Morde zwischen Rhein und Themse. Rita M. Janaczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita M. Janaczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959591270
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Sergeant Hank Miller. Überhören Sie einfach seine Sprüche.“ Whitefield hustete heiser bevor er fortfuhr. „Er ist halt so.“

      Hank nahm die Füße vom Tisch, stand auf, ging auf die neue Kollegin zu und blieb dicht, für Beverlys Geschmack zu dicht, vor ihr stehen. „Wenn Sie heute Abend noch ein Gläschen mit mir trinken gehen, dann läuft die Sache. Das hängt eigentlich nur von Ihnen ab.“ Er lächelte ölig. Als er ihr die Hand reichte war ihre reservierte Körperhaltung unübersehbar.

      „Das wird sich zeigen“, antwortete sie kühl.

      Whitefield räusperte sich gedehnt und setzte sich hinter seinen zugepackten Schreibtisch.

      „Zum Fall! Wir haben zwei Tote: Laurie Hardin am 15.August 1989 und Sheila Moreno am 05. März 1991, also fast zwanzig Monate später.“

      Stanton heftete Fotos der beiden Toten an die Pinwand. Irgendwie hatte Beverly völlig vergessen, wie Laurie Hardin ausgesehen hatte, doch jetzt stand ihr plötzlich nicht nur das Gesicht wieder klar vor Augen. Sie erinnerte sich an die helle, in weiß und grün eingerichtete Wohnung, auch an den imposanten weißen Flügel der Anwältin.

      Whitefield griff einen Block, auf dem einige in seiner unleserlichen Schrift gemachte Notizen standen, die an japanische Schriftzeichen erinnerten. „Beide ohne Anhang, aber mit Klavier. Beide auf die gleiche Weise gequält und ermordet. Mit altem chirurgischem Faden dilettantisch genäht. Es wurde nichts gestohlen. In beiden Fällen sah das Gästezimmer unbewohnt aus. Die Zeugin im Fall Sheila Moreno hat aber von einem Dauergast gesprochen, männlich, dunkelblond, gutaussehend und gepflegt. Habe ich die groben Details?“ Whitefield sah mit zusammengekniffenen Augen in die Runde der Ermittler.

      „In beiden Fällen war die Presse ärgerlicherweise vor uns da“, ergänzte Beverly, „wir sollten auch dieser Sache nachgehen. Diese Typen machen eine Menge kaputt.“

      „Wie gehen wir vor? Gibt es Hinweise?“, brummte Whitefield ungeduldig.

      „Wir sind bei Laurie Hardin von einem Einzelfall ausgegangen“, begann Sands. „Nach Sheila Morenos Tod ist klar, dass es sich um einen Serientäter handelt. Wir müssen also davon ausgehen, dass es noch mehr Opfer geben könnte. Da der Fall bereits an die Öffentlichkeit gedrungen ist, haben wir inzwischen eine Reihe von Anrufen erhalten. Einer dieser Anrufe könnte uns auf eine entscheidende Spur bringen. Er kam aus Birmingham, von einem Polizeirevier: ein Mordfall nach fast genau dem gleichen Muster. Die Ermordete war allerdings verheiratet.“

      „ Passt also nicht in unsere Schablone“, winkte Miller ab und steckte den nächsten Zigarillo an: „Wann war denn das?“

      „Der Tatzeitpunkt lag im Sommer 1965. Mehr weiß ich zur Zeit noch nicht“, antwortete Sands.

      „Ja klasse“, prustete Hank Miller los und verzog sein Gesicht zu einer peinlichen Grimasse, „das ist ja nur schlappe sechsundzwanzig Jahre her. Das ist ja der Hammer, ich glaube, ich bin im falschen Film!“

      Inspektor Sands schien durch Hanks Auftreten weder beeindruckt noch verunsichert. „Wenn es sich nicht um den gleichen Täter handelt, so könnte ein Nachahmungstäter den alten Fall aus Birmingham kennen“, ergänzte er. „Ich habe das Gefühl, das wir dieser Sache nachgehen sollten.“

      Whitefield strich sich mit den Fingern ums Kinn und kniff die Augen zusammen. Dann erhob er sich, ging ein paar Schritte, warf einen Blick auf die Fotos, räusperte sich dabei. „Könnte was dran sein, Harold“, er nickte zustimmend. „Sie fahren mit Henderson nach Birmingham. Ich will Details. Nehmen Sie den alten Fall auseinander. Mieten Sie sich notfalls ein Zimmer, falls es länger dauern sollte.“

      „Mieten Sie sich notfalls ein Doppelzimmer, lassen Sie ja nichts anbrennen, Inspektor“, spöttelte Miller gedämpft, doch Beverly konnte ihn hören. Sie betrachtete ihn. Er konnte ein seltsames Gemisch aus Wut und Eifersucht in seiner Miene nur schwer unterdrücken: „Lassen Sie sich Zeit mit den alten Kamellen“, rutsche es ihm überlaut heraus.

