Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stanislaw Przybyszewski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027205639
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ganz nah.

      Er setzte sich hin. Sie nahm seine Hand.

      – Was ist Dir, Mikita? Was?

      – Nichts!

      – Hab ich Dir weh getan?

      – Nein!

      – Siehst Du, Mikita, Du bist nicht aufrichtig zu mir. Du willst es mir nicht sagen, aber ich kenne Dich so gut: Du bist eifersüchtig auf Falk ...

      Mikita wollte sie eifrig unterbrechen.

      – Nein, nein; ich kenne Dich zu gut. Du bist eifersüchtig, und das ist furchtbar dumm von Dir. Falk ist nur interessant, er ist mir vielleicht der interessanteste Mensch neben Dir, aber ich könnte ihn niemals lieben, nein, niemals. Siehst Du, als Du gestern nicht kamst, wußt ich sehr gut, daß Du zu Hause sitzt und Dich mit Eifersucht quälst. Ich habe mich den ganzen Abend ununterbrochen gefragt, welchen Grund Du eigentlich hast? Hab ich Dir einen Anlaß zur Eifersucht gegeben?

      Mikita fühlte sich beschämt.

      – Du darfst nicht eifersüchtig sein. Das quält mich. Ich werde so müde davon. Schließlich werde ich ja gar nicht wagen können, auch nur ein Wort mit einem Menschen zu wechseln, aus Angst, daß Du mirs übel nimmst. Du darfst es nicht. Ich kann es einfach auf die Dauer nicht aushalten. Du hast keinen Grund dazu. Du zerstörst nur unsre Liebe.

      Mikita wurde ganz weich und küßte ihr die Hand.

      – Du demütigst mich mit Deinem ewigen Mißtrauen. Du mußt doch bedenken, daß ich auch ein Mensch bin. Man darf mich nicht so unausgesetzt quälen. Du warst so stolz auf meine Selbständigkeit, und jetzt suchst Du sie zu zerstören und mich zu einer Sklavin zu machen. Schließlich wirst Du mich noch einsperren wollen ...

      Mikita war ganz verzweifelt.

      – Isa, nein, nein! Ich bin nicht eifersüchtig. Aber Du weißt nicht, welche Bedeutung Du für mich hast. Ich kann ohne Dich nicht leben. Ich wurzle so ganz – ganz in Dir ... Du bist ...

      Er machte eine weite komische Handbewegung.

      – Du verstehst es nicht, Du hast nicht das rasende Temperament – dies ... dies ... na, weißt Du, Du kannst es nicht nachempfinden, wie es brennt und quält, wie es einem in die Augen fährt und blind macht für die ganze Welt ...

      Sie streichelte ihm unaufhörlich die Hand.

      – Nein, Du weißt es nicht, was Du für mich bist. Ich bin nicht eifersüchtig. Ich habe nur die rasende Angst, Dich zu verlieren. Ich kann nicht begreifen, daß Du mich lieben kannst – ich ...

      Weißt Du, weißt Du – er richtete sich auf. Sieh doch nur den kleinen komischen Mikita an, Du bist ja höher als ich ...

      – Laß doch, laß; ich liebe Dich; Du bist der große Künstler, der größte unter Allen ...

      – Ja, siehst Du, Du liebst nur den Künstler in mir, den Menschen kennst Du nicht. Ich bin Dir als Mensch nichts, gar nichts ...

      – Aber der Mensch und der Künstler ist ja eins in Dir! Was wärest Du ohne Deine Kunst?

      – Ja, ja; Du hast Recht. Nein, Isa, ich bin verrückt. Nimm es mir nicht übel, nein, um Gotteswillen nicht. Ich werde jetzt vernünftig sein. Aber ich kann nichts dafür. Du mußt es verstehen. Ich – ich lebe in Dir ... wenn ich Dich verliere, dann ... dann – habe ich nichts – nichts ...

      Tränen liefen über seine Backen.

      Sie umarmte ihn.

      – Mein teurer, dummer Mikita. Ich liebe Dich ja ...

      – Nicht wahr? Du liebst mich ja? Nicht wahr? Du ... Du ...

      Er fuhr mit zitternden Händen über ihr Gesicht, er preßte sie an sich.

      – Du wirst mich nie verlassen?

      – Nein, nein.

      – Du liebst mich?

      – Ja.

