Im Auge des Falken. J.L. Langley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.L. Langley
Издательство: Bookwire
Серия: Regelence
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958235908
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Aiden hielt den Atem an, bis sich die Schritte wieder vom Salon entfernten. Er sah noch einmal zur Uhr, dann wieder zur offenen Tür. 09:14 Uhr.

       »Jeffers, schließ bitte die Tür des Salons. Ich wünsche etwas mehr Ruhe. Schalte außerdem alle Kameras, Wärmesensoren und Mikrofone in diesem Raum bis auf Weiteres ab.«

       Die große Doppelflügeltür hinter den blauen, bodenlangen Vorhängen schloss sich mit einem leisen Klicken. »Ja, Milord.«

       Aiden sprang auf und linste unter die Chaiselongue. Einen Moment lang haderte er mit sich, ob er der Kleinen von dem Vorhaben erzählen sollte, das seine Brüder und er geplant hatten. Er wollte nicht riskieren, dass der Zwerg nach draußen ging und sich am Ende verletzte, aber auch sie sollte die Gelegenheit haben, die unerwartete Freiheit zu genießen. Wie er sie kannte, würde sie die gestohlenen Minuten dazu nutzen, in die Küche zu schleichen und sich etwas Süßes zu besorgen.

       »Muffin, Payton schaltet den Spion heute ab. Versprichst du mir, dass du nicht nach draußen gehen wirst?«

       Sie nickte heftig und ein strahlendes Lächeln erhellte ihr feuchtes Gesicht. »Ve'spochen.«

       »Und du darfst es Rexley nicht erzählen.«

       Wieder nickte sie. »Is' gut.«

       »Hmpf.«

       Muffin erzählte Rexley alles und was sein ältester Bruder wusste, wussten auch ihre Eltern. Rexley war der Thronfolger und vermutlich war im Lexikon unter dem Wort verantwortungsbewusst sein Konterfei abgebildet. Wenn er davon erfuhr, dass Tarren Payton zur Abschaltung von Jeffers angestiftet hatte, würde sich Rexley dazu verpflichtet sehen, sofort zu ihrem Vater und Sire zu gehen.

       Aiden ließ den Volant sinken und klemmte sich sein Zeichenpad unter den Arm, das er extra für diesen Ausbruch-Vormittag mitgebracht hatte. Erst hatte er ein traditionelles Skizzenbuch und Kohlestifte mitnehmen wollen, aber mit dem Zeichenpad konnte er mehr anfangen.

       Auch wenn er die altehrwürdigen Zeichenmethoden sehr schätzte, mit dem Zeichenpad konnte er auf größerer Fläche arbeiten, Farbe benutzen und das fertige Werk dann am Schluss ausdrucken. Er konnte seine Entwürfe in jede künstlerisch nur erdenkliche Form bringen und hatte praktisch unbegrenzte Speicherkapazität. Mit dem konventionellen Block oder Notizbuch würde ihm schlicht irgendwann das Papier ausgehen.

       Er schaute zum Kamin. Die Uhr zeigte 09:15.

       »Jeffers?«

       Keine Antwort.

       »Jeffers? Bist du da?«

       Wieder keine Reaktion des Computers.

       Ja! Payton hatte es geschafft. In seinen ganzen neunzehn Lebensjahren hatte Aiden es kein einziges Mal erlebt, dass Jeffers nicht auf die erste Aufforderung reagierte. Selbst nach dem Ruhe-Befehl würde das Aussprechen seines Namens den Computer in den Raum zurückholen.

       Er hörte, wie sich die Flügeltür öffnete und wieder schloss.

       Nein! Er war so nah dran!

      Aiden fuhr herum, fest davon überzeugt, sich Christy gegenüberzusehen. Erleichtert atmete er auf, als er Colton erkannte, der von innen an der Tür lehnte. Sein Bruder hatte eine Hand auf seine muskulöse Brust gedrückt und fuhr sich mit der anderen durch die kurzen, schwarzen Haare.

      Wie immer trug er seine hellbraunen Reithosen, ein weißes Rüschenhemd und seine braunen Lieblingsreitstiefel.

      »Oh Mann, das war knapp. Muffin hat sich aus dem Staub gemacht und ihre Kinderfrau und Cony sind auf der Suche nach ihr.«

      Muffins Kopf lugte unter dem goldenen Damast hervor. »Cony?«

      Colton zuckte erschrocken zusammen und seine Mundwinkel bogen sich nach oben. »Jap, Cony ist früher als erwartet aus dem Meeting gekommen und Christy hat ihn auf dem Weg zu seinem Arbeitszimmer abgefangen.«

      »Dreck.« Aidens Schultern sackten nach unten. Wenn ihr Sire da draußen im Korridor herumschnüffelte, würden sie nie im Leben an ihm vorbeikommen. Ihr zweiter Vater war ein äußerst aufmerksamer Mann. Er hatte vermutlich schon bemerkt, dass Jeffers außer Betrieb war. Was bedeutete...

