Im Auge des Falken. J.L. Langley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.L. Langley
Издательство: Bookwire
Серия: Regelence
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958235908
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wurden lauter, sie strich mit der Hand durch Daniels blonde Haare und flehte ihn an, ihr zu antworten. Selbst Baron White hatte seine korpulente Gestalt zu dem Gefallenen gewalzt.

       »Nate!« Jared schüttelte ihn stärker.

       Nate tastete nach seiner Verletzung und keuchte schmerzerfüllt auf. Was sollte er jetzt tun? Seine Hand zuckte vor der klebrigen Feuchtigkeit zurück und er hob sie zwischen sein und Jareds Gesicht. Dunkles Rot benetzte seine Fingerspitzen und tropfte von seiner Hand.

       »Verdammt, Nathaniel!« Jared verpasste ihm eine Ohrfeige, die Nate beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. »Reiß dich zusammen. Wir müssen weg.«

       Das Stechen in seiner Wange riss Nate aus seiner Lethargie. Jared hatte recht. Duelle waren zwar nichts Ungewöhnliches, aber sie waren nichtsdestotrotz verboten. Niemand würde ein Wort darüber verlieren, bis die Obrigkeit sich einmischte, und in diesem Fall würden sie alle inhaftiert werden. Was er auch mit absoluter Gewissheit verdiente.

       »Bist du auf Nabil hergekommen? Oder in einem der Gleiter?«, fragte Jared und zog ihn in Richtung der Pferde. Direkt hinter der ersten Baumreihe waren traditionelle Pferdekutschen und moderne, planetare Schwebegleiter am Wegrand abgestellt worden.

       »Ich bin auf Nabil hergeritten.« Nate befreite sich aus Jareds Griff, als sie die Baumgrenze erreicht hatten, und suchte mit den Augen nach seinem schwarzen Hengst. »Was machst du hier, Jared?«

       Nate wusste mit Sicherheit, dass sein Bruder nicht auf der Lichtung gewesen war, als das Duell begonnen hatte. Er selbst war mit Absicht alleine erschienen, hatte noch nicht einmal einen Sekundanten mitgebracht.

       Nabil stand in einiger Entfernung von dem Gleiter, dessen Flanke ihr Familienwappen zierte. Als Nate und Jared näherkamen, tänzelte der Hengst in ihre Richtung, als könnte er ihre Nervosität und Eile spüren.

       Jared stapfte auf den Gleiter zu, das jungenhafte Gesicht trotzig verzogen. »Tür öffnen. Stufen ausfahren.« Die Tür glitt zur Seite und Trittstufen klappten aus der Seite des Fahrzeugs aus. »Einer muss doch auf dich aufpassen, Brüderchen. Als ich aufgewacht bin, warst du weg. Du hättest mir sagen sollen, dass du vorhast, das durchzuziehen. Ich hab's gerade noch rechtzeitig hergeschafft.« Jared kletterte in den Gleiter. »Stufen einklappen.«

       Die Einstiegshilfe verschwand in der dafür vorgesehenen, schwarzen Metallaussparung, während Jared sich mit den Händen am Türrahmen abstützte und seine Aufmerksamkeit wieder auf Nate richtete.

       Erst jetzt fiel Nate das derangierte Äußere seines Bruders auf. Jareds zerknitterte, schwarze Kniebundhosen waren noch die gleichen wie am Abend zuvor. Er trug keinen Gehrock oder ein Krawattentuch und ein Ärmel seines blassblauen Hemds war bis zum Ellenbogen hochgekrempelt. Seine schulterlangen, dunkelbraunen Haare waren offen und sahen aus, als hätten sie schon länger keinen Kamm mehr gesehen.

       Mit seinen attraktiven Zügen wirkte er wie eine jüngere Ausgabe von Nate, doch momentan bedeckte sie ein dichter Bartschatten. Jared sah aus, als wäre er geradewegs aus dem Bett gefallen, um Nate im Gleiter zu folgen, ohne auf die Hilfe seines Kammerdieners zu warten.

       Nate fühlte sich wie betäubt, als er sich in den Sattel hievte. »Ich hatte nicht vor, das Duell durchzuziehen. Ich bin hergekommen, um es Daniel auszureden, aber er wollte einfach nicht hören.«

       Er wendete Nabil in Richtung der Lichtung und versuchte, durch das trockene Buschwerk etwas zu erkennen. Sein Magen sackte ihm in die Kniekehlen, als ihm das ganze Ausmaß der Misere bewusst wurde – egal, wie unbeabsichtigt sie auch geschehen sein mochte. Er hatte einen Mann getötet.

       »Es tut mir leid.« Jareds Stimme war so leise, dass Nate ihn kaum verstand.

