Dr. Sommer errötete.
»Ach was«, wehrte er bescheiden ab. »Wie ich vorhin schon sagte…, ich gebe nur nicht so schnell auf.«
*
»Ich kann wirklich ein Baby bekommen?«
Zum ersten Mal, seit Dr. Daniel die junge Frau kennengelernt hatte, strahlte Chiara Sandrini über das ganze Gesicht, dann umarmte sie zuerst Dr. Daniel, dann Dr. Sommer und schließlich ihren Mann.
»Wir werden ein Baby haben, Elio.«
»Langsam, kleine Frau«, bremste Dr. Sommer ihren Optimismus noch ein wenig. »In ihrem Körper bestehen jetzt die besten Voraussetzungen dafür, aber das, was Dr. Daniel Ihnen auf Sardinien gesagt hat, dürfen Sie dennoch nicht außer acht lassen. Möglicherweise dauert es noch eine ganze Weile, bis Ihr normaler Zyklus wieder in Gang kommt. Laden Sie sich dann keinen unnötigen Streß auf, indem Sie voller Verbissenheit versuchen, schwanger zu werden.«
»Sie und Elio müssen die Vorwürfe Ihrer Eltern und Schwiegereltern versuchen zu vergessen«, fügte Dr. Daniel hinzu. »Sie können ein Baby haben, das allein muß für Sie jetzt wichtig sein. Wann es passieren wird, ist völlig egal. Gehen Sie entspannt und vor allen Dingen voller Liebe an diese Sache heran. Ein Baby zu zeugen, soll ja keine Pflichtübung sein. Vertrauen Sie ganz Ihrem Körper. Er bestimmt, wann der Zeitpunkt für eine Schwangerschaft gekommen ist, und lassen Sie sich darin von nichts und niemandem verunsichern.«
Chiara nickte. »Ich werde es versuchen, Herr Doktor, das verspreche ich Ihnen.«
*
Es war ein lauer Herbst-abend, den Dr. Daniel mit seiner Frau Manon und der kleinen Tessa auf dem Balkon genoß. Tessa hatte von ihrem großen Bruder ein Puzzle bekommen, mit dem sie sich eifrig beschäftigte.
»Ich befürchte, Stefan verwöhnt dich ein bißchen zu sehr«, meinte Dr. Daniel, doch seiner Stimme war anzuhören, daß er darüber bestimmt nicht böse war. »Mindestens einmal pro Woche bringt er dir etwas mit.«
Tessa war so vertieft in das Puzzle, daß sie gar nicht hörte, was ihr Vater sagte. Doch Manon nickte.
»Ich habe schon mit ihm geschimpft«, erklärte sie. »Aber mit seinem unwiderstehlichen Lächeln hat er gesagt, es würde ihm eben Spaß machen, Tessa mit solchen Kleinigkeiten zu verwöhnen.« Sie mußte lachen. »Was sollte ich darauf noch erwidern?«
»Gar nichts«, meinte Dr. Daniel amüsiert. »Ich kenne meinen Sohn schließlich und weiß, wie gut er argumentieren kann – vor allem, wenn er dabei lächelt. Damit hat er mich schon immer herumgekriegt, als er noch ein kleiner Junge war.«
»Glaub’ ihm kein Wort«, mischte sich Stefan ein. »Gerade mit mir konnte Papa immer gnadenlos streng sein.«
»Genauso schaust du auch aus«, meinte Manon schmunzelnd.
»Ich glaube, wir sollten dieses Thema nicht weiter vertiefen«, lenkte Stefan nun verschmitzt ab, dann reichte er seinem Vater ein Kuvert. »Für dich, Papa. Aus Sardinien.«
Dr. Daniel mußte gar nicht auf den Absender sehen, um zu erkennen, von wem dieser Brief kam. Rasch riß er das Kuvert auf und überflog die Zeilen, dann sah er Manon lächelnd an.
