBERER. Scott Meyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Scott Meyer
Издательство: Bookwire
Серия: Magic 2.0
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351554
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      Martin gab auf. »Fantastisch«, murmelte er, während er die Zeit wieder zurücksetzte. »Ich bin der erste Mensch in der Geschichte, der sich selbst trifft, und dann erfahre ich, dass ich ein hässlicher Idiot bin.«

      Martin drückte wieder auf Enter und sah zu, wie sein früheres Selbst verschwand, während er zu dem Moment zurückkehrte, an dem er gegangen war.

      Das ist ja nicht so gut gelaufen, dachte er. In der Rückschau hätte er das ahnen können. Erste Treffen waren immer heikel, selbst wenn man sich selbst traf. Nächstes Mal würde es bestimmt besser laufen. Denn dann habe ich ja schon eher eine Ahnung, wie ich mich verhalten und wie ich reagieren soll.

      Martin hörte nun ein leises »Ähm«, das von rechts kam. Er schaute in die Richtung und war nicht überrascht, sich selbst lächelnd dort stehen zu sehen.

      »Ich bin du, und zwar in einer Stunde«, sagte er. »Willst du vielleicht ein bisschen Poker spielen?«

      Kapitel 4

      Am nächsten Morgen erwachte Martin mit einem Kater. Dabei hatte gar nicht viel getrunken, während er mit sich selbst Poker gespielt hatte. Nur ein paar Bier.

      In der ersten Runde, als er Martin aus der Vergangenheit gewesen war, hatte er verloren. Dann war er in der Zeit zurückgereist und hatte als Martin aus der Zukunft alles noch mal durchgespielt. Um ehrlich zu sein, war er zunächst nicht so begeistert von einer zweiten Runde gewesen und hauptsächlich aus Pflichtgefühl zurückgekehrt, um eine Revanche anzubieten.

      Dann hatte er allerdings angefangen zu gewinnen, weil er sich daran erinnert hatte, was Martin aus der Vergangenheit auf der Hand gehabt hatte.

      Jedes Spiel macht mehr Spaß, wenn man gewinnt, auch wenn es in diesem Fall am Ende gerade so null zu null ausging. Dann war er ins Bett geschlurft und müder als jemals zuvor in seinem Leben gewesen, doch sein Hirn hatte immer noch auf Hochtouren gearbeitet. Er hatte darüber nachgedacht, was passiert wäre, wenn er die erste Pokerrunde gewonnen hätte, dann zurückgekommen wäre und wieder gewonnen hätte. War das überhaupt möglich? Und wenn ja, woher wären die Gewinne dann gekommen? Konnte er unendlichen Reichtum schaffen, indem er gegen sich selbst im Poker verlor? Natürlich konnte er auch so unendlichen Reichtum erschaffen, indem er einfach eine Dezimalstelle in einer Datei verschob.

      Schließlich erkannte er, dass er, wenn er überhaupt noch etwas Schlaf bekommen wollte, das Ende erzwingen musste. Also trank er seinen allnächtlichen Cocktail: zwei Schlaftabletten in einem Schuss billigem Bourbon aufgelöst.

      Nun war es Morgen und er hatte einen Kater.

      Martin saß an seinem Schreibtisch, aß Toast und trank Kaffee, während er wieder mal auf die Datei starrte. Die Nacht zuvor war eine überwältigende Achterbahnfahrt voller Entdeckungen gewesen, aber der Morgen danach war wie gewöhnlich harte Schufterei, ein ständiges hin- und herspringen in der Realität.

      Er hatte nun bewiesen, dass die Datei ein Werkzeug war, welches jeden Aspekt seines Lebens verbessern konnte. Doch seine schmerzenden Füße, seinen verdrehten Knöchel und die verstauchten Handgelenke sowie seine ruinierten Socken und die verwirrte Nachbarin, bewiesen eindeutig, dass er sein Leben auch ruinieren konnte, wenn er weiterhin einfach handelte, ohne vorher groß darüber nachzudenken.

      Martin hatte bereits beschlossen, dass er seinen Körper nicht mehr verändern wollte. Denn solange er die Datei nicht besser verstand, war das viel zu gefährlich. Es war viel besser, erst einmal einfach Geld zu erschaffen und eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio zu kaufen, oder, wenn nötig, auf plastische Chirurgie zurückzugreifen. Er hatte außerdem entschieden, dass er gelegentlich kleinere Mengen Geld auf sein Bankkonto schaffen würde, statt einer riesigen Summe auf einmal. Martin hoffte, dass er auf diese Art nicht entdeckt werden würde.

      Und er hatte es geschafft, dass er kurz fliegen konnte. Wirklich, er konnte sich selbst für einen Moment mitten in der Luft platzieren, bevor er wieder zu Boden fiel. Er hatte bereits eine Idee, wie man das optimieren könnte, aber das besaß für ihn erst einmal keine Priorität.

