Im Auge des Falken. J.L. Langley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.L. Langley
Издательство: Bookwire
Серия: Regelence
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958235908
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       Payton stöhnte und warf einen Blick aus dem Fenster. »Das hab ich vergessen. Schlechte Planung auf der ganzen Linie. Ich bring Tarren um.«

       Er setzte Muffin ab und sah sich draußen noch einmal versichernd um, bevor er aus dem Fenster kletterte. Dann beugte er sich von außen wieder rein und griff nach Muffin. Nachdem das kleine Mädchen wieder auf seiner Hüfte saß, bedeutete er Aiden und Colton, ihm zu folgen.

       »Kommt schon. Ihr habt nur noch ein paar Sekunden, bis unser Vater und Sire hier sind. Sie arbeiten sich Raum für Raum vor.«

       Aiden schnappte sich sein Zeichenpad, während Colton durch den sich bauschenden goldenen und dunkelblauen Brokatstoff verschwand. Sein Bruder besaß immerhin die Höflichkeit, sein Pad für ihn zu halten, während er selbst nach draußen kletterte.

       Nachdem er das Gerät von Colton wieder entgegengenommen hatte, machten die drei sich samt Muffin auf den Weg zur Grundstücksgrenze der Residenz. Colton übernahm die Führung und Payton und Muffin bildeten den Schluss. Wenn sie es auf die Rückseite des Anwesens schafften, würden die Hecken und Rosenbüsche der Parkanlage sie verbergen und sie könnten ungesehen die Stallungen erreichen.

       »Hey.« Payton tippte Aiden auf die Schulter. »Gib mir dein Krawattentuch.«

       »Wie bitte?« Aiden sah über die Schulter zu seinem Bruder. Payton trug einen blassblauen Gehrock über einem schneeweißen Hemd und einer Halsbinde. »Warum?«

       Payton verdrehte die Augen und blies sich eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn, als wäre die Antwort völlig offensichtlich.

       »Damit ich was habe, um Muffin zu bedecken. Ich kann ja schlecht mit ihr herumlaufen, wenn sie nackt ist.«

       Aiden sah keinen Grund warum nicht, sie war ja noch ein Kleinkind. Es war vielleicht nicht akzeptabel, sie unbekleidet herumlaufen zu lassen, aber es wäre schlimmer, wenn jemand Aiden so schlampig sah. Nicht, dass es ihn selbst störte, aber Vater würde ihm das Fell über die Ohren ziehen, wenn er einen Skandal verursachte.

       Bei dem Gedanken verschluckte sich Aiden beinahe. Wie oft hatte er schon Standpauken über die Regeln angemessenen Verhaltens gehört und sie missachtet? Allein ohne Anstandsbegleitung auszugehen, war skandalös genug, wenn man ihn denn erwischte.

       »Na schön, Colton, halt mal.« Aiden reichte sein Zeichenpad an seinen Bruder weiter und löste seine Halsbinde, um Payton den Stoff zuzuwerfen.

       »Danke. Nimm sie mal eben, damit ich meins ausziehen kann.« Payton übergab ihm das nackte Kind und entledigte sich seiner eigenen Halsbinde.

       Muffin grapschte mit ihren kleinen, pummeligen Händchen nach Aidens Wangen und drückte ihm einen feuchten Kuss mitten auf den Mund. »Iß liep' Abe'teuer.«

       »Könntet ihr euch mal beeilen?«, zischte Colton nach hinten. Er war bereits ein ganz schönes Stück vorausgeeilt.

       Sie rannten ihm hinterher, Muffin klammerte sich an Aidens Hals fest und Payton war noch immer mit seinem Halstuch beschäftigt. Als sie schließlich die Seite des Parks erreichten, die direkt gegenüber der Stallungen lag, hielten sie kurz inne, um wieder zu Atem zu kommen.

       Aiden stellte Muffin wieder auf ihre eigenen Beine und Payton wickelte die Halstücher um sie wie eine Art Bikini-Toga. Es war eine interessant aussehende Kombination, aber Muffin schien das nicht zu stören.

       Sie warf sich in Pose. »Hübs'?«

       Aiden lachte leise. »Ja, Muffin, du bist hübsch.«

       Grollend reichte Colton Aiden sein Zeichenpad. »Rexley bringt uns um, wenn er sie so sieht.«

       Payton nahm Muffin wieder auf den Arm und schnaubte. »Na ja, immer noch besser, als sie nackt rumlaufen zu lassen.«

       Colton zuckte die Schultern. »Auch wieder wahr.« Er sah zur Residenz zurück und legte den Kopf schief. »Jetzt müssen wir uns nur noch in die Ställe schleichen. Ich muss Apollo holen, wenn ich zum Fluss reiten will.«

