Die Klinik am See Staffel 3 – Arztroman. Britta Winckler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Britta Winckler
Издательство: Bookwire
Серия: Die Klinik am See Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740943011
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kommt?«

      »Sie hat es doch versprochen.« Gelassen lehnte Hendrik sich zurück und schlug die Beine übereinander.

      »Und warum ist sie dann noch nicht da?«

      Jetzt lächelte Hendrik offen. »Wir haben keinen genauen Zeitpunkt ausgemacht. Sie kann auch in der Klinik aufgehalten worden sein. Anja ist sehr gewissenhaft.«

      »Eine Perle!« Jochen hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Ich habe es ja immer gesagt.«

      »Wenn du so in Sorge bist, dann kannst du ja in der Klinik anrufen.« Hendrik deutete auf das Tischchen, auf dem der Telefonapparat stand.

      »Lieber nicht! Man sollte einer Frau nie zu deutlich zeigen, dass sie einem etwas bedeutet. Hast du das schon vergessen?«

      Hendrik legte die Fingerspitzen seiner Hände gegeneinander. Ohne Bedauern sagte er: »Ich habe mich nie an diese Regeln gehalten.«

      »Natürlich, deine einzige große Leidenschaft ist der Beruf.«

      Nachdenklich nippte Hendrik an seinem Glas. »Ich habe meine Frau geliebt. Die ersten Jahre nach ihrem Tod habe ich jede Frau mit ihr verglichen.«

      »Und jetzt?«

      »Jetzt habe ich meine Arbeit. Sie füllt mich aus.«

      In dieser nachdenklichen Stimmung hinein platzte Dr. Anja Westphal. Amüsiert beobachtete Hendrik, wie Jochen aufsprang. Er half Anja aus der Jacke. Er zeigte sich wirklich von seiner charmantesten Seite.

      Eine Zeit lang beteiligte Hendrik sich noch an dem Gespräch der Kollegen. Man sprach auch über Lugano und über den Erfolg, den er mit seinem Referat erzielt hatte. Dann kam man auf die gemeinsame Studienzeit zu sprechen, und seine Gedanken gingen eigene Wege. Wieder einmal dachte er an seine Abreise von Lugano.

      »Hendrik! Wo bist du mit deinen Gedanken?« Anjas Hand kam zu ihm herüber. »Wir haben gefragt, ob du dich noch an Roland erinnern kannst?«

      »An wen? Entschuldigt, ich war in Gedanken noch in Lugano.« Er sah Jochen an. »Erinnerst du dich an den Morgen meiner Abreise? Du hast im Frühstücksraum auf mich gewartet.«

      »Du wolltest telefonieren.« Jochen sah zu Anja hin. »Da ist mir bewusst geworden, wie sehr ich ihn beneide. Er kann einfach ans Telefon gehen, dann hört er deine Stimme.«

      »Es hindert dich niemand daran, ebenfalls in der Klinik anzurufen. Wenn ich nicht gerade bei einer Entbindung gebraucht werde, komme ich sofort ans Telefon.«

      »Das merke ich mir. Ich lasse ganz sicher von mir hören. Bei dieser Gelegenheit möchte ich gleich eine Einladung aussprechen. Komm doch einmal nach München!« Jochen merkte, dass Anja zögerte. »Wenn du einen Anstandswauwau brauchst, dann lade ich eben Hendrik auch ein.«

      »Es kommt selten vor, dass wir beide außerhalb sind. Im Grunde zieht es mich auch nicht nach München. Wir können aber Hendrik fragen, was er davon hält.« Anja wandte den Kopf nach Hendrik.

      »Ja?« Wieder hatte Hendrik von dem Gespräch der beiden nichts mitbekommen.

      »Nun möchte ich aber doch wissen, wo deine Gedanken sind. Jochen ist schließlich nicht jeden Tag in Auefelden.«

      »Wir sprachen vorhin von Lugano, und da fiel mir wieder das Ehepaar Baldau ein. Frau Baldau hielt mich damals in der Hotelhalle auf, daher musste Jochen warten. Du weißt, dass ich ihren Mann kürzlich getroffen habe.«

      Anja nickte bestätigend. »Der Busfahrer!«

      »Seinem Vater gehört das Busunternehmen. Aber das spielt keine Rolle.« Hendrik wandte sich an Jochen. »Ich wurde in ein Eheproblem verstrickt. In unserem Hotel lernte ich ein junges Ehepaar kennen, das sich auf seiner Hochzeitsreise befand.«

      Da Hendrik schwieg, ergänzte Anja: »Hendrik nahm die junge Frau mit nach Deutschland.«

      »Richtig!« Jetzt fiel bei Jochen der Groschen. »Hendrik hat mir bereits in Lugano von dem Ehepaar erzählt. Wenn ich mich richtig erinnere, hast du damals versucht zu vermitteln.« Jochen war jetzt interessiert. Zu Anja sagte er: »Ich habe Frau Baldau auch gesehen, eine hübsche junge Frau.«

      »Der Mann dieser jungen Frau behauptet, dass ihm Hörner aufgesetzt werden«, meinte Anja. Hendrik hatte ihr bereits von seinem Gespräch mit Herrn Baldau erzählt.