      »Wir müssen uns beeilen, Colton!«

      Colton nickte. »Meine Rede.« Er drehte sich zur Tür um und hob eine Ecke des Vorhangs an, um vorsichtig hinauszuspähen.

      Aiden trat hinter ihn und versuchte, an der hochgewachsenen Gestalt seines Bruders vorbei, etwas zu erkennen. Keine Chance. Colton war der größte seiner Brüder und er hatte die muskulöse Statur ihres Vaters geerbt. Aiden war zwar ein paar Monate älter als Colton, aber er war der kleinste der Geschwister. Wenigstens hatte auch er Vaters breite Schultern abbekommen.

      »Und? Ist Cony da dr–«

      »Weg hier. Jetzt ist auch noch Vater da. Wir müssen durchs Fenster abhauen.« Er scheuchte Aiden zur anderen Seite des Zimmers.

      »Vater?«, fragte Muffin.

      Colton eilte zum Fenster, riss die schweren Samtvorhänge beiseite und verhedderte sich prompt in den hauchdünnen, goldenen Borten.

      »Ja, Muffin. Vater ist gerade auf dem Weg ins Frühstückszimmer.«

      Wundervoll. Das Frühstückszimmer befand sich genau gegenüber. Aiden legte sein Zeichenpad kurz weg, um die Vorhänge aus dem Weg zu halten, bevor Colton sie noch komplett herunterriss und sie auch dafür noch Ärger bekamen.

      »Wo willst du hin?«

      Colton entriegelte den Holzrahmen des Fensters und ließ die beiden Flügel aufschwingen. »Reiten. Was sonst?« Colton war ein absoluter Pferdenarr. Wäre es ihm erlaubt gewesen, hätte er wohl sein komplettes Leben auf einem Pferderücken verbracht.

      »Ich meinte, wohin du reitest.«

      »Ich werde –«

      Die Tür öffnete sich.

      Aiden ließ die Vorhänge los und warf sich auf den Boden, in der Hoffnung, dass das Sofa vor dem Fenster ihn verdeckte. Keine Sekunde später landete Colton neben ihm. Die Tür schloss sich wieder und man hörte ein Keuchen.

      Dreck. So nah dran und doch so fern. Jetzt würden sie mit Sicherheit erwischt werden. Die Mahagoni-Beine des Sofas mit ihren zu Adlerklauen geformten Füßen waren hoch und zwischen dem beigefarbenen Stoff und dem Fußboden befand sich eine Lücke von gut 25 Zentimetern. Jeder, der nach etwas suchte, würde sie sehen. Wenn es sich um Cony und Vater handelte, waren Colton und er so gut wie tot.

      Aiden versuchte, etwas unter dem Sofa hindurch zu erkennen, aber die Chaiselongue blockierte seine Sicht zur Tür. Er fing Coltons Blick auf und nickte in die entsprechende Richtung. Sein Bruder sollte es riskieren und nachschauen, wer mit ihnen im Raum war. Colton war auf der anderen Seite des Sofas und konnte um die Ecke linsen.

      Colton schüttelte jedoch den Kopf und formte lautlos mit den Lippen: »Du.«

      So ein Feigling. Wenn man wollte, dass etwas gemacht wurde... Aiden rutschte auf dem Bauch zu seiner Ecke des Sofas, aber noch bevor er einen Blick daran vorbei werfen konnte, quietschte Muffin: »Payton!«, und krabbelte unter der Chaiselongue hervor.

       Payton? Aiden lugte um die Seite des Sofas. Sein zweitältester Bruder eilte hastig weiter ins Zimmer und fing Muffin auf, die auf ihn zustürzte.

       Paytons Blick landete auf dem offenen Fenster und seine Brauen zogen sich zusammen. Er sah nach unten und entdeckte Aiden. »Wa–«

       Colton erhob sich. »Payton, was machst du denn hier?«

       Payton verdrehte die Augen und starrte Colton wütend an. »Ich renne um mein Leben. Was macht ihr hier? Ich habe mich geopfert, damit ihr hier rauskommt, und ihr seid immer noch da?« Er schnitt eine Grimasse, sortierte Muffin auf seinem Arm und rannte zum Fenster. »Muffin, du bist nackt.«

       Sie kicherte und nickte.

       »Und du bist nass.« Payton wischte sich eine Hand an der Hose ab und schob den Vorhang beiseite. »Warum ist sie nass?«