PLÖTZLICH ZAUBERER. Scott Meyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Scott Meyer
Издательство: Bookwire
Серия: Magic 2.0
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351554
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um was genau es sich handelte.

      Wieder suchte er nach seinem Namen und fand den Datenblock, der seine Existenz definierte. Er wusste, wo er seine Größenangabe fand, aber die anderen nützlichen Parameter herauszufiltern, gestaltete sich deutlich schwieriger. Seine Intelligenz, sein Körperfettanteil, seine Stärke und sein Gesundheitsniveau waren alle unmöglich gegenständlich zu beziffern, unabhängig davon, was die Leute sagten, die Diätpläne erstellten.

      Martin fand sein Gewicht, wagte jedoch nicht, es zu ändern. Er dachte darüber nach und kam dann zu dem Schluss, dass weniger zu wiegen nicht unbedingt bedeutete, dass man weniger fett war. Er könnte sich problemlos so ändern, dass sein Körper weniger Dichte aufwies. Er konnte sich plötzlich bildlich seine Eltern vorstellen, die auf seiner Beerdigung gefragt wurden, woran ihr Sohn denn gestorben sei und sich eingestehen mussten, dass sich das niemand erklären konnte. Er habe sich einfach von selbst in einen Schwamm verwandelt.

      Martin ging anders vor. Auf seinem Smartphone öffnete er die Banking-App und sah sich seinen Kontostand an. Er suchte in der Datei nach dieser Zahl und fand sie sofort. Dann atmete er tief ein, bewegte das Komma eine Stelle nach rechts und drückte auf Speichern.

      Er aktualisierte seine Banking-App. Der Kontostand betrug nun $ 839,00.

      GESCHAFFT!

      Er verspürte plötzlich einen Stich. Es waren allerdings keine Gewissensbisse, denn er hatte schließlich von niemandem Geld gestohlen. Das Geld hatte er einfach so aus dem Nichts erschaffen. Es hatte vorher gar nicht existiert. Jetzt aber schon. So wie er es sah, hatte er der Welt sogar einen Gefallen getan! Der Stich war die Angst gewesen, die er empfand! Er wusste, es war zu einfach, und wenn die Behörden herausfanden, was er getan hatte, würde man ihn bestrafen, selbst wenn er technisch gesehen gar nicht gegen das Gesetz verstoßen hatte. Martin wusste, dass die Beweislast beim Kläger lag. Also würde jeder, der versuchte, ihn wegen elektronischen Bankbetrugs strafrechtlich zu verfolgen, erst einmal beweisen müssen, wie er es ohne Zugriff auf den Bankcomputer angestellt hatte. Außerdem schlussfolgerte er, dass es bei jedem Diebstahl zwei Dinge gab: Einem Besitzer eine Sache wegnehmen und sie für sich selbst behalten. Und Martin nahm schließlich niemandem etwas weg. Darum glaubte er, dass es gar kein Diebstahl war, oder zumindest war es nur halb so wahrscheinlich, dass man ihn überführte. Es war eine fadenscheinige Begründung, aber sie war gut genug, um ihn schlafen lassen zu können. Er versetzte das Komma wieder eine Stelle zurück und verließ für diese Nacht den Computer.

      Erneut sah er sich etwas im Fernsehen an, ohne zu bemerken, was überhaupt lief. Wieder griff er auf frei verkäufliche Schlafmittel und billigen Bourbon zurück, um die Ruhe zu bekommen, die er so dringend brauchte.

      Der nächste Tag war ein Freitag. Er durchsegelte die Arbeit wie der Fliegende Holländer. Das Schiff war in Bewegung, aber niemand befand sich am Steuer. Seine Vorgesetzte war besorgt, weil Martin sich äußerst seltsam benahm, aber er schaffte sogar mehr Arbeit als üblich. Darum beschloss sie, ihn lieber nicht zu stören.

      Martin begriff, dass er die Datei doch nicht ignorieren konnte. Was er erfahren hatte, konnte er schließlich nicht ungeschehen machen. Er musste einfach nur etwas Willenskraft aufbringen. Er beschäftigte sich eingehend mit all den Dingen, mit denen er sich nicht beschäftigen sollte. Dinge, die möglich werden würden, wenn man die Datei benutzte, die aber wahrscheinlich zu nichts Gutem führen würden. Den ganzen Freitag verbrachte er damit, gefährliche Ideen zu sammeln. Als er in dieser Nacht an seinem Computer saß, gab es eine Menge Dinge, die er ausprobieren wollte, und er hatte das gesamte Wochenende Zeit dafür.

      Kapitel 3

      Zuerst wählte Martin das gesamte Datenpaket aus, von dem er glaubte, das es ihn betraf, und kopierte es in eine separate Datei, die er verschlüsselte und auf die Speicherkarte seines Handys übertrug.

      Dann bewegte er das Komma seines Kontostandes drei Stellen nach rechts.

      Zuerst zog er in Erwägung, sich zum Millionär zu machen, doch dann überlegte er, warum er die damit verbundenen Risiken eingehen sollte, wenn er sich doch zu jeder Zeit zum Tausendär machen konnte.

