Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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      »Aus Niederhelmern.«

      »Der Konrad Maurer hat Dir gesagt, was wir von Dir wollen?«

      »Ja!«

      »Und Du bist bereit?«

      »Lasst einmal selbst hören, Ihr Herren«, sagte vorsichtig oder noch schwankend der Bursche. »Erst lasst uns trinken!« sagte der Jude.

      Er schenkte die Gläser voll, Schnaps in das für Konrad Maurer, Wein in die für die andern. Die Kellnerin hatte alles gebracht.

      Konrad Maurer stürzte sein Glas hinunter und schenkte sich ein zweites ein.

      Der Bursche Bernhard trank ruhig, langsam.

      »Sprechen wir jetzt von unsern Geschäften«, sagte der Jude. »Berendche oder Bernhard, der Konrad Maurer hat mir gesagt, dass Du gern einen guten Taler Geld verdienen möchtest.«

      »Wenn es möglich ist«, nickte der Bursche.

      »Es hängt von Dir ab. Und auch, dass Du Courage hast, hat er mir gesagt.«

      Der Bursche nickte stumm.

      »Und dass Du jeden Weg und Steg hier im Gebirge kennst.«

      »Auf ein paar Stunden weit umher, ja.«

      »Auf ein paar Stunden weit umher haben wir Geschäfte hier. So weit geht der Kontrollbezirk. Weißt Du, was ein Kontrollbezirk ist?«

      »Fremde Waren dürfen innerhalb des Kontrollbezirks von den Zollbeamten angehalten und arretiert werden, außerhalb des Bezirks, also wenn sie schon über zwei Stunden weit in das Land hineingebracht sind, nicht mehr.«

      »Richtig; dann sind sie frei. Kennst Du das Städtchen Borgentreich? Es liegt gerade außerhalb des Kontrollbezirks.«

      »Ich kenne es und kenne jeden Weg dahin. Es ist von meinem Dorfe eine Stunde weit entfernt.«

      »Wirst Du heute Nacht unsere Leute sicher dahin führen?«

      »Sicher vor den Grenzbeamten?« fragte der Bursche.

      »So meine ich.« „

      »Was gebt Ihr mir, Herr Jude?«

      »Ich heiße Schlom Bendix, Bursche.«

      »Was gebt Ihr mir, Herr Schlom Bendix?«

      »Ich habe gesprochen von einem guten Taler, den Du solltest verdienen. Ich gebe Dir zwei Taler preußisch.«

      Der Bursche unterdrückte ein listiges Lächeln.

      »Wie viele Eurer Leute soll ich führen?« fragte er.

      »Fünf oder sechs.«

      »Und was tragen sie?«

      »Was werden sie tragen? Grobe Wollenwaren, etwas Kaffee und Zucker und Tabak.«

      »Woran nicht viel zu verdienen wäre?« fragte der Bursche mit einem unverhohlen listigen Blicke.

      »Weißt Du es besser?« sagte der Jude.

      »Ich denke, Schlom Bendix. Eure Leute tragen freilich auch Kaffee und Zucker und auch Wollenwaren, aber feine. Das alles ist aber Nebensache und nur zum Schein. Das meiste, was Ihr ins Land schmuggeln lasst, sind feine Seiden- und Pelzwaren, und daran verdient Ihr ein schweres Geld.«

      »Ganz Wunder«, sagte Schlom Bendix, »von wem hast Du Deine großen Nachrichten, Du gescheites Berndche?«

      »Ihr Herren Juden seid nicht allein die klugen Leute im Lande«, antwortete der Knabe.

      »Das sieht man an Dir, mein Bürschchen. Nun, bist Du zufrieden mit den zwei Talern?«

      »Für den Kopf, ja.«

      »Wie heißt für den Kopf?«

      »Das heißt: so viele Mann ich führe, soviel mal zwei Taler bekomme ich von Euch.«

      Schlom Bendix wandte sich an seinen Gefährten.

      »Ein gescheites Bürschchen, Aaron Levi! Ein rar gescheites Bürschchen. Schade, dass er nicht ist einer von unsere Leut’. Es könnte was werden aus ihm.«

      Aaron Levi zuckte mitleidig mit den Achseln.

