Wolfgang Pahlinger stand ratlos in der Tür und sah zu, wie sie den Schmutz zusammenkehrte und in den Mülleimer schüttete.
»Wo find’ ich denn Bettwäsche?« wollte sie wissen.
»Droben, in der großen Kammer«, antwortete er. »Im Schrank.«
Kathrin wischte sich die Hände an der Schürze ab, die sie umgebunden hatte. Wolfgang stellte fest, daß sie seiner Mutter gehört hatte. Seit Jahren hatte er nicht mehr gesehen, daß jemand sie trug. Die Schürze hing immer in der Speisekammer, hinter der Tür.
»Gut«, nickte die junge Frau. »Dann beziehe ich jetzt das Bett und mache mich anschließend an das Mittagessen.«
»Es ist nix im Haus«, brummte er.
»Doch«, entgegnete sie gelassen. »Ich habe alles mitgebracht.«
Wolfgang Pahlinger holte tief Luft.
»Das will ich net«, stieß er hervor. »Ich brauch’ keine Almosen, und schon gar net von deinem Vater.«
Kathrin hatte gerade den Besen und die anderen Utensilien in die Hand genommen. Jetzt stellte sie alles wieder ab und stemmte die Hände in die Hüften.
»Jetzt hör’ mir mal gut zu, Wolfgang Pahlinger«, sagte sie mit grimmigem Blick, »ich weiß, daß du ein dickköpfiger Kerl bist, stolz und unbeugsam. Aber trotzdem liebe ich dich, und ich werd’ dir helfen, ob du’s nun willst oder net. Außerdem sind die Sachen net von unserem Hof.«
Einen Moment sah es so aus, als wollte er etwas darauf erwidern, doch dann drehte er sich wortlos um und ging hinaus.
»In der Küche steht Kaffee«, rief Kathrin ihm hinterher.
Gleich nach ihrer Ankunft auf dem Hof hatte sie das Feuer im Herd entfacht und Kaffeewasser aufgesetzt. Wolfgang hatte zwar die Haustür zugesperrt, allerdings besaß sie noch einen Schlüssel, den er ihr einmal gegeben hatte.
Ob er tatsächlich in die Küche gegangen war, wußte sie nicht. Sie stellte Eimer und Besen vor die Kammertür und stieg die Treppe hinauf. Hier oben waren die Schlafzimmer der Familie gewesen. Das größere hatte den Eltern gehört, daneben war ein kleineres, in dem Wolfgang schlief. Kathrin öffnete die Tür zur großen Kammer und trat ein. Es roch muffig, und überall lag Staub. Sie ahnte, daß es noch eine Heidenarbeit werden würde, bis sie im ganzen Haus Ordnung geschafft hatte.
Sie ging zum Fenster und ließ frische Luft herein. Dann öffnete sie den großen Schrank, der mit bunten Farben bemalt war, die jetzt allerdings unter dicken Staubschichten verschwanden. Nachdem sie Laken, Bett- und Kopfkissenbezug herausgenommen hatte, lief sie wieder hinunter und bezog das Bett. Zufrieden schaute sie auf ihr Werk. Die Kammer war natürlich kein Vergleich mit der, die sie auf dem väterlichen Hof bewohnte, aber es ließ sich aushalten. Anschließend begann sie damit, die mitgebrachten Reisetaschen und Kartons auszupacken und den Inhalt in den Kleiderschrank und die kleine Kommode zu räumen.
Zwischendurch hatte sie immer wieder darauf geachtet, daß das Feuer nicht ausging. Der Kaffee stand, in eine Porzellankanne umgefüllt, am Rand des Herdes, in der Mitte der große Wasserkessel. Kathrin suchte einen kleinen Eimer heraus, füllte ihn mit heißem und kaltem Wasser und fand eine Essigflasche im Küchenschrank. Mit dem Eimer und ein paar Putztüchern in den Händen ging sie in ›ihre‹ Kammer zurück und begann, die Fenster zu putzen.
Schade, daß es keinen Strom gab. Gerne hätte sie bei ihrer Arbeit Musik gehört. Zu Hause lief das Radio oft den ganzen Tag.
Endlich war das letzte Fenster geschafft, und Kathrin legte eine Pause ein. Von Wolfgang hatte sie nichts mehr gesehen oder gehört, doch als sie später aus dem Fenster der Wohnstube schaute, sah sie, daß er bei der niedergebrannten Scheune arbeitete.