      Ich muss vorsichtig sein, dachte er. Ich möchte das hier schließlich nicht vermasseln.

      Er fragte sich, wie etwas so Komplexes, wie das menschliche Wesen, in ein Datenpaket passen konnte, das klein genug war, um es zu verwalten. Aber als er sich wieder beruhigt und darüber nachgedacht hatte, wurde ihm klar, wie es wohl funktionierte. Er sah, dass die Datei eine Liste von Parametern ohne detaillierte Beschreibungen war. Er konnte den Code erkennen, der seine Herztätigkeit festlegte, und überprüfte das, indem er seinen Puls maß und dabei beobachtete, wie die Zahlen in Echtzeit schwankten. Für ihn machten die Zahlen allerdings keinen Sinn. Selbst für Kardiologen würden sie wahrscheinlich keinen Sinn ergeben, aber sie änderten sich in vorhersehbarer Weise zusammen mit seinem Puls. Der Code beschrieb, was das Herz gerade tat und inwiefern es sich von den Herzen anderer Leute unterschied, aber der Code definierte nicht das Herz an sich. Es schien so, als ob es irgendwo anders eine weitere Datei gab, die menschliche Herzen im Detail beschrieb. Und die Daten jeder einzelnen Person bezogen sich darauf, ihr spezifisches Herz zu rendern. Dasselbe galt anscheinend auch für all die anderen Organe, auch wenn das für ihn viel weniger interessant war, als er feststellte, dass er keinen Zugriff auf die grundlegende Struktur seines Körpers hatte. So konnte er zum Beispiel die Knochen seines Skeletts nicht in unzerbrechliches Metall verwandeln.

      Es waren auch andere Verknüpfungen in das System integriert. Er suchte nach seinem aktuellen Längen- und Breitengrad. Weil er in seinen späten Teenagerjahren mit Geocaching herumgespielt hatte, verstand er die Bezeichnungen, und dank seines Smartphones hatte er Zugriff auf die tatsächlichen Zahlen. Als er seine genauen Koordinaten in der Datei fand, entschied er, sich probehalber zu bewegen und zu sehen, ob sie sich ebenfalls änderten. Langsam ging er rückwärts, während er auf den Monitor starrte und dabei immer mehr schielte. Die Zahlen schienen sich tatsächlich zu ändern, während er sich bewegte, doch statt die absolute Position einer Person über den Weltraum festzumachen, spürte das System sie in Relation zur Erde auf. Unter den Koordinaten stand noch eine Zahl, von der er wusste, dass sie die Höhe über dem Meeresspiegel darstellte. Martin sprang hoch, obwohl es schwer war, dabei die Zahl zu entziffern. Er konnte sehen, dass diese sich änderte, während er in der Luft war. Als er landete, stand wieder die Ausgangszahl dort.

      Martin wusste, was als Nächstes zu tun war. Wenn er es nicht versuchte, würde er sich den Rest seines Lebens Gedanken darüber machen.

      Nein, das ist nicht wahr, dachte er. Ich würde mir Gedanken machen, bis ich letzten Endes zusammenbreche und es dann trotzdem versuchen. Also kann ich es auch genau so gut jetzt gleich ausprobieren.

      Ohne sich hinzusetzen, beugte er sich über den Schreibtisch, schluckte schwer und veränderte dann den Höhenmeter um dreißig Zentimeter. Anschließend atmete er langsam aus.

      »Jetzt schauen wir doch mal, ob ich fliegen kann«, sagte er laut, als wäre es für die Nachwelt gedacht. In diesem Moment war das leere Apartment die Nachwelt. Er drückte auf die Enter-Taste.

      Sofort befand er sich dreißig Zentimeter über dem Boden, doch unmittelbar danach fiel er wieder nach unten. Er kam mit seinem vollen Gewicht auf dem Schreibtisch auf, verstauchte sich beide Handgelenke und verdrehte sich seinen rechten Knöchel. Fast hätte er es geschafft, aufrecht stehen zu bleiben, aber schließlich fiel er doch nach hinten, direkt in seinen Schreibtischstuhl hinein. Der Aufprall war so hart, dass sich der Stuhl unter der Belastung durchbog und die gesamte Luft aus seiner Lunge wich. Als er so dasaß und versuchte, wieder Luft zu holen, konnte er die Nachbarin unter ihm hören. Mit einem Besen stieß sie gegen die Decke und brüllte, dass er endlich ruhig sein sollte.

      Okay, dachte Martin. Ich kann zwar nicht fliegen, aber ich kann fallen, wann immer ich es will.

      Er richtete seine Aufmerksamkeit nun wieder auf den Längen- und Breitengrad, brachte sein Smartphone zur anderen Ecke des Schlafzimmers und notierte sich dort die GPS-Daten. Dann kehrte er zum Computer zurück, setzte sich hin und gab die Koordinaten ein.

      Er atmete tief durch, drückte auf Enter und