      »Ich glaube das nicht!« Hendrik sagte es heftiger als beabsichtigt. »Diese Frau liebt ihren Mann, das habe ich gespürt.«

      »Spielst du nun auch noch den Eheberater?«, spöttelte Jochen.

      »Du hast ja recht, mich gehen die Probleme dieses Ehepaares wirklich nichts an. Ich fand sie nur beide sympathisch, auch Herrn Baldau, obwohl ich nicht seiner Meinung bin.«

      »Mich würde es nicht wundern, wenn diese hübsche junge Frau einen Liebhaber hätte.« Jochen hielt Hendrik sein leeres Glas hin. Hendrik übersah es.

      »So etwas darfst du nicht sagen.« Anja lachte. »Er ist nun einmal von der Unschuld dieser jungen Frau überzeugt, und wenn du das Gegenteil behauptest, dann bekommen wir überhaupt nichts mehr zu trinken.«

      »Entschuldigt!« Hendrik wurde wieder zum Gastgeber. Er füllte die Gläser, brachte Gebäck zum Knabbern. »Ich kann euch nicht beweisen, dass ich recht habe. Bei diesem Ehestreit geht es nicht um Betrug. Ich glaube, zwei Menschen reden da aneinander vorbei. Herr Baldau sagt, dass er seine Frau liebt. Sie sagt, dass sie ihn liebt. Ich bin froh, dass ich zu alt für die Liebe bin.«

      »Moment, da muss ich aber heftig protestieren! Ich fühle mich noch jung!« Jochen schenkte seiner Kollegin einen verliebten Blick. »Anja, du musst mich nur lassen, ich werde es dir beweisen.«

      Lächelnd setzte sich Dr. Lindau wieder. Er war nur ein Jahr älter als Jochen, fühlte sich aber bedeutend älter. Vielleicht lag es daran, dass Jochen immer noch Junggeselle war. Offensichtlich hatte er die richtige Frau noch immer nicht gefunden.

      *

      Dr. Astrid Merstens blieb bei der Oberschwester stehen. »Wissen Sie, wo mein Vater ist?«

      »Ach richtig, der Chef wollte heute pünktlich Feierabend machen«, erinnerte sich Schwester Erna. »Haben Sie schon in seinem Büro nachgesehen?«

      »Dort war ich zuerst. Ich kenne Papa doch, er vergisst immer wieder die Zeit.«

      Die Oberschwester dachte nach. »Ich sah vorhin Dr. Westphal, sie ging ins Labor. Vielleicht ist Ihr Vater dort.«

      »Danke!« Astrid verlor keine Zeit. Rasch drehte sie sich um und eilte Richtung Labor. Der heutige Abend gehörte der Familie. Papa hatte das versprochen, und sie würde ihn gleich mit nach Hause nehmen. Wer weiß, wann er sonst kommen würde. Am Ende lag dann ihr Sohn schon im Bett, und der Großvater hatte wieder einmal nichts von seinem Enkel. Sie öffnete die Tür zum Labor, trat ein. Hinter einem Regal entdeckte sie Dr. Westphal, ihr Vater war aber nirgends zu sehen.

      »Astrid, suchen Sie etwas?«, fragte Anja. Sie kam hinter dem Regal hervor.

      »Meinen Vater!« Astrid verzog das Gesicht. »Wir wollen heute einmal in Familie machen. Können Sie mir sagen, was ihn wieder aufhält und wo er sich überhaupt befindet?«

      »Ich nehme an, dass er noch in der Sprechstunde ist.«

      »Aber die sollte doch schon längst vorbei sein.«

      Anja zuckte die Achseln. »Es war ein großer Andrang heute, das habe ich noch mitbekommen.«

      »Dann werde ich dafür sorgen, dass Papa jetzt Schluss macht. Morgen ist auch noch ein Tag!« Astrid sagte es energisch.

      »Tun Sie das! Ich weiß, dass er sich auf seinen Enkel freut.« Freundlich nickte sie Astrid zu.

      Astrid ging ins Erdgeschoss. Dort gab es einige Bänke, die ihr Vater für die Sprechstunde benutzte. Sie öffnete das Wartezimmer, zwei Frauen im Morgenrock saßen darin. Dies waren Patientinnen der Klinik. Die konnte ihr Vater genauso gut morgen untersuchen. Die dritte Frau kannte sie nicht. Astrid schloss die Tür wieder und ging in