ONE TO GO - Auf Leben und Tod. Mike Pace. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Pace
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351271
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      »Janie und ich gehen mal in die Küche und trinken eine Cola, sodass ihr in Ruhe reden könnt«, sagte Tom.

      Gino nickte. »Zieh deine Jacke aus und machs dir gemütlich.«

      »Danke, ich lasse sie an. Es ist ein bisschen kühl hier drin.« Er ging in die Küche, dicht gefolgt von Janie. Sie setzte sich an den Küchentisch und Tom goss für beide ein Glas Coke ein. Wenn er jemals eine Kleinigkeit gebraucht hatte, um seine Nerven zu beruhigen, dann jetzt. Er öffnete Ginos Hausbar, fand eine halb volle Flasche Jack und goss zwei Finger davon auf seine Coke.

      »Muss Onkel Gino ins Gefängnis?«, fragte Janie.

      »Ich weiß es nicht genau, aber wahrscheinlich schon. Er hat etwas sehr Schlimmes getan.«

      »Ich weiß, er hat Tante Rosie umgebracht. Aber weißt du was?«

      »Was?«

      »Ich glaube nicht, dass er das wollte. Ich glaube, es waren die Gehirnbazillen.«

      Wie sollte Tom darauf antworten? Ihr sagen, dass das stimmte, und dass der einzige Grund, warum Onkel Gino Tante Rosies Gehirn zu Brei zermatscht hatte, der war, dass ihr Vater Mist gebaut und beschlossen hatte, niemanden zu ermorden?

      »Ich glaube auch, dass es die Gehirnbazillen waren, Schatz, aber das werden ein Richter und die Jury entscheiden müssen.«

      »Wenn er ins Gefängnis muss, wer wird sich dann um Angie kümmern?«

      »Wir alle, Süße.« Er blickte durch die Tür ins Wohnzimmer und sah, wie Gino ernst mit seiner Tochter sprach. Tom konnte nicht hören, wovon er sprach, aber das musste er auch nicht. Gino erklärte wahrscheinlich, wie sehr er ihre Mutter liebte und dass er nicht weiß, was in ihn gefahren war. Und vielleicht, dass er krank geworden war und die Krankheit ihn zwang, es zu tun, und dass er sie sehr liebte und dass sie stark sein musste, egal, was komme.

      Tom sah auf die Küchenuhr – es war schon fast halb zwölf. Seine Kehle schnürte sich zusammen. Konnte er das tun? Er leerte seinen Drink und ging zurück ins Wohnzimmer.

      »Tut mir leid, aber es ist schon nach elf«, bedauerte Tom. »Die Mädchen müssen langsam ins Bett.«

      »Bekommst du eine Erkältung? Deine Stimme klingt komisch.«

      »Ich habe es im Hals. Da ist gerade was im Umlauf.« Vergiss meinen Hals, du solltest die Batteriesäure spüren, die gerade in meinem Magen brodelt.

      »Du musst wirklich auf dich aufpassen«, meinte Gino.

      »Ja.« Dieses Mal war Toms Hals so zugeschnürt, dass das Wort fast nur von den Lippen zu lesen war.

      »Angie, du gehst jetzt zurück zu Janie nach Hause mit Onkel Tom«, erklärte Gino. »Ich werde morgen mit Tante Gayle sprechen, und dann überlegen wir uns etwas, damit du vielleicht nach Hause kommen kannst. Möchtest du das?« Sie nickte, trocknete sich mit dem Ärmel die Tränen und umarmte Gino ein letztes Mal.

      »Ihr Mädels setzt euch jetzt ins Auto und verriegelt die Türen«, sagte Tom. »Ich komme in einer Minute nach. Ich muss noch mit Onkel Gino reden.«

      Janie nahm ihre Cousine bei der Hand und führte sie aus dem Haus. Tom sah ihnen hinterher, bis sie sicher angekommen waren, dann schloss er die Haustür. Gino sah ihn an.

      »Ich will, dass du weißt, dass ich sie nicht umbringen wollte.«

      »Ich weiß. Gehen wir in die Küche zum Reden.« Gino folgte Tom in die Küche und setzte sich, während Tom zwei Bier aus dem Kühlschrank holte.

      »Ich glaube nicht, dass ich trinken sollte«, zögerte Gino.

      »Ein Bier.« Tom stellte die Dose Budweiser vor Gino auf den Tisch und fragte sich, warum sein ehemaliger Schwager nichts zu seiner zitternden Hand sagte. Gino riss die Dose auf und nahm einen tiefen Schluck.