»Chiara Sandrini ist schwanger. Im Frühsommer wird sie ihr erstes Baby zur Welt bringen.«
»Das ist schön«, urteilte Manon. »Dann werden wir ihr Baby bei unserem nächsten Urlaub ja schon bewundern können.« Sie beugte sich zu ihrem Mann und küßte ihn. »Und du hast wieder einmal einen Fall zur vollsten Zufriedenheit gelöst.«
Dr. Daniel nickte. »Ja, ich freue mich sehr für die beiden. Es ist immer wieder…«
»Robert!« rief seine Schwester Irene in diesem Moment aus dem Wohnzimmer. »Anruf aus der Waldsee-Klinik! Eine Frau mir Unterleibsblutungen ist gerade eingeliefert worden!«
Ohne zu zögern stand Dr. Daniel auf. »Ihr entschuldigt mich, aber ich werde gebraucht.«
Manon sah ihm nach, dann seufzte sie leise. »Schade. Gerade jetzt wäre es so schön gemütlich geworden.«
»Das Schicksal einer Arztfrau«, urteilte Stefan. »Vor allem, wenn ihr Mann so pflichtbewußt ist wie mein Vater.«
Doch da lächelte Manon. »Ich bin doch froh, daß er so ist. Das ist ja einer von vielen Gründen, weshalb ich ihn so sehr liebe…«
– E N D E –
Im Laufschritt betrat Dr. Robert Daniel die Steinhausener Waldsee-Klinik. Eigentlich hätte er den lauen Herbstabend mit seiner Frau Manon und seinem kleinen Adoptivtöchterchen Tessa auf dem heimatlichen Balkon genießen wollen, doch ein alarmierender Anruf aus der Klinik hatte ihn hierher gehetzt.
»Robert, gut, daß Sie so schnell kommen konnten«, rief die Gynäkologin der Klinik, Dr. Alena Reintaler, erleichtert. »Fräulein Neubert ist gerade in den Untersuchungsraum gebracht worden.«
Dr. Daniel runzelte erstaunt die Stirn.
»Eva-Maria Neubert?« vergewisserte er sich, während er Alena in die Gynäkologie folgte.
Eine Antwort auf seine Frage erübrigte sich, denn jetzt betrat Dr. Daniel den Raum, wo sich Eva-Maria mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Untersuchungsliege zusammenkrümmte. Mit einem Schritt war Dr. Daniel bei ihr und nahm die Binde weg, die sich das junge Mädchen zwischen die Beine geklemmt hatte und die nun vollständig durchgeblutet war.
Forschend sah Dr. Daniel das junge Mädchen an. »Eva-Maria, bist du schwanger?«
Sie preßte die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf, doch dabei huschte eine verräterische Röte über ihr blasses Gesicht.
»Ich muß dich untersuchen, Eva-Maria«, erklärte Dr. Daniel, während er sich schon Plastikhandschuhe überstreifte.
Eva-Maria wimmerte leise vor sich hin, während der Arzt die Untersuchung vornahm. Dann streifte Dr. Daniel die Handschuhe ab und warf sie in den Abfall-eimer.
»Du warst ja doch schwanger.« Wieder sah er das junge Mädchen ernst an. »Sei ehrlich, Eva-Maria. Hast du versucht, das Kind wegzumachen?«
Heftig schüttelte sie den Kopf. »Ich habe plötzlich Bauchschmerzen bekommen, und dann hat es angefangen zu bluten. Bitte, Herr Doktor, das müssen Sie mir glauben.«
»Natürlich glaube ich dir«, versicherte Dr. Daniel, dann sah er Alena an. »Sofort OP bereitmachen. Es war offensichtlich keine vollständige Fehlgeburt. Ein Teil der Plazenta muß im Uterus zurückgeblieben sein.« Er wandte sich dem jungen Mäd-chen wieder zu. »Keine Angst, Eva-Maria. Du wirst jetzt ein bißchen schlafen, und wenn du aufwachst, ist alles wieder gut.«
Aufmerksam betrachtete er das Mädchen, dann griff er nach ihrem Handgelenk, um den Puls zu messen.
»90«, murmelte er besorgt, während er eiligst das Blutdruckmeßgerät holte. »100 zu 60.« Instinktiv ahnte er, wo er nach dem Grund für den drohenden Schockzustand suchen mußte, und tastete vorsichtig den Bauch der Patientin ab. Der Befund bestätigte seinen Verdacht. Rasch wandte er sich der eintretenden Schwester zu, die Eva-Maria in den Operationssaal bringen wollte. »Bianca, holen Sie mir schnellstens ein Infusionsbesteck.«
»Was ist los, Robert?« wollte der Anästhesist Dr. Jeffrey Parker wissen, der unbemerkt den Raum betreten hatte. »Ich dachte, wir bekommen einen Notfall ins OP?«
»Bekommen wir auch«, entgegnete Dr. Daniel. »Aber die Behandlung des Schocks ist im Moment vorrangig. Die Patientin hat vermutlich innere Blutungen.«
Dr. Parker nickte. »Ich kümmere mich darum.«
»Danke, Jeff. Ich gehe inzwischen in den Waschraum, damit ich nachher gleich mit