      Außerdem konnte er sich jetzt teleportieren. Das war erstaunlich, aber auch sehr gefährlich. Glücklicherweise war seine Kleidung mit ihm teleportiert worden. Darum schlussfolgerte er, dass die Datei – oder das System, das die Datei nutzte – die Kleidung und die Dinge in der unmittelbaren Umgebung in Relation zu dem Standort setzte. Genau so, wie es die eigene Position in Relation zur Erde bestimmte. Das war eine Erleichterung, denn Martin wollte der Polizei nicht eines Tages erklären müssen, warum er sich plötzlich wie aus dem Nichts, nackt an einem öffentlichen Ort materialisiert hatte. In Wirklichkeit wollte er der Polizei nicht mal erklären müssen, warum er sich überhaupt materialisiert hatte. Er musste dafür sorgen, dass er, wenn er sich irgendwohin teleportierte, nicht nur den richtigen Längen- und Breitengrad und den richtigen Höhenmeter, sondern auch Einsamkeit hatte. Er brauchte unbedingt einen Landeplatz, wo ihn niemand sehen würde.

      Zu guter Letzt könnte er dann in der Zeit reisen und zu seinem Startpunkt zurückgehen, aber er konnte nicht darüber hinaus gehen. Er überlegte, dass es wohl daran lag, dass die Vergangenheit ein bekannter Zustand, die Zukunft aber noch nicht geschehen war. Man konnte sie nicht kennen und sie war auch nicht greifbar. Mit Sicherheit wusste er das zwar nicht zu sagen und würde es wahrscheinlich auch nie können. Fakt war aber, dass er in der Zeit zurückgehen und dann wieder zur Gegenwart zurückkehren konnte. Im Grunde teleportierte er sich also nur in eine andere Zeit sowie an einen anderen Ort. Also waren die benötigten Parameter, die er brauchte: Längengrad, Breitengrad, Höhenmeter, Einsamkeit und … Zeit.

      Der einzige Weg, wie er all das beeinflussen konnte, war auf die Datei zuzugreifen. Er konnte das von seinem Computer aus tun und mittlerweile auch von seinem Smartphone. Öffentliche Computer kamen hingegen nicht infrage. Denn dort könnte er die Software nicht installieren, die er brauchte, um auf den Remotecomputer mit der Datei zuzugreifen. Es schien so, als wäre sein Handy von jetzt an sein wichtigster Zugang zur Datei. Also musste er sicherstellen, dass er sich nicht aus Versehen irgendwohin teleportierte, wo das Handy nicht funktionierte, denn dann würde er dort festsitzen. Martin öffnete nun eine Landkarte, auf der die Netzabdeckung seines Telefonanbieters ersichtlich war. Jetzt war es nicht nur eine Karte, die einen zuverlässigen High-Speed-Datenzugang für ihn darstellte, sondern auch die Orte, an denen Martin gottgleiche Kräfte über Zeit und Raum besaß. Das sollte sich eigentlich nicht wie eine Einschränkung anfühlen, aber genau das tat es.

      Ich kann jetzt sofort überallhin auf dieser Karte der Vereinigten Staaten reisen, wohin ich möchte, dachte er, solange dort einer dieser roten Flecken ist. Die dunkelroten Flecken. Denn die Helleren sind mir zu fraglich.

      Zum ersten Mal, seit er die Datei gefunden hatte, dachte Martin Banks erst einmal darüber nach, bevor er handelte. Er machte eine Liste von Dingen, die er brauchte, damit er weitermachen konnte. Dann brachte er diese in eine logische Reihenfolge und begann, die Liste abzuarbeiten.

      Er durchsuchte die Datei nach der Seriennummer und dem Modellnamen seines Handys. Er war erleichtert, als er beides fand. Irgendwie hatte er Angst gehabt, dass die Datei nur Menschen abdecken würde, aber das war offensichtlich nicht der Fall. Die Datei war riesig (viel gewaltiger als die tatsächlich eingetragene Größe) aber nicht unendlich.

      Martin war sich nicht sicher, ob sie für alle Menschen und alle Gegenstände groß genug war, aber immerhin: Da war er, der Eintrag für sein Handy, der jedenfalls nicht sehr umfangreich war. Er nahm an, dass Massenartikel wie Handys nicht jedes Mal aufs Neue detailliert beschrieben werden mussten, genau, wie es bei den Menschen der Fall war. Stattdessen hatte jede Kopie einen Eintrag, der beschrieb, inwiefern sie sich von anderen Gegenständen seiner Art unterschied. Die vollständige Beschreibung, was dieses Gerät zu einem Handy machte, musste sich also wahrscheinlich irgendwo anders in einer separaten Datei befinden.

      Er verbrachte einige Zeit damit, eine rudimentäre Smartphone-App zu erstellen, mit der man die Datei automatisch bearbeiten konnte. Er fand sogar den Akkustand des Handys. In der Datei war er präzise in fünf Dezimalstellen dargestellt. Auf dem Handy war er hingegen vollkommen ungenau, es sei denn, man installierte eine separate App.