      – Sag, sag es mir noch einmal, tausendmal ... Du mein Einziges ... Du – Du kannst nicht begreifen, wie ich mich quälte, ja gestern; ich glaubte, mein Verstand geht mir durch. Ich wollte hinlaufen und konnte nicht ... Ich konnte nicht sitzen, nicht stehen ... Du, Isa, Du wirst mich nie verlassen? Nein, nein! Dann geh ich zu Grunde ... Dann – dann, weißt Du ...

      Der kleine schmächtige Körper des Malers zuckte immer heftiger.

      – Siehst Du, ich werde malen – Du weißt nicht, was ich kann ... ich werde Dir zeigen, was ich kann. Ich werde Dich malen, nur Dich, nur immer Dich ... Ich werde die ganze Welt zwingen, sich vor Dir zu verbeugen ... Alles, Alles kann ich malen – Gedanken, Akkorde, Worte ... und Dich, ja Dich ... Du sollst so stolz auf mich sein, so stolz ...

      Er kniete vor ihr, seine Worte überstürzten sich, er stammelte und umfing ihre Knie.

      Du mein – Du ...

      Sie wurde unruhig. Es war ihr peinlich. Wenn er sich nur beruhigen möchte.

      – Ja, ja ... Du bist mein großer Mikita. Ich bin ganz Dein, ganz ... aber Du darfst nicht mehr so häßlich sein ...

      – Nein, nein; ich weiß, daß Du mich liebst. Ich weiß, daß Du mein bist ... Verzeih mir meine Lächerlichkeit ... ich werde nie mehr wieder ... Du hast es vergessen?

      – Ja, ja ...

      Er drückte sie so fest an sich, daß sie kaum atmen konnte.

      Eine dunkle Unruhe wuchs und wuchs in ihr. Sie fühlte es kommen, und ein Angstschauer durchzuckte sie. Am liebsten möchte sie jetzt weglaufen ...

      Sie löste sich los.

      Aber er schien nichts zu merken. Die wilde, so lange aufgestaute Leidenschaft löste sich nun und brach jäh hervor.

      – Ich bin so glücklich, so unendlich glücklich mit Dir. Du hast mir Alles gegeben, Alles ... Er stammelte und die heiße Gier kam über ihn.

      – Ich bin Nichts, Nichts ohne Dich. Das habe ich gestern gefühlt, ich gehe auseinander ohne Dich ...

      Er preßte sie immer heftiger an sich.

      – Du ... Du ... Er keuchte heiß.

      Sie fühlte seinen heißen Atem ihren Nacken brennen. Ihr Inneres schrumpfte wie ein leerer Schwamm zusammen. Die Angst wuchs in ihr hoch, lähmte sie, verwirrte sie ... O Gott, was sollte sie tun? Sie sah Falk vor ihren Augen. Es bäumte sich Etwas hoch auf in ihr und widerstrebte in wilder, verzweifelter Empörung.

      – Sei mein! – Er bettelte ... Zeig, daß Du mich liebst ... Sie sah Mikitas Augen, die Augen eines Irren, die nichts sehen.

      O Gott, Gott ... Noch einmal raffte sie sich auf. Sie wollte ihn wegstoßen und weglaufen, ihn nie mehr sehen ... nie mehr dies Ekle über sich ergehen lassen ... aber im nächsten Momente sank sie zusammen. Eine kranke Traurigkeit kam über sie. Sie konnte nicht widerstreben ... sie mußte ...

      – Ich liebe Dich ... ich bin krank nach Dir ... er stammelte wie ein Kind.

      Und ein Ekel stieg in ihr auf. Ein ranziges Gefühl von Ekel, sie schauderte – aber sie durfte sich nicht wehren, sie fühlte keine Kraft mehr. Nur Falks Stimme hörte sie, sie sah seine Augen ... nein, sie hatte keine Kraft mehr ... Sie drückte die Augen zu und ließ es geschehen ...

      – Du hast mich so glücklich gemacht ...

      Das Glück verzerrte Mikitas nervöses, mageres Gesicht zu einer Grimasse.

      Aber sie fühlte Ekel, ein würgendes Gefühl von Ekel, der ihr in jeden Nerv drang mit wachsender Empörung, mit einem Haß, den sie bis jetzt nicht kannte. Aber um ihren Mund spielte mechanisch ein liebenswürdiges Lächeln.

      Und wieder ließ sie ihre Hand über die seine gleiten.

      Sie kämpfte mit sich. Es wurde ihr ganz schwarz vor den Augen vor Scham und Empörung. Sie hatte Mühe, ein Wort zurückzuhalten, das sie ihm ins Gesicht schleudern möchte, weil er