»Stefano!« Tessas glückliches Stimmchen fiel in Dr. Daniels Verteidigungsrede.
Stefan bückte sich und fing die Kleine auf, dann schenkte er ihr ein strahlendes Lächeln.
»Tessa, mein Goldspatz«, begrüßte er sie. »Ich hatte ja schon solche Sehnsucht nach dir.«
Ganz fest schlang die Kleine ihre Ärmchen um Stefans Hals. »Ich auch, Stefano.« Dann strahlte sie wieder über das ganze Gesicht. »Gerade haben mir Mama und Karina mein Zimmer gezeigt. Die schöne Puppe mit dem blonden Haar… ist die vielleicht von dir?«
Stefan nickte. »Gefällt sie dir?«
»Und wie!« bekräftigte Tessa, umarmte Stefan noch einmal voller Innigkeit und wollte dann wieder auf den Boden zurück. Hier in der Villa gab es ja noch so viel zu schauen und zu entdecken!
»Da kommt jetzt Leben in unser Haus«, meinte Stefan, als er dem eilig davonwieselnden Mädchen nachschaute.
»Worauf du dich verlassen kannst«, stimmte Dr. Daniel zu, doch sein glückliches Lächeln bewies, wie sehr er sich schon darauf freute.
*
Mit sehr gemischten Gefühlen kamen Chiara und Elio Sandrini nach München. Das fremde Land und die Tatsache, daß sich Chiara hier einer komplizierten Operation unterziehen mußte, verunsicherten Elio sehr, während die junge Frau ihre Angst noch immer nicht ganz überwunden hatte. Nach wie vor war sie nicht sicher, ob sie Elio letzten Endes nicht doch verlieren würde, wenn die Operation nicht den gewünschten Erfolg bringen würde.
Wie versprochen holte Dr. Daniel die Sandrinis vom Flughafen ab und brachte sie persönlich in die Klinik seines besten Freundes Dr. Georg Sommer. Dieser war dann auch schon darüber informiert, worum es bei Chiara ging. Auch die Röntgenbilder kannte er, und die Aufnahmen bereiteten ihm gewisse Kopfzerbrechen.
»Ich will ganz offen sein«, meinte er, als er vor Chiara, Elio und Dr. Daniel dargelegt hatte, wie er bei dem Eingriff vorgehen würde. »Eine Garantie kann ich nicht geben. Die Verwachsungen sind leider ziemlich ausgeprägt, und ich bin auch nur ein Arzt.«
»Aber einer der besten auf diesem Gebiet«, warf Dr. Daniel dazwischen.
Dr. Sommer schwieg dazu. Er ließ sich nicht gern als Genie hinstellen, weil er das seiner Meinung nach gar nicht war. Er tat für seine Patienten, was er konnte, aber manchmal war eben auch er machtlos.
»Ich werde mir jedenfalls die größte Mühe geben«, versprach er.
Mit ängstlichem Blick sah Chiara ihn an. »Ist es denn… völlig aussichtslos?«
»Nein, Signora Sandrini«, antwortete Dr. Sommer wahrheitsgemäß. »Wenn es aussichtslos wäre, dann würde ich überhaupt nicht operieren.« Er zögerte, dann räumte er ein: »Ich will auch zugeben, daß ich schon ein paarmal so schwere Fälle wie bei Ihnen erfolgreich operiert habe, aber wie gesagt – eine Garantie kann ich Ihnen nicht geben.«
Chiara wurde nach diesem Gespräch gleich stationär in der Klinik aufgenommen, während Dr. Daniel ihrem jungen Ehemann anbot, bei ihm in Steinhausen zu bleiben, bis Chiara wieder entlassen werden würde. Elio nahm das Angebot dankend an, blieb an diesem Abend aber noch sehr lange bei seiner Frau.
»Ich bin sicher, daß dieser Dottore Sommer dir helfen kann«, erklärte er, während er liebevoll ihre Hand hielt. »Hast du Vertrauen zu ihm?«
Chiara zögerte, dann nickte sie. »Ja, ich denke schon…, wenn auch nicht so viel wie zu Dottore Daniel.« Sie seufzte leise. »Wenn nur er die Operation machen könnte.«
»Er wird immerhin dabeisein.«
Chiara und Elio erschraken zutiefst, als von der Tür her die tiefe Stimme von Dr. Sommer erklang. Seine zwar spärlichen, aber doch vorhandenen Italienisch-Kenntnisse hatten es ihm erlaubt, Chiaras Worte zu verstehen. Jetzt trat er an ihr Bett und lächelte sie freundlich an.
