Der Sachsenspiegel: Eine Geschichte aus der Hohenstaufenzeit. Julius Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julius Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066112424
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und Gnaden angehört, mir in allen Dingen zugestimmt und mir seinen mächtigen Schutz und Schirm versprochen.«

      Gräfin Gerlinde war zuerst sprachlos gegenüber dieser sie im höchsten Maße überraschenden Kunde. Dann faßte sie sich und stellte den Reppechower etwas von oben herab mit der herausfordernden Anzweiflung: »Auch in den Dingen zugestimmt, deren Spitze gegen die Kirche gerichtet ist?«

      »In denen am meisten,« triumphierte Eike.

      »Echt hohenstaufisch!« höhnte die Gräfin in unverhohlenem Ärger.

      »Echt hohenstaufisch!« wiederholte Eike mit Nachdruck, »das ist das richtige Wort, Frau Gräfin. Durch alle Kämpfe des Kaisers mit den Päpsten geht ein großartiger Zug entschiedenen Eintretens für die Unabhängigkeit des Reiches, der Fürsten und des Volkes von geistlicher Überhebung und Unterdrückung. Das Volk muß wissen, daß Kaiser und Reich ihm Recht und Gesetz vorschreiben, nicht Papst und Kirche. Der Herrschsucht des Klerus und seiner Anmaßung, sich die Seelen der Menschen in ihrem Glauben und Denken bedingungslos zu unterwerfen, muß ein Damm gesetzt werden. Das Recht muß über die Gewalt, Vernunft über den Unsinn siegen. So sprach Kaiser Friedrich zu mir, als ich in jener mir unvergeßlichen Stunde zu Cremona vor ihm stand.«

      Wie Schlag auf Schlag trafen diese Worte die besiegte Gegnerin, und sie wußte nicht, was sie darauf erwidern sollte. »Erzählt mir mehr von dem vergötterten Freidenker Friedrich von Hohenstaufen,« bat sie dann, aber es klang immer noch ein wenig spöttisch.

      Das tat Eike gern und berichtete ihr von seinem Besuche beim Kaiser und seiner Unterredung mit ihm so fesselnd und eindringlich, daß sie mit unverwandten Augen an seinen Lippen hing und alles, was er vorbrachte, mit wehendem Atem in sich einsog. –

      Das Mahl auf dem Altan dehnte sich lange aus, denn die drei vergaßen über dem lebhaften Sprechen und dem lernbegierigen Hören beinah das Essen. Eike geriet mehr und mehr in Begeisterung, Gerlinde empfand das Bestrickende seines Wesens und ward immer stärker davon angezogen, und Graf Hoyer ward immer heiterer und zugleich stolzer auf seinen rückhaltlos aus sich herausgehenden jungen Freund. Auch der edle Wein, den einzuschenken mit stummer oder lauter Mahnung zum Trinken der Graf nicht vergaß, wirkte auf die Stimmung und erhöhte sie zu einmütiger Fröhlichkeit.

      Als der Graf wieder einmal den Becher Eikes gefüllt hatte, sagte dieser: »Graf Hoyer, mich will fast bedünken, Ihr habt einen Fehltritt vom Wege Rechtens zu büßen und wollt ihn mit freigebiger Spendung eines reichlich bemessenen Trunkes sühnen.«

      »Wie meinst du das?« fragte der Graf.

      »Ja, es gab oder gibt vielleicht noch einen alten Brauch, wahrscheinlich heidnischer Herkunft, nach dem verfallene Gerichtsbußen und Pfänder lustig vertrunken wurden. Die Buße wurde dann so hoch wie möglich veranschlagt und die Menge des von dem Sünder herbei zu schaffenden Getränkes nach der Zahl der auf der Dingbank Sitzenden berechnet. Da hieß es dann ›bei Strafe einer oder mehrerer Tonnen eingebrauten Bieres‹, und man nannte das ›vom Vogtsstab zehren‹. Dem das Urteil fällenden Richter aber gebührte der Antrunk.«

      Sie lachten, und der Graf sagte: »Ich bin mir zwar keines Fehltrittes bewußt, aber du wirst doch diese köstliche Verordnung hoffentlich in den Artikel Strafrecht aufnehmen.«

      »Selbstverständlich!« versprach Eike und grüßte den Burgherrn trunkfroh mit dem vollen Pokal.

      »Wenn Ihr mehr so ergötzliche Stücklein wißt und der Nachwelt aufbewahren wollt, könnte auch ich mich vielleicht mit Eurem Buche noch aussöhnen, Herr von Repgow,« sprach die Gräfin mit einem huldvollen Lächeln.

