»Hast du nicht schon genug getrunken? Ich würde sagen, ein Kaffee wäre für dich genau das Richtige.«
»Einverstanden! Ich trinke auch Kaffee. Dir spendiere ich jedoch Champagner.«
Hilga zuckte die Achseln. Offensichtlich wollte er ihre Anspielung nicht begreifen. Wie unschuldig und süß er war! Sie beugte sich wieder zu ihm hinunter und flüsterte ihm zu: »Ich freue mich auf den Rest des Abends.«
Ihre Stimme vibrierte, sie trieb ihm das Blut in die Wangen. »Ich mich auch«, versicherte er. Er wollte wieder nach ihr greifen, doch sie war schneller, wandte sich von der Theke ab. Jetzt sah Moritz auf die Uhr. Die halbe Stunde musste doch schon bald vorbei sein! Er wartete jetzt voller Ungeduld darauf. Er beobachtete Hilga, die an einigen Tischen abzukassieren begann, beglich dann selbst die Rechnung. Dann war es so weit. Die letzten Gäste verließen den Gastraum. Nur er blieb sitzen und wartete auf Hilga. Wenig später stand sie vor ihm.
»So! Was nun?« Unter halb gesenkten Augenlidern sah sie ihn an. Wenn sie ihn richtig verstanden hatte, dann war seine Frau nicht da. Sie war bereit dafür zu sorgen, dass er sie endgültig vergaß. Ihre vollen Lippen öffneten sich zu einem Lächeln.
Moritz kam auf die Beine. Er grinste, sein Blut war in Wallung. Vergessen war die leere Wohnung. »Worauf warten wir noch? Ich habe dir Champagner versprochen.«
»Also dann!« Sie ließ sich von ihm in die Jacke helfen. Auf der Straße hängte sie sich unbefangen bei ihm ein, und Moritz fand wieder, dass sie eine tolle Frau war.
Die Bar, die Moritz aufsuchen wollte, lag an der nächsten Straßenecke, und er bedauerte, dass sich Hilga von ihm löste, als sie vor dem Eingang angelangt waren. In der Bar herrschte reger Betrieb. Hilga steuerte eine Nische an, sie wollte mit ihm allein sein.
Moritz bestellte Champagner. »Und eine Tasse Kaffee«, fügte er hinzu, da kam jedoch ihre Hand über den Tisch zu ihm herüber.
»Den Kaffee trinken wir später«, sagte sie. Als der Kellner sich entfernt hatte, schenkte sie ihm einen tiefen Blick. »Ich kann sehr gut Kaffee kochen.«
Moritz war langsam im Begreifen, aber dann kapierte er doch. Sekundenlang starrte er sie mit offenem Mund an. »Ich weiß nicht, wo du wohnst.«
Sie beugte sich ihm entgegen. »Willst du es denn nicht herausfinden?«
»Ich …« Er schluckte. »Selbstverständlich begleite ich dich nach Hause. Ich bin doch ein Gentleman. Niemand kann von mir das Gegenteil behaupten. Und da ich nicht einmal Kaffee kochen kann, bin ich sehr dankbar, wenn du dies tun würdest.«
»Habe ich mir doch gedacht, dass du kein Hausmann bist.« Sie strich sachte über seinen Handrücken. »Du hast andere Qualitäten.«
Ihm wurde warm. Er wollte ihre Hand einfangen, aber da hatte sie diese schon zurückgezogen. Er streckte sich. »Das hoffe ich!«
»Bei mir musst du nicht Kaffee kochen können.« Sie lächelte. »Den Kaffee mache ich.«
»Das ist ein Angebot!« Moritz lächelte breit, er fing an, sich wohlzufühlen. Der Champagner wurde gebracht, er schäumte in den Gläsern.
Übermütig stieß Moritz mit seinem Glas gegen das ihre. »Vielleicht kannst du mir das Kaffeekochen beibringen? Ich bin sehr gelehrig.«
»Ich kann noch mehr als Kaffee kochen«, versicherte Hilga ohne Scheu. Sie wusste, was sie wollte. Wenig später hatte sie Moritz so weit, dass er sie zur Tanzfläche führte. Wange an Wange tanzten sie. Als sein Arm sich enger um ihre Taille legte, gab sie sofort dem Druck nach und schmiegte sich an ihn.
»Du bist ein wundervoller Tänzer«, hauchte sie.