       »Ja, mir auch«, flüsterte er zurück. Erneut wendete er Nabil und schenkte seinem einzigen Bruder ein trauriges Lächeln. »Lass uns nach Hause gehen, kleiner Bruder.«

       Jared nickte und zog sich in den Gleiter zurück, dessen Tür sich schloss. Das Fahrzeug hob vom Boden ab, gewann an Höhe und steuerte auf die Straße zu. Mit hoher Geschwindigkeit rauschte es nach Hawthorne Manor.

       Nach einem letzten Blick auf die verborgene Lichtung schloss Nate die Augen. Sein Leben würde nie mehr so sein wie zuvor. Er trieb Nabil an und galoppierte in Richtung seines Zuhauses und damit dem Urteil seines Vaters entgegen.

       Kapitel 1

      5. November 4829, Planet Regelence, Regierungsland Pruluce,

      Townsend Castle in Classige

      Ein ohrenbetäubendes Kreischen hallte durch die Residenz, gefolgt vom Geräusch nackter Füße auf dem Marmorfußboden, das jedoch plötzlich gedämpfter klang. Aiden sah von seinem Zeichenpad auf.

      Muffin, das Mündel seines ältesten Bruders, stürmte splitternackt und tropfnass durch die Tür des Salons. Die halblangen, roten Haarsträhnen klebten ihr im sommersprossigen Gesicht, an ihrem Hals und den Schultern. Sie rannte, so schnell ihre dünnen Beinchen sie trugen und hinterließ dabei feuchte Spuren auf dem blauen Teppich. Sie linste über die Schulter nach hinten. Ohne Aiden zu beachten, schlüpfte sie unter die Chaiselongue, auf der er es sich gemütlich gemacht hatte.

      Er biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut loszulachen. Es war offensichtlich Badezeit. Er speicherte sein neuestes Gemälde, steckte den Stift in die Halterung an der Seite des Pads und legte es beiseite. Er beugte sich über die Kante der Chaiselongue und hob den goldenen Damast-Volant an. Eine dunkle Locke fiel ihm in die Augen und er strich sie beiseite, während er in zwei große, blaue Augen sah.

      Muffin legte einen winzigen Finger an ihre Lippen. Noch immer rann Wasser über ihre rosigen Wangen.

      »Pscht... nich' verrat'n Aid'n.«

      Aiden ließ den Stoff los und richtete sich wieder auf, während er noch immer mit seiner Belustigung kämpfte. Die Vierjährige verstand noch nicht, dass Jeffers, der Zentralcomputer des Anwesens, alles wusste, was unter seinem Dach passierte. Zweifellos würde ihre Kinderfrau Christy als erstes Jeffers fragen, um das Kind zu finden.

      Aiden entschied, dem kleinen Wassergeist zu helfen. Natürlich musste sie baden, aber ab und zu war es auch ganz gut, sich ein bisschen zu wehren. Damit es nicht langweilig wurde.

      »Jeffers?«

      »Ja, Lord Aiden?«, fragte der körperlose Bariton.

      »Du hast Lady Muffin nicht gesehen.«

      »Milord, Ihr wisst doch, dass es mir nicht erlaubt ist, die Schlosswachen und Aufsichtspersonen zu Euren Gunsten zu belügen. Dazu zählt auch Lady Muffins Kinderfrau.«

      Aiden seufzte. Natürlich wusste er das. Der Bereich innerhalb der Residenz und auf den unmittelbar angrenzenden Parkanlagen war der einzige, auf dem der Aufenthalt ohne Anstandsbegleitung für ihn und seine Geschwister gestattet war. Was im Umkehrschluss bedeutete, dass sie sich Tricks ausdenken mussten, um sich unbeobachtete Augenblicke zu verschaffen. Und apropos...

      Er warf einen Blick auf die Uhr auf dem weißen, marmornen Kaminsims. 09:12 Uhr. Noch drei Minuten, bis Payton Jeffers abschaltete, sofern Payton es schaffte, Jeffers Sicherheitskameras, die menschliche Dienerschaft der Residenz und das Sicherheitssystem zu umgehen, um ins Kontrollzentrum im Keller zu gelangen. Nachdem Payton das letzte Mal bei Jeffers den Schalter umgelegt hatte, hatten ihre Eltern darauf reagiert, indem sie mehr Schutzmechanismen installiert hatten.

      »Na schön, dann lass es mich so ausdrücken: Du siehst Lady Muffin ja nicht, sie versteckt sich irgendwo im Haus.«

       »Das stimmt, Lord Aiden. Meine Kameras können sie unter der Chaiselongue nicht sehen, allerdings sagen mir die Wärmesensoren, dass sie sich dort befindet. Ich werde dies Miss Christy mitteilen.«

       Aiden schnaubte. Jeffers würde seine Nachricht an Christy auch exakt so formulieren. Nicht, dass es eine große Rolle spielte. Christy konnte ganz einfach den feuchten Spuren folgen, um ihren Schützling aufzuspüren. Aber es würde der kleinen Rabaukin einen Moment ohne Aufsicht verschaffen und ein kleines Chaos auslösen, in dem er selbst verschwinden konnte. Hauptsache,