      »Wirklich, Frau Gräfin? Das würde mich sehr freuen,« erwiderte Eike. »Ich habe in der Tat auf meinen Streifereien manche närrischen und auch manche tief bedeutsamen Dinge erfahren. Da gab es zum Beispiel einen spaßhaften Brauch, wie man einen ertappten Übeltäter behandelte, über dessen Vergehen man gern ein Auge zudrücken und den man deshalb, so man ihn nicht im eigenen Gau aburteilen mußte, entschlüpfen lassen wollte. Dann führte man ihn an die Grenze des zuständigen Bezirkes, lieferte ihn aber nicht dem Fronboten aus, sondern band ihn mit einem Zwirnsfaden an den Grenzpfahl und überließ ihn dort seinem Schicksal, das ja nun die in der Hand hatten, deren Gerichtsbarkeit er damit übergeben war. Sobald sich aber die Häscher entfernt hatten, löste der Angebundene mit Leichtigkeit seine dünnen Fesseln und entsprang, aller Strafe frei und ledig, und kein Hahn krähte danach.«

      »Das gehört in das Fremdlingsrecht, Eike,« bemerkte der Graf.

      »Werde mich hüten, einer solchen Art von Rechtspflege irgend welchen Vorschub zu leisten,« versetzte Eike. »Aber hört von einem anderen Brauche, der für die tief eingewurzelte Heiligkeit des Hausfriedens ein beredtes Zeugnis gibt. Ehemals war es in Dörfern und einsamen Gehöften allgemeine Sitte, nachts die Haustür auszuhängen und den Eingang für jeden, den es danach gelüsten sollte, frei und offen zu lassen. Niemand wagte es, die Schwelle zu überschreiten, so hoch und unverbrüchlich ehrte man dieses blinde Vertrauen.«

      »Ein schöner Zug deutschen Volkslebens,« sagte der Graf, »aber ich lasse mein Außentor lieber nicht offen stehen, obwohl ich gegenwärtig keinen bösen Feind zu fürchten habe.«

      »Des Ritters Dowald von Ascharien wegen, denkst du. Ja, der könnte vielleicht einmal bei Nacht und Nebel einreiten,« lachte die Gräfin.

      »Richtig! der brächte das fertig, wenn er wüßte, daß die Brücke nicht aufgezogen ist.« –

      Es war spät geworden und beinahe dunkel. Aber sie wollten auf dem Altan weder Fackeln noch Kerzen haben; die silbernen Trinkgeräte blinkten noch sichtbar genug, und der Becher fand auch ohne Beleuchtung unfehlbar den Weg zum Munde. Trotzdem und obgleich es windstill und auch noch warm war, riet die Gräfin bald zum Aufbruch um ihres Gatten willen, dessen Herzen ein noch längeres Trinken schädlich werden konnte.

      »Schon?« meinte der Graf, »es sitzt sich so wohlig hier, und ich bin in Eurem scharfen Geplänkel kaum zu Worte gekommen. Auch ist uns Eike noch manches Wichtige schuldig geblieben; vom Lehnsrecht, vom Land-, Stadt- und Weichbildrecht hat er uns bis jetzt noch gar nichts gesagt.«

      »Das kann er ein andermal nachholen,« erwiderte die Gräfin, »heute hat er uns aus seinem reichen Wissen schon die Hülle und Fülle geboten. Wir werden stets mit Freuden seinen weiteren Mitteilungen lauschen und dürfen darauf hoffen; nicht wahr, Herr von Repgow?«

      »Gewiß, Frau Gräfin! ich bin jederzeit gern bereit dazu,« versicherte Eike. »Nur möchte ich Euch nicht mit Aufdeckung zu vieler Einzelheiten ermüden. Ich kann Euch doch nicht alle Kapitel meines Buches in endloser Reihe vorführen mit den unzähligen verschiedenen Rechten, die ich dazu gesammelt und den Anschauungen und Anforderungen der Gegenwart gemäß bearbeitet und ausgebildet habe.«

      »Ich füge mich, für heute sei es genug,« sagte der Graf und sträubte sich nicht länger gegen den Vorschlag seiner Gemahlin, sich zur Ruhe zu begeben. Unten im Garten wartete schon Folkmar mit einer Laterne, um für die Herrschaften die Pfade zur Burg hinein genügend zu erhellen.

      Sie erhoben sich vom Tisch, alle drei der Freude voll über diesen so schön verlebten Abend, und traten, als könnten sie sich noch nicht trennen, an die Brüstung, von wo aus jedoch nichts mehr zu sehen war als die oberen Umrisse der Berge, wie sie sich matt vom Himmel abzeichneten. Im Tal und über allen Wipfeln und Gipfeln träumte die von Sternenglanz durchflimmerte Frühlingsnacht.

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