»Sehr erfreut, Hochwürden. Christian hat zwar nie viel über seine Heimat erzählt, wenn er es aber doch tat, dann hat er Sie immer erwähnt. Er sprach geradezu begeistert von Ihnen. Man nennt Sie doch den ›Bergpfarrer‹, nicht wahr?«
»Ja, so nennt man mich«, schmunzelte Sebastian Trenker. »Aber ich fürcht’, für Konversation ist jetzt keine Zeit. Sie müssen uns entschuldigen, Christian und ich haben etwas Wichtiges zu erledigen.«
Andrea hakte sich bei dem Schauspieler ein.
»Mein Anliegen ist nicht weniger wichtig.«
Christian schüttelte ihren Arm ab.
»Andrea, bitte, ich habe gestern abend alles gesagt, was es in dem Moment zu sagen gab. Gern’ will ich mich noch ausführlicher mit dir unterhalten. Es gibt gewiß Dinge, über die wir noch sprechen müssen. Doch jetzt mußt du mich entschuldigen. Es geht um mein Lebensglück.«
Sein Gesichtsausdruck unterstrich die Dringlichkeit seiner Worte. Andrea zuckte zusammen. Es war ihm ernst, bitterernst sogar. Mit einem wehen Zug um den Mund sah sie den beiden Männern nach.
Christian bedauerte es, sie so stehen lassen zu müssen, doch das, was er vorhatte, duldete keinen weiteren Aufschub. Viel zulange hatte er schon gewartet.
Als sie auf dem Hof ankamen, saß die Familie Oberhofer schon beim Mittagessen. Sebastian klopfte an und betrat die große Küche, wo der Tisch gedeckt war. Erstaunt sah der Bauer den Besucher an.
»Hochwürden? Ist was passiert?« fragte er.
»Nein«, schüttelte der Geistliche den Kopf und sah zu Burgl. »Ich wollt’ dafür sorgen, daß du net wieder verhinderst, daß der Christian und die Burgl miteinander sprechen können.«
Die Tochter war aufgesprungen.
»Christian ist da?«
»Er wartet draußen«, nickte der Bergpfarrer.
Das Madel schaute zu den Eltern. Hans Oberhofer hob ergeben die Hände und ließ sie wieder fallen, und dann eilte seine Tochter hinaus.
Christian stand neben dem Wagen, als sie auf ihn zuflog. Er breitete die Arme aus und fing sie auf.
»Es tut mir leid«, sagte er leise. »Ich hätt’ dich gestern net so einfach gehen lassen dürfen.«
»Ach, das ist doch jetzt egal«, schluchzte sie vor Glück. »Jetzt bist’ doch da.«
»Und ich bleib’«, antwortete er. »Und zwar für immer!«
Sie hob den Kopf und fragte: »Ist das wirklich wahr?«
»Ja«, nickte Christian ernst. »Ich weiß jetzt, daß mein Platz hier ist. Beim Vater und bei dir. Wenn du mich noch willst…«
»Ob ich dich will?« rief sie. »Aber ja, von Herzen ja!«
Er lächelte, und ihre Lippen trafen sich zum Kuß.
Die beiden jungen Frauen saßen in einem Straßencafé der Münchener Innenstadt und erholten sich bei einer Tasse Cappuccino von ihrem Einkaufsbummel. Bianca Lennard und Klara Winkler waren so in ihr Gespräch vertieft, daß sie die sie musternden Blicke der vorübergehenden Männer gar nicht bemerkten.
»Mensch, Mallorca, das wär’ doch toll«, sagte Klara und nippte an ihrem Cappuccino. »Stell dir das mal vor: vierzehn Tage Sonnenschein, Strand und Meer. Und am Abend die große Sause!«
Bianca nickte zustimmend.
»Erstmal die Jungs!« schmunzelte sie und lehnte sich behaglich zurück.
Träumerisch schloß die attraktive dunkelhaarige Achtzehnjährige ihre Augen und glaubte, alles ganz deutlich vor sich zu sehen: das blaue Meer, malerische Buchten, tolle Bekanntschaften, die sie schließen würden. Vielleicht würden sie auch Ausflüge ins Hinterland der Insel machen.
