Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stanislaw Przybyszewski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027205639
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O Isa, ich bin so glücklich, so unerhört glücklich, heute ...

      Sie bezwang sich und lächelte. Aber der Ekel füllte sie unablässig ... Alles wurde ihr zum Ekel, seine Worte, seine Hand ...

      Aber Mikita dachte nur an sein Glück. Das Weib war sein, ganz sein. Sein Kopf wurde heiß vor Freude und Kraft.

      Sie wollte nicht mehr denken, aber sie konnte den Gedanken an Falk nicht zurückhalten. Der Gedanke schmerzte sie, biß sie, goß ihr Haß und Scham in das Herz. Sie atmete schwer auf. Wenn er nur nicht käme. O Gott, wenn er nur nicht käme ...

      – Kommt Falk heute zu Dir?

      Mikita sah sie befremdet an.

      – Wer? Falk?

      Sie raffte sich auf.

      – Ich möchte so gerne, daß er Deine Bilder sieht. Er hat sie doch noch nicht gesehen: Er ist ja der Einzige, der sie verstehen kann.

      Mikita atmete erleichtert auf.

      – Weißt Du, Isa; ich werde ihm jetzt schreiben, daß er gleich kommen soll.

      Sie schrak auf.

      – Nein, nein, nicht heute.

      – Warum denn nicht?

      – Ich will mit Dir allein sein heute.

      Er küßte ihr innig die Hand und sah sie dankbar an.

      Es lag etwas von hündischer Unterwürfigkeit da drin. Sie dachte an den großen Hund in ihrer Heimat, der sie so liebte und den sie nie los werden konnte.

      Es war inzwischen dunkel geworden.

      Was hatte er für ein Recht, sie so brutal zu vergewaltigen ... so ... nein ... nicht denken, nicht denken ... Doch, ja – sie fühlte sich beschmutzt, er hatte sie beschmutzt ...

      Sie fühlte plötzlich seine Hand um ihr Handgelenk.

      Sie schrak zurück. Seine Berührung war ihr widerwärtig.

      – Mach Licht!

      Mikita stand auf und zündete die Lampe an.

      Dann heftete er starr seine Augen auf sie.

      Sie hatte nicht mehr die Kraft, sich zu bezwingen. Es stürzte nun Alles auf sie ein: Falk, Mikita, der Ekel ... dieser furchtbare Ekel ... Es war plötzlich Angst in ihm, eine Angst, die auf einen Augenblick sein Gehirn lähmte.

      Sie sah, wie sein Gesicht zuckte, wie seine Augen sich maßlos erweiterten.

      – Du, was ist Dir? fragte er heiser.

      – Nichts, nichts! Sie versuchte zu lächeln, aber es mißlang.

      – Wie ... wie ... was ist Dir? Er fing an zu verstehen.

      In diesem Augenblick läutete es heftig.

      Er zuckte auf, konnte nicht verstehen, was das für ein Geräusch war.

      – Du, es klingelt. Mach nicht auf, mach nicht auf, bat sie ängstlich.

      Aber er lief hinaus.

      Sie stöhnte auf. Nun kam er, sie wußte es. Er war es. Nun ... o Gott, es war ja Alles gleichgültig.

      – Oh, das ist ja herrlich, das ist ja einfach großartig, wir wollten soeben an Dich schreiben. Mikita konnte sich kaum zusammenhalten. Nun, Isa, endlich ist Falk hier. Er versuchte krampfhaft sich zu bemeistern.

      Ich freue mich; kannst mir glauben, daß ich mich freue. Na weißt Du, Erik ... na, das ist schön ...

      Werden gemütlichen Abend haben ... Was willst Du? Wein, Schnaps, Bier ... Heh? Alles kannst Du haben ...

      Meine Bilder willst Du sehen?... Herrgott – die dummen Bilder – Was ist daran zu sehen? Geh ins Leben – ja, – geh nur auf die Straße, das sind Bilder! ... Wozu denn diese dumme Kleckserei ... O Gott, wozu das Alles? ... Hast Du nicht gestern gesagt, daß man damit kein Weibchen locken kann?... Ja, ja, geh auf die Straße, nein! geh ins Nachtcafé, da sind Bilder! prachtvoll, weißt Du ... so ein Bild, wie ich gestern gesehen habe, das kann Dir kein Mensch malen ... Weißt Du, was ich gesehen habe?... War im Restaurant, ja, ein Restaurant, kein Café übrigens ... und, ja, da saß ich. Mir gegenüber ein Herr mit zwei Damen. Er machte der einen Dame den Hof und stellte telegraphische Übungen an, mit den Füßen, unter dem Tisch. Er aß Würstchen, verstehst Du, Jauersche Würstchen, glaub ich ... Da plötzlich: es war ein Moment ...