»Das hat mir noch niemand gesagt.« Moritz war entzückt. »Sonja behauptet, dass ich mich auf der Tanzfläche wie ein Elefant benehme.«
»Sonja?« Hilga warf ihren Kopf zurück. »Heißt deine Frau nicht so?« Sie schob ihre Unterlippe nach vorn. Die Erwähnung dieses Namens gefiel ihr ganz und gar nicht.
»Ja! Sonja hat sowieso laufend etwas an mir auszusetzen, dabei versuche ich, ihr alles recht zu machen.«
Hilga drehte den Kopf zur Seite, sie lehnte sich zurück. Dadurch kam er aus dem Takt. »Was hast du?«
Sie zog die Luft ein. »Hat deine Frau etwas, was ich nicht habe?«, fragte sie scharf.
»Ich weiß nicht …« Moritz geriet ins Stocken. »Ich dachte, Sonja zu kennen. Nie hätte ich gedacht …«
»Vergiss sie! Ich bin hier, sie ist weg.« Ihre Augen wurden zu Schlitzen.
Moritz nickte gehorsam. Er wollte sie wieder an sich ziehen, doch sie stemmte ihre flache Hand gegen seine Brust.
»Ich nehme dich so, wie du bist«, flötete sie. »Nur musst du dann Sonja vergessen. Ich helfe dir gern dabei.« Da waren ihre vollen roten Lippen, die sie verführerisch spitzte.
»Sonja … Ich habe sie bereits vergessen«, sagte er gepresst. Als Dank legten sich ihre Arme um seinen Nacken, und ihr Mund berührte seine Wange.
*
Sonja Baldau hatte noch einmal in Auefelden übernachtet. Nach dem Frühstück stieg sie in ihr Auto und fuhr langsam nach Rosenheim zurück. Sie glaubte, viel Zeit zu haben, denn sie erwartete ihren Mann erst gegen Abend.
Das Häuschen, in dem sie mit ihrem Mann wohnte und das ein Hochzeitsgeschenk seiner Eltern gewesen war, lag am Stadtrand. Sonja wollte ihr Auto in die Garage fahren, da sah sie den Wagen ihres Mannes. Erregung ergriff sie. Sie ließ ihr Auto vor der Garage stehen und eilte rasch auf das Haus zu. Sie drückte die Klinke herunter, die Haustür war nicht verschlossen.
»Moritz!« Sonja eilte durch den Flur. »Moritz, wo bist du?« Sie öffnete die Tür zum Wohnzimmer, es war leer. Sie kehrte auf den Flur zurück. Wo war ihr Mann? Da sah sie, dass die Küchentür nur angelehnt war. Rasch eilte sie hin und stieß sie weiter auf. Ihr Mann saß am Küchentisch. Die Ellbogen hatte er aufgestützt, er rührte sich nicht.
»Moritz!« Sie blieb stehen, merkte die Abwehr, die von ihm ausging. »Bist du schon lange hier? Ich dachte, du kommst erst gegen Abend zurück.«
Er bewegte sich nicht.
»Moritz, ist etwas passiert? Warum bist du schon da?« Sie machte einen Schritt, blieb dann wieder stehen. »Bitte, sag doch etwas!«
Langsam wandte er sich ihr zu. »Wo bist du gewesen?«
»Ich …, ich war in der Stadt. Ich …«
»Du musst mir nichts vormachen!« Unter seinem finsteren Blick gefror sie. »Ich bin gestern bereits zurückgekommen.«
Sonja rang nach Luft. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Der Boden unter ihren Füßen schien nachzugeben. »Ich dachte …, du wolltest doch erst heute zurückkommen.«
Er sah ihre Verzweiflung nicht, auch nicht, dass sie hilflos die Hände nach ihm ausstrecke.
»Natürlich dachtest du das!« Er lächelte spöttisch auf. »Sonst wärst du hier gewesen, und ich wüsste noch immer nicht, was hier während meiner Abwesenheit gespielt wird. Ich lasse mich nicht länger von dir zum Narren machen!« Sein Brustkorb hob und senkte sich, mit starrem Blick wollte er an ihr vorbei. Da streckte Sonja erneut ihre Hand aus.
»Bitte, Moritz! Hör mich doch an!« Sie hielt ihn fest. »Ich war in Auefelden.«
Im ersten Moment sagte Moritz der Ortsname nichts. Sie stand jetzt dicht vor ihm. So heftete sich sein empörter Blick auf sie. »Ich hoffe, du hast dich gut amüsiert. Ich habe dies jedenfalls getan.«
»Bitte, Moritz, versteh doch!«, flehte sie. »Ich war in Auefelden!« Mit leicht geöffneten Lippen sah sie ihn an, hoffte auf ein Begreifen.