Drei Patientinnen kamen vor Sonja an die Reihe, dann führte Bettina Wendler die junge Frau herein. Dr. Lindau erhob sich, ging auf sie zu und reichte ihr die Hand. »Sie haben sich also entschlossen, mich zu konsultieren. Wie Sie wissen, bin ich Frauenarzt.«
»Ja, ich weiß!« Sonjas Kopf sank auf die Brust.
»Dann kommen Sie, bitte!« Er deutete auf den Stuhl, der seinem Schreibtisch gegenüberstand.
Sonja rührte sich nicht. Sie stand da, starrte auf ihre Schuhspitzen, ihre Wangen hatte sich rot gefärbt. Sie war unsicher, verlegen. Dr. Lindau erkannte das. »Handelt es sich um eine Untersuchung?«
Sonja trat einen Schritt zurück, sie antwortete nicht.
»Frau Baldau, sind Sie zu mir gekommen, weil Sie Beschwerden haben?«
»Ich weiß nicht.«
Der Chefarzt griff nach ihrem Arm. Da sah sie ihn an. »Ich weiß nicht mehr weiter, Herr Doktor! Ich will meinen Mann nicht länger enttäuschen. Dabei ist es sowieso schon fast zu spät.«
»Kommen Sie!«, bat Dr. Lindau erneut. Er nahm ihren Arm und führte sie zum Stuhl. »Ich bin Frauenarzt. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie völlig offen sind. Nur so kann ich Ihnen helfen.«
»Glauben Sie wirklich, dass Sie mir helfen können?« Sonja sah ihn an. »Ja, ich hoffe es«, beantwortete sie sich die Frage selbst. »Deswegen bin ich hier.« Sie setzte sich, Dr. Lindau ging zu seinem Stuhl. Er nahm ebenfalls Platz, dann sah er sie fragend an.
Sonja hatte die Handflächen gegeneinandergelegt, mit der Zungenspitze befeuchtete sie sich die Lippen. »Wie Sie wissen, habe ich mit meinem Mann schon vor der Hochzeitsreise zusammengelebt. Ich habe also keine Erfahrungen.« Sie schwieg, sah auf ihre Hände.
»Ich kann Ihnen folgen«, meinte Dr. Lindau. Beruhigend lächelte er ihr zu, doch sie sah es nicht. Schließlich brach er das Schweigen. »Wollen Sie mir nicht von Ihren Problemen erzählen?«
Sonja nickte. »Mein Mann glaubt, dass ich ihn betrüge, und das nur, weil ich keinen Spaß mehr daran habe. Es stimmt, wenn er sagt, dass ich ihm ausweiche.«
Da sie wieder schwieg, fragte Dr. Lindau: »Und warum weichen Sie ihm aus?«
Sonja atmete nochmals tief durch, und dann begann sie zu sprechen. So erfuhr Dr. Lindau von den Schwierigkeiten, die in der jungen Ehe herrschten. Sonja liebte ihren Mann genauso wie am ersten Tag, doch das Zusammensein mit ihm bereitete ihr Schmerzen.
»Bin ich nun keine richtige Frau mehr, Herr Doktor?« Voller Verzweiflung sah sie ihn an. »Ich kann meinen Mann sogar verstehen. Er glaubt mir nicht mehr, dass ich ihn liebe.«
»Haben Sie diese Schmerzen schon lange?«
»Sie wurden in den letzten Wochen immer stärker. Auf der Hochzeitsreise war es dann besonders schlimm.«
Dr. Lindau schüttelte den Kopf. »Warum haben Sie nicht sofort einen Frauenarzt aufgesucht?«
»Ich wollte nicht … Ich dachte, es legt sich wieder.«
»Haben Sie Blutungen?«, fragte Dr. Lindau jetzt gezielt.
»Nein, das heißt ganz selten. Normalerweise habe ich auch keine Schmerzen. Herr Doktor, was ist denn los mit mir?«
»Um Ihnen das genau sagen zu können, müssen Sie untersucht werden. Wann waren Sie zum letzten Mal bei einem Frauenarzt?«
»Ich weiß nicht, ich glaube, das war, als ich zum ersten Mal die Periode bekam. Damals hatte ich große Beschwerden. Die Blutungen wollten nicht aufhören.«
»Seither sind Sie nie wieder gewesen?« Dr. Lindau konnte es nicht glauben.