Sie hielt einen Kaffeebecher in der Hand und beobachtete ihn lächelnd. Dabei war ihr Blick voller Liebe und Zärtlichkeit.
*
Am Morgen hatte es noch einmal eine heftige Auseinandersetzung mit ihrem Vater gegeben. Hubert Sonnenleitner hatte seine Tochter während des Frühstücks keines Blickes gewürdigt, und auch Kathrin sah keinen Grund, dieses Schweigen zu brechen.
Erst als sie ihre Sachen zum Auto trug, stellte sich ihr Vater in den Weg.
»Du meinst es also wirklich ernst?« fragte er.
Sie stellte den Karton, den sie gerade aus dem Haus geholt hatte, zu den anderen in den Kofferraum und sah den Bauern an.
»Ja, Vater«, nickte sie, »ich ziehe zu Wolfgang. Er braucht meine Unterstützung.«
Hubert Sonnenleitner schüttelte den Kopf.
»Ich versteh’ dich net«, sagte er. »Der Kerl hat dich doch überhaupt net verdient. So ein Madl wie dich, das schickt man net einfach fort.«
Kathrin lächelte.
»Das wird er früher oder später schon selbst einsehen.«
»Ja, aber denk’ doch mal nach«, brauste ihr Vater auf. »Der Pahlingerhof geht unter den Hammer, so oder so, und dann liegt der Wolfgang dir auf der Tasche. Natürlich ist der Bursche gerissen. Er weiß, daß du net arm bist. Der will doch nur dein Geld!«
Die Tochter schüttelte unwillig den Kopf.
»Das stimmt überhaupt net«, widersprach sie. »Nix will er, net einmal mich.«
»Und trotzdem willst du dich als Magd bei ihm verdingen?«
»Ach was, verdingen. Ich arbeit’ umsonst, weil ich ihm helfen will. Und was die Zwangsversteigerung angeht, die ist heut’ morgen vielleicht schon vom Tisch.«
Hubert Sonnenleitner merkte, daß er da nichts ausrichten konnte und verlegte sich aufs Drohen.
»Kathrin, wenn du jetzt gehst, dann brauchst’ net mehr heimkommen«, sagte er. »Dann hast’ hier kein Zuhause mehr!«
Die junge Frau schluckte bei diesen harten Worten und unterdrückte die Tränen. Sie erwiderte den Blick ihres Vaters für einen Moment, dann drehte sie sich um und stieg in ihr Auto.
»Dann soll’s wohl so sein«, sagte sie noch, ehe sie den Motor startete und vom Hof fuhr.
Als sie jetzt in der Diele des Pahlingerhofes stand und aus dem Fenster blickte, dachte sie an diesen Moment zurück. Vielleicht würde sie ihren Vater niemals wiedersehen. Er konnte genauso dickköpfig sein wie Wolfgang.
Kathrin gab sich einen Ruck. Sie wollte nicht in wehmütiges Denken verfallen. Jetzt war sie hier und hatte eine Aufgabe.
Sie wandte sich vom Fenster ab und ging in die Küche. Da sie schon geahnt hatte, daß Wolfgang nur wenige oder gar keine Vorräte haben würde, war sie ins Dorf gefahren, ehe sie hierher kam, und hatte das Nötigste eingekauft. Indes fand sie in der Speisekammer doch noch ein paar nützliche Dinge, die ausreichten, um ein ordentliches Mittagessen zu bereiten.
Kurze Zeit später kochten Kartoffeln und Gemüse, in einer Pfanne brieten zwei panierte Schnitzel vor sich hin. Kathrin hatte den Boden in der Küche gewischt und den Tisch gedeckt. Sie goß die Kartoffeln ab und schwenkte das Gemüse in Butter. Auf einer kleinen Platte hatte sie das Fleisch angerichtet und auf den Tisch gestellt.
Sie ging zur Tür und öffnete sie. Wolfgang arbeitete fleißig und hatte die Grundmauern der Scheune freigelegt.
»Kommst du zum Mittagessen?« rief Kathrin ihm zu.
Der junge Bauer schaute kurz auf und nickte dann.
»Gleich.«
Sie schloß die Tür und ging in die Küche zurück. Dabei lächelte sie glücklich.
So hatte sie es sich immer vorgestellt; Wolfgang arbeitete und sie war die Hausfrau, die für ihren Mann das Essen kochte und ihn rief, wenn es fertig war.
Der junge Bauer kam kurz