»Wir müssen uns aber schnell entschließen, wenn wir noch einen günstigen Flug bekommen wollen«, mahnte ihre Freundin. »Sonst ist alles weg. Wahrscheinlich wird’s ohnehin jetzt schon eng, und ich will kein Zimmer in irgendeiner Absteige.«
Damit konnte sie recht haben. In vierzehn Tagen begannen die Sommerferien, und wer jetzt noch nicht gebucht hatte, der mußte nehmen, was übrig blieb.
Der Entschluß, den Urlaub gemeinsam zu verbringen, war ihnen spontan gekommen, als sie während ihres Stadtbummels im Fenster eines Reisebüros das Plakat gesehen hatte. Sie waren hineingegangen und hatten sich ein paar Prospekte geben lassen, die sie inzwischen studiert hatten.
Bianca nickte.
»Ich frag’ nachher meinen Vater, ob er mir den Urlaub spendiert«, sagte sie. »Hoffentlich ist er net so knauserig.«
Als Gymnasiastinnen in der letzten Klasse vor dem Abitur verdienten beide noch kein Geld. Indes hatte Klara in dieser Hinsicht kein Problem. Ihr Vater war Direktor eines alten, eingesessenen Familienunternehmens und verwöhnte seine Tochter nach Strich und Faden. Bianca hingegen kam aus einer weniger begüterten Familie. Ihre Mutter arbeitete stundenweise in einer Reinigung, während der Vater bei den Stadtwerken angestellt war. Die einzige Tochter der Familie Lennard jobbte hin und wieder, um das Taschengeld aufzubessern und den Eltern nicht immer auf der Tasche liegen zu müssen. Für den geplanten Urlaub reichte das Ersparte allerdings nicht. Da würde Papa Lennard wohl etwas beisteuern müssen.
Klara sah auf ihre Uhr.
»Himmel, ich muß ja«, sagte sie und winkte nach der Bedienung. »Nachher hab’ ich noch einen Zahnarzttermin. Den hätte ich beinahe vergessen.«
Bianca suchte nach ihrer Geldbörse.
»Laß mal«, winkte die Freundin ab. »Ich lad’ dich ein.«
»Aber im Urlaub machen wir getrennte Kasse.«
Die blonde Klara nickte.
»Abgemacht. Aber mir macht’s nix aus, dich hin und wieder einzuladen. Du weißt doch, Papa zahlt.«
Bianca biß sich auf die Unterlippe.
Das würde sie auch gern sagen können – Papa zahlt!
Seufzend stand sie auf und folgte Klara zum Parkhaus. Sogar ein eigenes Auto hatte die Freundin schon. Darauf würde sie noch lange warten müssen.
»Erst das Abitur«, hatte ihr Vater gesagt. »Dann sehen wir weiter.«
»Hast du eigentlich mal wieder was von Tobias gehört?« erkundigte sich Klara während der Fahrt.
Bianca schüttelte den Kopf.
»Wahrscheinlich war der bloß eine Seifenblase«, meinte sie. »Es ist auch net schad’ drum.«
Indes strafte ihre Miene sie Lüge. Denn so ganz gleichgültig war ihr Tobias Anninger doch nicht gewesen. Als der Schwarm des ganzen Gymnasiums ausgerechnet mit ihr zu flirten begann, da hing für Bianca Lennard der Himmel voller Geigen. Allerdings stellte sich recht schnell heraus, daß der flotte Bursche nicht nur ein Eisen im Feuer hatte. Als sie herausfand, daß er immer dann mit anderen Madeln ausging, wenn sie keine Zeit hatte, stellte Bianca ihn zur Rede. Danach hatte er sich nie wieder bei ihr gemeldet.
Sie waren in der Straße mit den Reihenhäusern angekommen. Am liebsten wäre es Bianca gewesen, Klara hätte sie schon vorher aussteigen lassen. Seit sie das erste Mal die prachtvolle Villa der Winklers betreten hatte, schämte sie sich beinahe ihres schlichten Zuhauses.
»Also, ich melde mich, sobald ich das mit meinem Vater geklärt habe«, sagte sie zum Abschied.
Klara reichte ihr die Einkaufstüten heraus.
»Ist gut«, nickte sie und winkte ihr zu.
Bianca blickte dem davonfahrenden Cabrio hinterher und schloß