Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stanislaw Przybyszewski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027205639
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Das konnte sie nicht, das durfte sie nicht.

      Sie kehrte um, wieder auf die Veranda zurück.

      Nein, es ging nicht; hier konnte sie ihn auch nicht begrüßen. Sie fühlte Feuer in ihren Schläfen, sie fühlte den heißen Glanz ihrer Augen. Nicht ein Wort könnte sie jetzt sprechen; nicht einmal die Fassung würde sie bewahren können.

      Sie lief in ihr Zimmer hinauf, warf sich auf das Bett und vergrub schluchzend ihr Gesicht in die Kissen ...

      Falk wurde sehr herzlich vom Herrn Kauer begrüßt.

      – Daß er noch existiere! Es sei doch schön von ihm, daß er sich wieder auf die Heimat besonnen hätte. Man habe ihn so lange vergebens erwartet.

      Falk machte sich sehr liebenswürdig.

      – Doch, doch! Er habe sehr viel an die Heimat gedacht; aber diese Unmenge Arbeit! Noch in den letzten Tagen habe er 30 Bogen Korrektur von seinem neuesten Roman durcharbeiten müssen, und das sei das Entsetzlichste, was es gebe. Nun sei er maßlos froh, und fühle sich so breit auf dem Lande, und fühle Liebe um sich; es sei gewiß etwas sehr schönes um die Heimat.

      – Es war mir auch wirklich sehr nötig. Ich bin sehr nervös und ganz dumm geworden, aber bei der Mutter wird es bald, sehr bald gut werden. Die Mutter ist überhaupt neben der Buchdruckerkunst die wunderbarste Erfindung.

      Herr Kauer war ganz glücklich, ihn wiederzusehen; er hatte ordentlich Sehnsucht gehabt, ihn zu sprechen. Auf der Provinz sei die Welt mit Brettern vernagelt; man wisse gar nicht, was in der Welt vorgehe. Jetzt müsse er alles wissen, Falk solle ihm alles erzählen.

      Es wurde Wein aufgetragen.

      – Herr Falk müsse viel trinken; dort in Paris könne er wahrscheinlich einen solchen Wein gar nicht bekommen. Übrigens sei es ganz wunderbar, mit einem so intelligenten Zechgenossen zu trinken.

      Man verlor sich alsbald in ein tiefes Gespräch über Spargelzucht.

      – Herr Kauer müsse es entschieden mit der neuen Methode versuchen, nämlich für jede Spargelwurzel ungefähr einen Meter Erde zu lassen, dann rings herum umzugraben ...

      Die Tür öffnete sich und Marit trat ein. Sie war blaß, sah frisch gewaschen und sehr verlegen aus.

      Falk sprang auf und reichte ihr beide Hände.

      – Nein, ist das wunderbar, daß ich sie sehe. Herrgott wie lange ist das schon her!

      – Wir hatten Sie nicht mehr erwartet... sie drehte sich plötzlich um und fing an etwas auf dem Fensterbrett zu suchen.

      Falk sprach weiter von den Spargeln, war aber unruhig.

      Kauer war sehr bei der Sache und beteuerte fortwährend seine Freude. Er habe nicht viel Glück gehabt, es sei eine Mißernte gewesen. Seine Frau kränkle seit einem Jahre, nun sei sie im Bade, wo sie den ganzen Sommer zubringen solle. Jetzt müsse er sich in der Wirtschaft mit Marit behelfen, so gut es gehe. Ja, und Falk müsse ihm nicht übel nehmen, wenn er jetzt auf ein Stündchen verschwinde, er müsse noch einige Anordnungen treffen.

      Falk blieb mit Marit allein.

      Sie sah durch das Fenster hinaus; er tat einen kräftigen Zug aus dem Glase. Dann erhob er sich.

      Sie zitterte und wurde abwechselnd rot und blaß.

      – Nun, Fräulein, wie ist es Ihnen ergangen?

      Falk lächelte freundlich.

      – Sehr gut; sehr gut ...

      Sie schlug die Augen zu Boden, dann sah sie ihn fremd an.

      – Es ist doch merkwürdig, daß Sie noch gekommen sind; was hat Sie eigentlich dazu bewogen?

      – Ja, Herrgott, wissen Sie, wenn man viel gebummelt hat und sehr nervös geworden ist, ja, dann bekommt man so ein eigentümliches Schwächegefühl; man wird so weich, und dann muß man zu der Mutter, ganz wie ein Kind zu der Mutter.

      Es wurde still. Falk ging sinnend umher.

