McLowery sah ihn aus böse flackernden Augen an. Während er sich die Hände rieb, fragte er heiser:
»Wo sind unsere Waffen?«
»Reiten Sie den Weg zurück, den wir gekommen sind. Ich habe sie in eine Decke gewickelt und unterm Sand verscharrt. Sie sind nicht allzu schwer zu finden.«
Der Rustler stieß hart mit dem Fuß auf.
»Bin ich ein Indianer? Wie soll ich die vergrabenen Waffen finden können?«
»Vergraben«, spöttelte Holliday. »Mensch, bilden Sie sich tatsächlich ein, daß der Marshal sich die Mühe macht, eure rostigen Kanonen einzubuddeln? Vorwärts, kriechen Sie auf Ihren Gaul und dampfen Sie dann ab. Wenn Sie mir auf diesem Ritt noch einmal in die Quere kommen, dann werden Ihre Freunde allerdings etwas zu buddeln haben: nämlich ein Grab für Sie!«
McLowery fletschte die Zähne.
»Für diese Worte werden Sie mir noch…« Er brach ab.
In der Hand des Georgiers blinkte ein Revolver.
Frank stampfte mit gesenktem Blick zu seinem Pferd, nahm die Leine des Leithengstes an sich, der Phin Clanton gehörte, und preschte mit den Banditenpferden im scharfen Galopp nach Südwesten.
*
Sie waren der Overland bis zur nächsten Station entgegengeritten. Da war der alte Carruther geblieben.
»Thanks, Marshal«, verabschiedete er sich von dem Missourier. »Ohne Sie hinge der alte Abraham Carruther jetzt am Dachbalken seiner eigenen Station. – Tanks auch, Doc, für den prächtigen Verband. Die Wunde schmerzt überhaupt nicht mehr. Übrigens habe ich von Ihnen etwas gelernt: Ich wußte gar nicht, daß man einen Banditen so rasch und unwiderstehlich verschnüren kann…«
Wyatt hatte den Alten bewußt von der einsamen Station weggeholt. Er wußte, daß die Bande ihren Zorn sonst ganz sicher an ihm ausgelassen hätte, wenn er selbst und Doc Holliday fort waren.
Nach kurzem Abschied ritten die beiden Männer mit dem Gefangenen weiter durch die endlos scheinende gelbe Sandwüste New Mexicos nach Osten, dem fernen Straflager Fort Worth drüben in Texas entgegen.
*
Die fünf Männer, die oben in der Nische des roten Sandsteinturmes lagen, dösten in der Sonne vor sich hin. Es waren zerlumpte bärtige Gestalten mit verwegenen tiefdunklen Gesichtern.
Poul Riva lag etwas abseits von ihnen. Er hatte eine bronzefarbene Haut und dunkle Augen, die unter den nach den Außenwinkeln hin hängenden Lidern einen verschlagenen, ja, gefährlichen Eindruck machten. Sein Haar war kurz und kraus, schwarz und stark mit grau gemischt; es wirkte wie Matratzenwolle.
Riva war vor vierzig Jahren als Sohn italienischer Emigranten nach Boston gekommen und hatte sich bald in den Westen geschlagen. Hier war das Land, das er suchte – und das Leben, das er bevorzugte.
Er war ein Bandit. Früher einmal hatte er unten in Florida in einer alten Hütte gelebt, sich auf Kosten eines italienischen Ehepaares ernährt, an einem nie fertigwerdenden Boot gebaut, mit dem er als ›freier Mann‹ die sieben Weltmeere durchkreuzen wollte. Aber das hatte eines Tages ein Ende gehabt, als er aus der Hütte mußte, weil eine Ölgesellschaft den Grund und Boden gekauft hatte. Da war der Italo-Amerikaner nach Westen gezogen.
Hinunter nach Texas, an die einsame Grenze New Mexicos.
Und hier trieb er sich nun schon einige Jahre vagabundierend umher. Eine Zeitlang war er unten auf der Corbintora Ranch gewesen, die einem Spanier gehörte, hatte als Peon gearbeitet, war aber dann bald weiter westlich gezogen und eines Tages auf Eddie Norton gestoßen.
Norton war ein Satteltramp – ein Bandit.
Die beiden überfielen einsame Reiter in der Gegend von Al Punato, beschossen einmal, allerdings aus sicherer Entfernung, von einer Sandsteinpyramide aus sogar die Overland, hatten aber damit keinen Erfolg und warben in El Rabada noch zwei weitere Tramps an, die mit ihnen zogen, Jimmy Deeger und Ric Oakland.