       »Warum verschwendest du deine freie Zeit mit einem Ritt zum Fluss? Das kannst du auch in Begleitung machen.«

       Grinsend hob Colton eine Augenbraue. »Ja, aber wenn ich dort heute ohne Anstandsbegleitung auf Lord Wentworth treffe, kann ich –«

       Payton schüttelte bereits den Kopf, bevor Colton seinen Satz beenden konnte. »Nein. Du gehst allein nicht mal in die Nähe von Viscount Wentworth. Sebastian Hastings ist vielleicht der Befehlshaber der königlichen Garde, aber er ist auch Witwer, alleinstehend und nicht zu vergessen, ein Lebemann der schlimmsten Sorte. Du wirst kompromittiert! Und was dann? Vater und Cony werden mich dafür verantwortlich machen, weil ich den Spion abgeschaltet habe.«

       Aiden nickte zustimmend. Payton würde genauso viel Ärger bekommen wie Colton. Aber Colton wäre gezwungen, Lord Wentworth zu heiraten. Und wie er Colton kannte, war auch genau das sein Ziel. Anders als Aiden und Payton genoss Colton die Aufmerksamkeit der Gesellschaft und die Suche nach einem Ehemann.

       Aiden zuckte die Schultern und stupste Colton in die Seite. »Komm. Ich will einen der Gleiter nehmen und zu den Docks fliegen, bevor uns jemand erwischt. Ich will schon so lange die Weltall-Frachter und Wasserschiffe zeichnen.«

      ***

       Bei den Docks ging es hektisch und laut zu, hier pulsierte das Leben, wie Aiden es noch nie zuvor erlebt hatte. Er war schon früher mit seinem Sire und seinem Vater in den Regelence Space Docks gewesen. Er hatte sogar schon die Besucherrampen des Space Docks gesehen, aber das war gar nichts gegen das hier.

       Von den Besucherrampen aus sah man selten, wie Fracht von einem Schiff verladen wurde. Normalerweise ging ein Beamter an Bord, inspizierte die Waren und verließ das Schiff wieder. Er erteilte die Freigabe zur Reise im Regelence-Sonnensystem.

       Hier, in den Docks der Bay of Pruluce, waren die Besatzungsmitglieder verschiedenster Schiffe damit beschäftigt, Waren auf die Frachter zu verteilen. Große Raumschiffe aus glänzendem Metall schwebten über den hölzernen Docks, wo ihre Ladung gelöscht wurde.

       Sobald sich diese auf dem Boden befand, wurden die Güter abtransportiert, manche in Schwebe-Transportern und ihren Anhängern für den Landweg, andere auf Wasserschiffen zum Transfer in andere Länder auf Regelence.

       Manche der Schiffe konnten sowohl für den Wasserweg als auch für Allflüge genutzt werden. Sie hatten ein offenes Oberdeck zum Segeln und eine massive, verschließbare Hülle für die Reise durchs Weltall. Aber gleich welches Schiff, es war unendlich faszinierend, die wuselnden Menschen um sie herum zu beobachten.

       Pruluce war ein Land der Gegensätze, eine Mischung aus alt und neu. Der Hafen, die Menschen und Gebäude sahen denen auf der Erde im 19. Jahrhundert verblüffend ähnlich, aber die meisten Fahrzeuge entsprachen der neuesten Technologie. Für einen Künstler waren die unterschiedlichsten Materialien, Oberflächenstrukturen, Farben und Formen ein wahr gewordener Traum.

       So fesselnd der Hafen auch sein mochte, der Gestank nach Fisch und faulendem Holz ließ Aiden dankbar dafür sein, sich einen Aussichtspunkt gesucht zu haben, von dem aus er die Docks überblicken konnte. Wenn der Geruch schon hier in zehn Metern Entfernung so stark war, war er am Wasser wohl unerträglich.

       Hier auf dem Hügel lag er auf dem Bauch im weichen Gras – seine bevorzugte Arbeitshaltung – und konnte die Erfahrung trotzdem in vollen Zügen genießen. Ein junger Lord bekam nur selten die Gelegenheit, das Herz von Regelence' interplanetarem Handel zu studieren. Bis Aiden fünfundzwanzig Jahre alt war, würde es vermutlich auch das einzige Mal bleiben.

       Auch aus diesem Grund war er wild entschlossen, alles einzufangen. Je mehr Motive ein Künstler porträtierte, desto besser, und er war seiner Kunst mit Leib und Seele verfallen.

       Er lenkte seine Aufmerksamkeit von der Szenerie vor ihm wieder auf seine Zeichnung und runzelte die Stirn. Er hatte bereits die Hälfte seines Speicherplatzes verbraucht, indem er einige der großen Raumfrachter skizziert hatte, und gerade versuchte er, das Antriebssystem der Wasserschiffe zu perfektionieren.