      »Was zum Teufel soll ich nur machen?«, fragte Gino und ließ den Kopf in die Hände sinken.

      Tom räusperte sich. Er musste so normal wie möglich klingen. Normal. Guter Witz. »Du hast sie getötet, auch wenn du weißt, dass du das nicht tun wolltest. Ich fürchte, du wirst für eine sehr lange Zeit weg sein. Vielleicht den Rest deines Lebens.«

      »Wenn ich ins Gefängnis muss, was wird dann aus Angie?«

      »Ich schwöre dir, Gayle, David und ich werden uns um sie kümmern, als sei sie unsere eigene Tochter.«

      Okay, was er als Nächstes sagen würde, würde ihm höllisch schwerfallen. Höllisch. Witzig. Konnte er nicht einfach die Mädchen zurück ins Haus bringen, sich mit Mr. Ruger wappnen und sie bewachen, bis Mitternacht vorüber war? Wie standen eigentlich die Chancen, dass absolut gar nichts passieren würde?

      Die Chancen. Das war das Problem, nicht wahr? Konnte er wirklich riskieren, dass seine Tochter in den nächsten paar Minuten ums Leben kam? Nein. Er atmete tief durch.

      »Gino, ich denke, es würde dir besser gehen, wenn du Angie eine kleine Botschaft schreibst. Du weißt schon, etwas, was sie immer bei sich tragen kann.«

      »Das sollte ich vielleicht tun. Vielleicht morgen …«

      »Du kannst es morgen tun, aber warum nicht gleich? Ich werde sie ihr heute Nacht geben. Dann wird sie sich besser fühlen.«

      »Du hast wahrscheinlich recht.« Gino nickte zu einer Schublade in einer Kommode. »Rosie hat etwas zu Schreiben dort drin.«

      Tom ging zu der Kommode, die sich zum Glück hinter Gino befand. Er holte ein Paar Latexhandschuhe aus seiner Jackentasche und streifte sie sich über; seine Hände zitterten so stark, dass er zweimal so lange dafür brauchte.

      »Ich weiß, mein Leben ist vorbei, Tom. Rosie ist fort. Und ich werde für eine lange Zeit weggesperrt. Ich habe da eine beachtliche Lebensversicherung. Ich dachte schon an …«

      »Würde mir an deiner Stelle wahrscheinlich genauso gehen.« Großer Gott, hat er das eben wirklich gesagt?

      Tom fand Zettel und Stift, drehte sich und legte rasch beides auf den Tisch. Gino war so in Gedanken, dass er Toms Hände gar nicht beachtete.

      Der große Mann starrte auf den leeren Notizblock. »Ich weiß nicht, was ich schreiben soll.«

      »Es muss nicht viel sein, schreib einfach auf, was du empfindest. Wie sehr es dir leidtut, dann bittest du noch um Vergebung, du weißt schon, solche Dinge eben.«

      Gino nahm den Stift und begann zu schreiben. Tom sah ihm dabei über die Schulter.

      Liebe Angie, was ich getan habe, tut mir sehr leid. Ich habe deine Mommy sehr geliebt. Es bricht mir das Herz, wenn ich dich so sehe. Bitte vergib mir.

      »Vielleicht sollte ich ihr sagen, dass ich sie morgen sehen werde.«

      Tom holte die Ruger aus seiner Tasche.

      Gino sah verunsichert hoch. »Was ist das jetzt? Das sieht ja aus wie meine Waffe.«

      Tom war im Kopf mehrmals durchgegangen, was er sagen würde und so sprudelten die Worte heraus: »Du hast recht. Du wirst den Rest deines Lebens hinter Gittern verbringen. Du wirst dort sterben. Willst du, dass Angie das miterleben muss? Dass sie sich so an dich erinnert?«

      Tom sah auf die Uhr. Vier Minuten.

      »Sie wird Geld fürs College brauchen und für ihre Hochzeit. Ich weiß, dass du möchtest, dass sie eines Tages eine schöne Hochzeit hat. Gayle und ich werden tun, was wir können, aber das College ist sehr teuer. Du hast da eine Lebensversicherung erwähnt.«

      Drei Minuten.

      Gino starrte die Waffe an. Tränen rannen ihm über das Gesicht. Er flüsterte: »Glaubst du, ich werde in den Himmel kommen?«

      Was sollte Tom darauf antworten? Sorry, Charlie, aber du wirst nach Süden fahren. Unter all den gegebenen Umständen erschien Lügen irgendwie inkonsequent.

      »Gott weiß, dass du Rosie nicht töten wolltest. Ich bin mir sicher, er wird dir vergeben