»Es war nicht notwendig. Ich hatte nie wieder Beschwerden bis …, bis …«
»Bis vor einigen Monaten«, ergänzte Dr. Lindau. »Sie hätten wirklich früher einen Frauenarzt aufsuchen sollen.«
Sonja richtete sich etwas auf. »Es gab dazu keine Veranlassung. Es war alles in Ordnung. Natürlich, wenn ich schwanger geworden wäre, dann hätte ich sofort einen Frauenarzt aufgesucht. Aber damit wollten Moritz und ich noch etwas warten.«
»Gut, dann machen Sie sich jetzt frei.«
»Sie wollen mich jetzt untersuchen?«
»Ohne eine Untersuchung kann ich keine Diagnose stellen.«
»Sie glauben also auch, dass mit mir irgendetwas nicht in Ordnung ist? Vielleicht ist es besser, wenn ich mich von Moritz trenne.«
»Viel vernünftiger wäre es gewesen, Sie hätten Ihrem Mann von Ihren Schmerzen erzählt. Er hätte dann sicher Rücksicht genommen.«
»Nein! Bitte, Herr Doktor … Moritz darf nicht erfahren, dass ich Beschwerden habe. Ich will ihn nicht verlieren. Bitte, Herr Doktor, Sie müssen mir helfen! Ich mache alles, was Sie sagen.«
Unwillkürlich sah Dr. Lindau auf das Krankenblatt, das seine Assistentin angelegt hatte. Sein Blick fiel auf das Geburtsdatum der jungen Frau. Sie hatte vor zwei Monaten ihren einundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Er hatte Frauen kennengelernt, die in diesem Alter schon sehr reif waren … Sonja gehörte sicher nicht dazu.
»Ich werde Sie untersuchen.« Dr. Lindau ließ das Krankenblatt wieder sinken, deutete auf den Vorhang. »Dort hinten können Sie Strümpfe und Slip ausziehen, dann setzen Sie sich bitte in den Untersuchungsstuhl.«
Diesmal kam Sonja seinem Wunsch nach. Während sie sich entkleidete, ging Dr. Lindau bereits zum Waschbecken.
Die Untersuchung dauerte nicht lange. »Sie können sich wieder anziehen«, sagte er bereits nach wenigen Minuten. Er ging nicht auf ihren fragenden Blick ein, sondern setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch und versah das Krankenblatt mit einigen Notizen.
Zögernd kam Sonja hinter dem Vorhang hervor.
»Setzen Sie sich wieder«, meinte Dr. Lindau freundlich. »Ich glaube, den Grund Ihrer Schmerzen herausgefunden zu haben. Es handelt sich um einen Tumor in der Nähe der Gebärmutter. Wir werden am Nachmittag nochmals eine genaue Untersuchung vornehmen.«
»Ein Geschwür? Herr Doktor, sagen Sie mir die Wahrheit! Habe ich Krebs?«
»Krebs, aber Kind! Ich sprach von einem Tumor. Ich nehme an, dass es sich um ein Myom der Gebärmutter handelt. Alle Anzeichen sprechen dafür. Genaueres kann ich Ihnen aber erst nach einer weiteren Untersuchung sagen.«
»Sie müssen mir nichts vormachen, Herr Doktor. Ich habe doch gespürt, dass mit mir etwas nicht in Ordnung ist.«
»Dieser Tumor ist in den letzten Monaten gewachsen, und daher bereitete er Ihnen Schmerzen. Es wird kein Problem sein, Ihnen zu helfen. Trotzdem kann ich Ihnen einen Vorwurf nicht ersparen. Bereits bei den ersten Anzeichen hätten Sie einen Frauenarzt aufsuchen sollen.«
Sonja saß wie versteinert auf ihrem Stuhl. Die letzten Worte Dr. Lindaus hatte sie überhaupt nicht gehört. »Also doch!« Dann, völlig unerwartet, schlug sie die Hände vor das Gesicht, sie begann zu schluchzen. Dr. Lindau erhob sich, ging um den Schreibtisch herum, legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Ich bin keine richtige Frau mehr! Ich werde Moritz nie mehr lieben können!« Sie schluchzte so sehr, dass sie kaum sprechen konnte. »Kein Wunder, wenn er sich eine andere suchen will.«
»Sonja!« Dr. Lindau hielt ihre Schulter umspannt und schüttelte sie. »Was Sie da sagen, ist doch Unsinn! Haben Sie nicht gehört, ich kann Ihnen helfen. Ich werde Sie am Nachmittag nochmals genauer untersuchen. Ein Myom ist überhaupt kein Problem. Unzählige Frauen leiden darunter.«
Sie ließ die Hände sinken. »Ich kann