      Bernhard Henke aber ließ sich nicht irre machen.

      »Ihr mögt mich höhnen, wie Ihr wollt, Ihr Herren Juden, betrügen werdet Ihr mich nicht. Ich weiß, was ich weiß.«

      »Und was weißt Du, Du Schaute?«

      Der Bursche sann einen Augenblick nach.

      »Warum sollte ich es Euch nicht sagen«, antwortete er dann. »So hört. Ihr müsst heute Nacht zum Joel Rosenberg in Borgentreich für mehrere tausend Taler Seiden- und Pelzwaren und andere kostbare Sachen schaffen. Noch heute Nacht. Morgen ist es zu spät. Der Regierungsrat aus Minden, der seit ein paar Tagen an der Grenze ist und hin und her reist und überall horcht und spioniert, weiß morgen, dass bei dem Joel Rosenberg Eure Niederlage ist, und er hat Vollmacht, hier zu tun, was ihm gut dünkt, und er wird mit dem Rosenberg nicht viele Komplimente machen und ihm das Haus umstellen lassen und im Hause ihm alles durchsuchen, unter den verborgenen Luken im Keller und in den doppelten Böden oben in den Stuben.«

      Die Juden erblassten.

      »Bursche, woher hast Du das?« rief Aaron Levi.

      »Dumme Schaute, es ist nicht wahr«, sagte Schlom Bendix.

      »Nicht wahr?« lachte der Bursche. »Ich sage Euch vielleicht nachher, von wem ich es habe. Hört jetzt noch etwas anderes. Der Mindener Regierungsrat hat Eure gewöhnlichen Schmuggelwege nach Borgentreich schon ausgekundschaftet und sie Euch verlegt. Darum müsst Ihr heute Nacht einen neuen Weg haben, und darum könnt Ihr den da nicht gebrauchen, der nur seine alten Wege kennt.«

      Er zeigte auf Konrad Maurer.

      Der Schnapssäufer hatte seine große Branntweinflasche fast geleert und lag schlafend in einer Ecke der Bank.

      Der Knabe fuhr fort:

      »Ihr schicktet ihn daher zu mir. Er hatte Euch von mir gesagt, dass ich das ganze Gebirge kenne, jeden Schleichweg darin, jeden Stein, jeden Baum in den Wäldern. Er hatte Euch auch gesagt, dass ich ein ehrlicher Bursche bin und dass ich die Preußen hasse, die meinen armen Vater — doch das gehört nicht hierher. Ihr wusstet also, dass ich Euch nicht verraten würde. Er hatte Euch aber auch weiter gesagt, dass ich ein armer Bursche bin und dass meine Mutter und Geschwister manchmal kein Brot im Hause haben. Da hattet Ihr gedacht, mich für ein Stück Brot zu bekommen. Aber darin habt Ihr Euch geirrt. Den da, den Konrad Maurer, habt Ihr für Euer Lumpengeld, weil er Euren Schnaps nicht mehr entbehren kann. Ihr könnt mich nicht entbehren. Nun, was gebt Ihr mir?«

      Die Juden hatten einander angesehen und sich gefasst.

      »Wolltest Du haben zwei Taler für den Mann«, sagte Schlom Bendix. »Teilen wir ehrlich. Du sollst haben für den Mann einen Taler.«

      Der Knabe lachte wieder.

      »Ich habe nichts mit Euch zu teilen. Ich will meine zwei Taler haben.«

      »Soll mich Gott strafen! Willst Du nichts lassen ab?«

      »Keinen Heller!«

      »Sollst haben Dein Geld, also zehn Taler im Ganzen.«

      »Zehn Taler im Ganzen? Kämen denn nur fünf Mann?«

      »Es werden kommen fünf Mann!« versicherte der Jude zweideutig.

      »Herr Schlom Bendix, Ihr selbst spracht schon von fünf oder sechs.«

      »Du sollst haben Deine zwölf Taler.·«

      »Wenn nur sechs Mann kommen, Herr Jude; sonst zwei Taler mehr für jeden Mann.«

      »Soll Gott meine Seele verdammen«, schwor Schlom Bendix.

      Aaron Levi aber sprang wütend auf, ergriff das Glas des Burschen und hielt es ihm hin.

      »Trink’,