      „Wie schnell können Sie packen“, fragte Sands, an Patricia gewandt, und schob einige Unterlagen in seine Mappe. Millers Unverschämtheit schien er schlichtweg zu ignorieren.

      „Sechzig Minuten, dann können wir los.“ Sie griff nach ihrer Jacke. „Ach, Sergeant Miller. Aus unserer Verabredung heute Abend wird dann wohl nichts. Tut mir leid.“ Sie lächelte ihn mit ehrlicher Genugtuung an, bevor sie Harold Sands in den Korridor folgte.

      „Weiter“, Allister spielte mit einem Bleistift, deutete dann mit der Spitze in Millers Richtung. „Miller, finden Sie raus, wer bei der Presse Wind von der Sache gekriegt hat.“

      „Was ist mit meinem freien Tag?“ murrte er genervt.

      „Gestrichen. … Evans, Sie fahren zum Tatort. Benutzen Sie mal ihren sechsten Sinn. … Stanton, Sie halten die Stellung. Filtern Sie alle Hinweise.“

      Bill Stanton grinste. „Alle Hinweise in Sachen Nadelmörder aussortieren, die von Kurzwarengeschäften kommen.“

      „Halten Sie mich auf dem Laufenden“, legte Whitefield nach.

      „Presse, zum Kotzen. Ich kann wieder die Drecksarbeit machen“, zischte Miller. „Jedes Mal kann ich diesen Mist machen aber irgendwann ist Schluss.“ Er erhob sich, verließ das Büro und schlug die Tür gut hörbar hinter sich zu.

      „Das wär’s.“ Der Superintendent setzte sich und legte eine Handvoll Unterlagen auf den schon seitlich geneigten Stapel. „Stanton, Sie bleiben noch.“ Whitefield winkte ihn zu sich und nickte Beverly zu. Sie war froh, das verrauchte Büro verlassen zu können. Irgendwann schieb ich dir deine stinkenden Zigarillos sonst wo hin, Miller.

      Beverly folgte dem Korridor in Richtung Treppenhaus. Dort stand eine Gruppe von Leuten, die sich, wie war es anders zu erwarten, um Hank Miller scharte. Es waren mehrere junge Kollegen einer anderen Abteilung, die Beverly nur vom Sehen kannte. Jung und unerfahren, auch was Miller anging. Er redete, gestikulierte und lachte ungeniert. Er schien schon wieder bei bester Laune. Beverly ging auf die Runde zu, und als der Name Sands fiel, blieb sie wie beiläufig stehen.

      „Wie lange arbeitet Sands jetzt schon beim Yard? Und hat irgendjemand je seine Frau gesehen? Whitefield vielleicht. Aber der ist ja auch kein Maßstab. Sands hat nicht einmal ein Bild von ihr auf dem Schreibtisch. Ich sag euch was, Jungs. Seine Alte ist so grottenhässlich, dass er sie im Keller versteckt.“ Miller grinste über das ganze Gesicht.

      „Du bist ein Mistkerl“, konstatiere Beverly, „ du kannst es nicht ertragen, dass Sands mit Henderson nach Birmingham fährt.“

      „Darüber solltest du dir lieber Gedanken machen, Evans.“

      „Es liegt wohl an deiner schleppenden Karriere, dass du ständig geistlose Geschichten über ihn verbreitest.“

      „Ach, Beverly, unsere rote Hexe. Hängst dich ja wieder mächtig weit für ihn aus dem Fenster. Aber was soll’s, es weiß hier ohnehin jeder, dass du scharf auf ihn bist. Schlechte Karten für dich, Schätzchen. Ab heute vögelt er Blondie.“

      „Du solltest zur Abwechslung mal dein Hirn anschalten, Miller.“ Idiot! Sie schob sich an der kleinen Gruppe vorbei, Richtung Ausgang.

      „Fühl dich nicht so sicher Evans, ich weiß mehr über deine kleinen Affären, als du denkst“, giftete er ihr hinterher.

      Das saß. Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Beverly hatte Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Sie ging mit raschen Schritten weiter zur Tür. Als sie das Schnappen des Schlosses hinter sich hörte, sog sie die kalte feuchte Luft tief in sich ein.

      Er blufft nur. Er kann nichts wissen. Niemand beim Yard hatte irgendetwas von ihrer Beziehung zu Edward mitbekommen. ...es sei denn, er selbst hätte...? Nein, er hatte mit Sicherheit zu niemandem etwas gesagt, schon gar nicht zu Miller. Er und Miller waren sich immer aus dem Weg gegangen, außerdem war dieser Dreckskerl ja für sein loses Mundwerk bekannt. Wenn du willst, dass alle in Windeseile Bescheid wissen, so sag’s Miller im Vertrauen. ... In einem