Poul Riva hatte eine Bande.
Bei dem ersten Feuergefecht in der kleinen Stadt Gingers am Croce River, schlug sich der Revolvermann Hearst auf Rivas Seite.
Seitdem zählte die Crew fünf Männer.
Was die nun seit drei Monaten bestehende Bande bisher erbeutet hatte, war mehr als wenig. Deshalb drängten die Männer ihren Anführer, etwas ›zu unternehmen‹.
Riva hatte sich in seiner neuen Rolle als Bandenboß bisher wohl gefühlt. Aber was da auf ihn zukam, mißfiel ihm sehr. Er konnte nicht verstehen, daß die anderen so wenig genügsam waren, immer wieder im Sattel sitzen mußten, um irgendeiner Beute nachzujagen. Aber er dachte auch nicht daran, seinen ›Posten‹ als ›Boß‹ abzugeben. Deshalb sann er nach.
Das, was Paoletto Riva ersann, war ebenso verwegen wie verlockend: Er hatte nicht mehr und nicht weniger vor, als die große Wells Fargo Station Santa Margerita zu überfallen.
Sie alle kannten die Station. Sie lag mitten in der Sandwüste, nach allen Himmelsrichtungen hin über sechzig Meilen von jeder Stadt entfernt. Eine Versorungsstation dreier sich hier kreuzender Overland-Postlinien und zweier großer Trailwege. Drei große Häuser, Ställe, Scheunen, Baracken und Schuppen.
Riva selbst hatte ausbaldowert, daß nur elf Menschen auf der Station waren – elf Männer.
Frauen gab es nicht in Santa Margerita.
Eine ganze Woche arbeitete Riva an dem Plan. Dann trug er ihn seinen Leuten vor.
Alle waren von dem Gedanken ebenso erschrocken wie begeistert. Nur der Revolvermann Joseph Hearst schwieg.
Riva hatte ihn nur angesehen.
»Du bist dagegen, Joe?«
»Yeah, weil es Wahnsinn ist. Nicht wegen der elf Männer, sondern wegen der Tatsache, daß die Station ganz sicher auf Überfälle vorbereitet ist. Wenn wir dreißig oder vierzig Leute wären, wenn wir eine Bande wären wie die Kellys oder die Belwoods, wenn wir einen Tornado über der Station loslassen könnten, yeah, dann wäre ich dabei. Aber wir sind fünf Figuren. Ich wette, daß wir nicht zwei Leute heil am anderen Ende der Station herausbringen werden.«
Nach diesem Gespräch war es lange still zwischen den Tramps gewesen. Einige der Männer glaubten Hearst – aber im Grunde standen sie hinter Riva und träumten von der großen Beute, die er ihnen versprochen hat-te.
Es gab in jenen wilden Jahren zahllose Banden in diesem Land. Fast täglich bildeten sich irgendwo neue. Glücklicherweise gingen die meisten von ihnen schnell wieder ein. Aber immer blieb irgendwo eine Banditen-Crew hängen, der einmal ein größerer Coup gelungen war, und terrorisierte die Umgegend.
Die Riva-Bande war bis zu jenem Zeitpunkt, da unsere Geschichte spielt, noch ziemlich bedeutungslos. Und vielleicht wäre sie es auch geblieben und sogar auseinandergefallen, wenn der Italo-Amerikaner Riva nicht den absurden Gedanken mit dem Überfall auf die Wells Fargo Station Santa Margerita gehabt hätte.
Riva blinzelte über das Land, das unter einer wabernden Glutschicht zu liegen schien.
Nur wenige Meilen nördlich von hier lag die Station.
Es war alles vorbereitet für den Überfall.
Aber wenn Hearst nicht mitmachte, war alles sinnlos. Sie brauchten ihn – ihn vor allem. Er war der beste Schütze der Bande, der reaktionsschnellste Mann, ein umsichtiger Kämpfer und vor allem ein kaltherziger Bursche, der seinesgleichen suchte. Diese Qualitäten hatte Riva schon gleich in der ersten Stunde unten in Gingers am Croce River bei dem Coltman entdeckt. Riva kaute an einem Daumennagel herum und beobachtete das weite Land, das zu Füßen der vom Flugsand während einiger Jahrtausende säulenartig verschliffenen Burg aus rotem Arizonastein