      Mikita lachte heiser, daß er kaum verständlich war.

      Ein Moment! Selten sieht man so was.

      Also hör mal: das eine Mädel ... Mikita unterbrach sich beständig mit nervösem, unangenehmem Lachen ... packt den Teller mit den Würstchen und schmeißt ihn dem Galan ins Gesicht ... Das war ein Anblick, hundert meiner Bilder wert ... Die Sauce troff herab ... weißt Du, die schokoladenbraune Jauche, mit der man hier in Berlin alle Speisen zu begießen pflegt ... Die Würste flogen nur so herum ... Sah der Kerl aus!... Mikita wollte sich ausschütten vor Lachen ... das war ein Bild!

      Falk konnte nicht verstehen, was mit Mikita los war. Er sah Isa an, aber sie lag auf der Chaiselongue und sah nach der Decke.

      Wahrscheinlich wieder heftige Eifersuchtsszene.

      – Weißt Du, was der Kerl machte? Mikita drehte nervös an den Knöpfen von Falks Rock. Nichts! Gar nichts! Er wischte sich ruhig die Sauce vom Gesicht ... Ja, das tat er ... Aber die Dame, mit der er die telegraphischen Übungen angestellt hatte, lachte sich halb tot ... Mit ihren erotischen Gefühlen war es vorbei ... Weißt Du, warum? – Weißt Dus? Mikita schrie kurz auf.

      Weil er komisch wurde, komisch! Und wenn man einem Weibe komisch wird, dann ists vorbei ...

      Falk wurde unangenehm zu Mut. Er dachte an seinen gestrigen Abschied.

      – Verstehst Du, was das ist, einem Weibe komisch zu werden?... Aber, aber ... Mikita stotterte ... man wird es nicht für Alle ... Es gibt welche, für die man es nicht wird, Weiber, die lieben, die lieben!... Er beruhigte sich ... Siehst Du, diese Weiber vergessen sich und Alles um sich; sie sehen nicht, daß man komisch ist, – sie denken nicht, sie beobachten nicht ... Er fuhr wieder auf ...

      Heh, Isa? Hab ich nicht Recht? Du bist doch ein Weib!

      Isa versuchte die Situation zu retten; es war doch unerhört peinlich. Er war ja ganz verrückt ... Sie lachte.

      – Ja, Du hast wohl Recht ... die Geschichte mit den Würstchen ist ja sehr amüsant. Was wurde nun weiter?

      Mikita sah sie durchdringend an.

      – Ja, weiter – richtig. Also der komische Mann war ganz ruhig, trotzdem alle Menschen vor Lachen sich auf die Tische legten ... Sein schöner hoher Kragen war zum Waschlappen geworden und sein steifes Oberhemd hätte man um ein Streichholz wickeln können ...

      Die Missetäterin, weißt Du – das Weib, für das man nie komisch werden kann war ganz blaß, und ich merkte, daß sie zitterte. Sie sah ganz so aus wie ein Hund. So hat Goya die Menschen gesehen –ja, der herrliche Goya, der einzige Psychologe auf der Welt. Er sah nur das Tier im Menschen, und Tiere sind sie Alle: Hunde und Esel ...

      Aber das Mädel hatte Temperament, sie hatte Geschlechtselan, sie liebte ihn, ja, sie liebte ihn ...

      Was? Das interessiert Dich nicht? Das nicht? Interessiert Dich nicht ein Eifersuchtsgefühl, das zum Verbrecher macht? Die Eine wirft Jauersche Würstchen auf den Kopf, die Andere wird zur Vitrioleuse. Aber das ist dasselbe Gefühl! Das ist stark, das ist mächtig, das ist Leben und Liebe! Heh? ... Bei Einer äußert sich das so, bei der Andern eben anders ... Meine Mutter hatte ein Dienstmädchen, das Tag und Nacht Romane las ... Glaubst Du nicht, daß an dem Mädel eine kolossale Bertha von Suttner verloren gegangen ist? Nicht wahr? nicht wahr?

      Falk wurde unruhig, was fehlte ihm?

      Siehst Du, Kerl, wozu braucht man da Bilder zu sehen? ...

      Ja, richtig, die Pointe ... Der Kerl ging mit den Damen ruhig und würdevoll