Die Schönste der Schönen zu sehn, das war ihr einzig Gefühl;
Sein Auge, wie ein Schrein, dünkt mich, umschloß sie alle,
Wie man dem Fürsten beut Juwelen im Kristalle;
Der, nicht durchs Glas bestochen, der Steine Wert erspäht,
Und sie zu kaufen winkt, wie er vorübergeht.
Auf seiner Stirne Rand las ich in klaren Lettern
Der Glosse Schrift: er schien Euch schauend zu vergöttern.
Ich bürg' Euch Aquitanien und seines Reichs Genuß,
Gebt Ihr um meinetwillen ihm einen lieblichen Kuß.
PRINZESSIN.
Kommt, gehn wir in unser Zelt: Boyet ist aufgeweckt, –
BOYET.
Nur das in Worte zu fassen, was längst sein Aug' entdeckt.
Ich wußte seinem Auge den Mund hinzuzufügen,
Und lieh der Zunge Worte, die, glaubt mir fest, nicht lügen.
PRINZESSIN.
Dich alten Liebeshändler wird keiner leicht betrügen!
MARIA.
Er ist Amors Großvater, der muß ihm alles entdecken.
ROSALINE.
Dann gleicht Venus der Mutter; ihr Vater ist zum Erschrecken.
BOYET.
Hört ihr, ihr tollen Dirnen?
MARIA.
Nein.
BOYET.
Könnt ihr auch nicht sehn?
ROSALINE.
O ja, den Weg nach Hause.
BOYET.
Ihr mögt in Frieden gehn! –
Alle ab.
Zweite Szene
Ebendaselbst.
Armado und Motte treten auf.
ARMADO. Trillre, mein Kind, affiziere mir den Sinn des Gehörs!
MOTTE singt.
ARMADO. Melodische Manier! – Geh, Zartheit der Jahre; nimm diesen Schlüssel, gib dem Bauer Entfeßlung, – bring' ihn windschnell hieher; ich bedarf sein wegen eines Briefs an meine Huldin.
MOTTE. Herr, wollt Ihr Eure Huldin mit neumodischen Singweisen und Arien gewinnen?
ARMADO. Wie meinst du? Gibt es Arien, welche weise sind? –
MOTTE. Nein, mein vollendeter Gebieter; aber schnellt einen Ton, staccato, von der Spitze Eurer Zunge, vibriert dazu, tremulando, mit Euren Füßen, würzt ihn mit Ausdruck, indem Ihr die Augenlider aufschlagt; seufzt eine Note und singt eine Note: einmal durch die Gurgel, als schlucktet Ihr Liebe, indem Ihr Liebe singt; einmal durch die Nase, als schnupftet Ihr Liebe, indem Ihr Liebe riecht; Euern Hut gleich einem Vordach über den Laden Eurer Augen; die Arme kreuzweis über Euerm dünnen Wamse, wie ein Kaninchen am Spieß; oder Eure Hände in der Tasche, wie eine Figur auf den alten Bildern. Dabei müßt Ihr nicht zu lange in einer Tonart verweilen, sondern ein Schnippchen, und linksum. Das sind Gaben, das sind Talente, das fängt spröde Mädchen, die sich auch ohnedies fangen ließen: das macht, daß man von den Gemütern, die solches in ihrer Gewalt haben, – notiert's Euch! – Notiz nimmt.
ARMADO. Womit hast du diese Erfahrung eingekauft?
MOTTE. Für meinen Pfennig der Beobachtung.
ARMADO. Doch o! Doch o! –
MOTTE. »Vergessen ist das Steckenpferd!«
ARMADO. Nennst du meine Huldin Steckenpferd?
MOTTE. Nein, Herr, das Steckenpferd ist immer ein rohes Füllen, und Eure Huldin ist vielleicht ein Mietklepper. Aber habt Ihr Eure Huldin vergessen? –
ARMADO. Beinahe hätt' ich's.
MOTTE. Nachlässiger Student! Lernt sie auswendig!
ARMADO. Ich liebe sie auswendig und inwendig, Knabe.
MOTTE. Und abwendig, Herr; alles beweis' ich Euch.
ARMADO. Was willst du beweisen?
MOTTE. Mich, als Mann, wenn ich leben bleibe; und dies Aus-, In- und Abwendig im Augenblick. Auswendig liebt Ihr sie, weil Ihr ihren Namen ohne Anstoß hersagen könnt; inwendig, weil Ihr nicht aus der Haut fahren dürft; und abwendig, weil sie sich von Euch abwendet.
ARMADO. Ich bin in allen diesen drei Fällen.
MOTTE. Und wär't Ihr auch in sechs Fellen, so würdet Ihr in allen Euren Fellen ungefällig bleiben.
ARMADO. Führe mir den Bauer hieher, er soll mir einen Brief überbringen.
MOTTE. Eine sympathetische Botschaft! Ein Pferd als Gesandter eines Esels! –
ARMADO. Ha! Was sagst du? –
MOTTE. Meiner Treu, Herr, Ihr müßt den Esel auf dem Pferde schicken, denn er ist nur langsam zu Fuß; doch ich gehe.
ARMADO. Der Weg ist nur kurz; hinweg!
MOTTE. So schnell wie Blei, Herr!
ARMADO.
Deine Meinung, artiges Ingenium? –
Blei dünkt mich ein Metall, dumm, schwer und träg' zu sein.
MOTTE.
Minime, edler Sennor, oder wahrlich, Sennor, nein.
ARMADO.
Ich sage, Blei ist langsam.
MOTTE.
Ihr folgt zu schnell dem Schein;
Ist langsam wohl ein Blei, wenn aus dem Lauf geschossen? –
ARMADO.
Ein würdig Rednerblümchen!
Ich also bin das Rohr, die Kugel paßt auf ihn.
Jetzt schieß' ich dich auf den Bauer.
MOTTE.
Bauz denn, und seht mich fliehn.
Läuft ab.
ARMADO.
Ein höchst scharfsinn'ger Juvenil, so flink, hat so bei der Hand Witz! –
Erlaube, liebes Firmament, ich seufze dir in dein Antlitz! –
Fahr' wohl, o Mut, mein Herz ist jetzt der trüben Schwermut Landsitz! –
Mein Herold kommt zurück.
Motte kommt mit Schädel zurück.
MOTTE.
Ein Wunder, Herr! Seht 'nen Schädel, der sich zerstieß das Bein.
ARMADO.
Ein Enigma, ein Rätsel: komm, wie mag der l'envoy sein?
SCHÄDEL. Nichts da von Nicknamen und Rätseln oder Langfahnen; weg mit Euren Salbenbüchsen, Herr; ach Herr, Wegerich, puren Wegerich! keine Langfahnen, keine Langfahnen oder Salben, Herr, nichts als Wegerich! –
ARMADO. Bei der Tugend!