»Es tut mir leid, Herr Doktor«, entschuldigte sich Chiara und wurde dabei über und über rot. »Sie müssen mich ja für sehr undankbar halten…«
»Nein, Signora Sandrini, ich halte Sie ganz bestimmt nicht für undankbar.« Er setzte sich ohne große Umstände auf die Bettkante. »Dr. Daniel ist seit vielen Jahren mein bester Freund, daher weiß ich, wie beliebt er bei seinen zahlreichen Patientinnen ist. Das kommt auch nicht von ungefähr, denn er ist nicht nur ein ausgezeichneter Arzt, sondern auch ein sehr warmherziger Mensch, zu dem man einfach Vertrauen haben muß.« Er lächelte. »Wissen Sie, ich habe schon bei dem Gespräch vorhin bemerkt, wie Sie zu Dr. Daniel stehen, deshalb habe ich ihm vorgeschlagen, daß er bei dem Eingriff zugegen sein soll. Er wird neben Dr. Kastner, den Sie heute ja auch schon kennengelernt haben, die zweite Assistenz übernehmen.«
Chiara brachte ein kurzes Lächeln zustande. »Vielleicht wird doch noch alles gut.«
*
Am nächsten Morgen wartete Chiara nervös und angespannt darauf, daß sie in den Operationssaal gefahren würde. Vor einer Stunde hatte sie bereits eine Tablette bekommen, die sie unter der Zunge hatte zergehen lassen müssen, und nun sollte sie eigentlich müde werden, doch ihre Nervosität stand dem anscheinend entgegen.
Dann wurde sie von zwei Pflegern in den Operationssaal hinuntergefahren, und hier erwartete Dr. Sommer sie schon. Er trug einen Mundschutz, und so erkannte sie ihn nur an den wachen blauen Augen, denen wohl nichts verborgen blieb, wie sie unwillkürlich denken mußte.
»Herr Doktor«, stieß sie ängstlich hervor. »Wenn ich nicht einschlafen kann, dann…, dann können Sie mich doch auch nicht operieren.«
Dr. Sommer lächelte, was nur an den kleinen Fältchen zu erkennen war, die sich um seine Augen bildeten.
»Keine Sorge, Signora San-drini, bis jetzt ist noch jeder meiner Patienten eingeschlafen, und ich bin sicher, daß auch Sie da keine Ausnahme machen werden.«
»Ich sollte auf die Tablette hin müde werden, aber das bin ich überhaupt nicht.«
»Das kommt noch«, versprach Dr. Sommer. »Unser Anästhesist wird Ihnen jetzt gleich ein Medikament in die Infusionskanüle spritzen, die man Ihnen vorhin gelegt hat, und dann werden Sie rasch einschlafen.«
Damit hatte Dr. Sommer nicht zuviel versprochen. Chiara sah nur noch, wie der Anästhesist die Spritze auf die Infusionskanüle steckte und den Inhalt so direkt in die Vene preßte. Nahezu im selben Moment hatte die Narkose ihre Wirkung erfüllt.
»Dann wollen wir mal«, meinte Dr. Sommer und trat an den Operationstisch.
»Tubus ist drin«, meldete sich der Anästhesist.
Dr. Sommer nickte, dann schaute er durch das spezielle Mikroskop auf die Operationsstelle und führte mit routinierter Sicherheit den Bauchschnitt. Dr. Kastner, der bei derartigen Operationen grundsätzlich die erste Assistenz übernahm, konnte auf der gegenüberliegenden Seite durch das Mikroskop sehen, während Dr. Daniel neben ihm das Operationsfeld über-blicken konnte.
»Meine Güte«, stieß Dr. Sommer hervor, als er einen ersten Blick auf die Eileiterverwachsungen werfen konnte.
Auch Dr. Daniel hielt unwillkürlich den Atem an. So schlimm hatte es nicht einmal auf den Röntgenbildern ausgesehen.
»Das ist ja aussichtslos«, meinte Dr. Kastner. »Die arme Frau wird nie Kinder haben können.«
Doch damit wollte sich Dr. Sommer jetzt nicht so einfach zufriedengeben.
»Wir versuchen es«, beschloß er. »Mehr als schiefgehen kann es ja nicht.« Er bemerkte, wie Dr. Daniel aufatmete, und warf ihm einen kurzen Blick zu. »Du kennst mich doch, Robert. Ich gebe erst auf, wenn ich überhaupt keine Chance mehr sehe.«
»Siehst du hier denn eine?«
Dr. Sommer zögerte mit der Antwort. Angestrengt blickte er durch das Mikroskop. Es schien wirklich fast aussichtslos zu sein.
»Sagen wir mal so…, ich möchte