      – Ja, ich liebe meine Mutter. Aber ich konnte nicht kommen. Es waren sehr wichtige Dinge, die mich zurückhielten; sehr eigentümliche Verhältnisse.

      Er richtete fest seine Augen auf sie, als ob er sie sondieren wollte.

      Sie wurde plötzlich steif und abweisend.

      – Ja, richtig, ich habe viel davon erzählen gehört; nämlich von den sonderbaren, eigentümlichen Verhältnissen.

      Sie sprach mit ironischer Betonung.

      Falk sah sie verwundert an; er schien übrigens darauf gefaßt zu sein.

      – Gott, na ja: man erzählte sich sehr viele dumme Dinge, das sei selbstverständlich. Es sei ihm furchtbar gleichgültig, was man von ihm sage.

      Wieder wurde es still. Falk schenkte sich ein neues Glas ein und leerte es.

      Sie sah ihn hart an. Sein Gesicht war blaß und eingefallen, und in den Augen hatte er einen fiebrigen, eigentümlichen Glanz.

      Er muß viel gelitten haben! Ihr Mitleid regte sich.

      – O, Sie müssen es mir verzeihen. Nein, das wollte ich nicht: Ihnen gleich die unangenehmen Geschichten entgegenbringen, die über Sie verbreitet werden. Auch habe ich kein Recht dazu. Selbstverständlich muß mir das ja gleichgültig sein.

      – Ja, ja ...

      Falk schien müde zu sein.

      – Es sei doch eigentümlich ... Hm, er sei zwei Tage gefahren, die ganze Nacht habe er kein Auge zugemacht, aber er habe keine Ruhe gehabt: er mußte zu ihr gehen, mußte sie sehen ...

      Der Frühlingstag war zu Ende. Es fing an zu dämmern. Sie standen beide am Fenster. Sie sahen auf den Fluß und jenseits die bewaldeten Höhen hinan. Von dem Flusse stiegen Nebel auf und breiteten sich über die Anhöhen und krochen in den Wald hinein, und es sah aus, als wäre der Fluß aus den Ufern getreten und wollte nun mit seiner Flut die ganze Welt überströmen. Nach und nach verschwanden die Anhöhen und der Wald, und die weite, glänzende Nebelfläche floß mit dem Himmelshorizont zusammen.

      Von Herrn Kauer kam die Nachricht, daß das Stündchen noch ein Stündchen dauern würde und daß Falk um jeden Preis so lange bleiben müsse.

      Sie blieben allein. Falk trank unaufhörlich. Nur hin und wieder sprach er irgend ein gleichgültiges Wort.

      – Sie dürfe ihm nicht übel nehmen, daß er so viel trinke; es sei für ihn jetzt wirklich notwendig. Er sei sehr heruntergekommen; ein Delirium indessen sei noch nicht zu befürchten. Übrigens sei das alles furchtbar gleichgültig. Oh, sie dürfe nicht glauben, daß er sentimental geworden sei; nein. Aber man könne doch ganz objektiv konstatieren, ganz einfach, als eine feststehende Tatsache konstatieren, daß man nicht glücklich sei. Sie solle es nicht auf ihn beziehen; oder – vielleicht doch. Aber all das sei so dumm und so gleichgültig; sie brauche kein Gewicht darauf zu legen.

      Marit trat plötzlich an ihn heran.

      – Wissen Sie, Herr Falk, spielen wir keine Komödie! Nein, ganz offen wollen wir sprechen. Als Sie hier vor einem Jahre waren, ja erinnern Sie sich noch: damals, als wir uns kennen lernten? Damals haben Sie mir gesagt, daß Sie mich lieben. Sie haben es mir auch geschrieben. Ich habe alle Ihre Briefe; sie sind mein großer Schatz. Nun, Sie wissen, wie ich zu Ihnen bin; ja. Sie wissen es ganz genau. Sie müssen gut sein. Ich habe Ihnen vertraut. Ich habe mich dem Gefühl der Liebe zu Ihnen ganz hingegeben. Ich wollte diese Liebe anfangs unterdrücken. Ich wußte, daß sie ziellos sei. Sie haben mir so oft gesagt, daß Sie selbst nur um der Liebe willen lieben. Sie haben mir ganz offen gesagt, daß Sie mir nichts versprechen können, daß unsere Liebe keine Zukunft habe. Ich wollte auch keine Versprechungen. Ich habe nichts von Ihnen erwartet. Ich liebte Sie, weil ich sie lieben mußte –

      Marit verwirrte sich immer mehr. Sie wollte ihm so viel sagen, aber nun preßte sich alles zusammen, staute sich und drängte sich vorwärts, ungeregelt, zusammenhanglos.

      – Ja, Herr