Die Hohkönigsburg. Julius Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julius Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066111274
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Verpflichtungen und mehr dergleichen Vergehungen ein, die Sühne heischten und mit empfindlichen Strafen gebüßt werden mußten.

      Bis jetzt waren nur wenig Klagen bei dem Rechtsprechenden und seinen Weibeln anhängig gemacht, denn die meisten wurden erst am Tage des Gerichts erhoben. Über diese wenigen, ihnen schon bekannt gewordenen Fälle hatten die Beiden hier im Strengbachthal ihre Meinungen ausgetauscht, und Loder sagte: »Die Sache mit dem Muffel ist nicht eben schlimm. Er ist ein Speivogel und Nichtsnutz, und seine Prügel hat er als Abschlagszahlung für seinen Schelmenstreich weg; wir dürfen ihm daher die Saiten nicht mehr allzu straff spannen.«

      »Überhaupt, wie wollen sie ihm denn beweisen, daß er's mit Willen gethan hat?« stimmte Syfritz ein.

      »Das kommt auch noch dazu,« sagte Loder, »und wie mögen sie ihn gereizt und geärgert haben! die anderen Drei sind die besten Brüder auch nicht. Viel mehr gegen den Strich,« fuhr er fort, »geht mir die Geschichte mit dem Seppele, der sein loses Lästermaul nicht halten kann und mit seinem Spottliede wieder demselben Wirthe Schimpf und Schande angehenkt hat. Er ist ein so kunstbewanderter Singer und Spieler, wie wir kaum einen zweiten unter uns haben, aber dabei ein durchtriebener Schalksnarr, und diesmal soll er nicht so leichten Kaufes von der Bank kommen wie bei der vorigen Klage gegen ihn.«

      »Wenn er nur nicht geschworener Mann des Herrn von Rathsamhausen wäre!« gab Syfritz seinem Häuptling zu bedenken. »Bei dem gilt Seppele viel und hat einen starken Rückhalt an ihm.«

      »Mir ist das keine rothe Bohne werth,« erklärte Loder bestimmt, »darum lasse ich ihn nicht einen Tag weniger im Thurme sitzen.«

      Sie waren jetzt an den Weg gelangt, der rechts ansteigend in das enge, schattige Dusenbachthal führte. Hier wollte Loder umkehren, als sie vom Walde her hallende Schritte vernahmen. »Wer kommt da?« frug er.

      Syfritz beugte sich vor und spähte durch die Bäume. »Es ist der junge Graf Egenolf von Rappoltstein,« sagte er.

      Da blieben sie stehen, bis der Herabkommende nahte.

      »Grüß Gott, Hans!« rief Egenolf, sobald er den Pfeiferkönig erkannte. »Zu Dir wollt' ich eben; hast Du ein wenig Zeit für mich?«

      »Immer, Herr Graf, Tag und Nacht, nach Eurem Willen und Gefallen,« erwiederte Loder, »und wenn Ihr zur Stadt wollt, so haben wir einen Weg, ich gehe auch zurück.«

      »Und, Syfritz, Du?« wandte sich der Graf an diesen.

      »Ich muß zur Kapelle, Euer Gnaden,« antwortete der Spielmann.

      »So sprich ein Vaterunser für mich mit, ich kann's brauchen,« sagte Egenolf, und dann zu Loder: »Komm, Hans! ich habe einen Auftrag für Dich.«

      Die Beiden gingen langsam nach Rappoltsweiler zu, während Syfritz das Dusenbachthal bergan schritt.

      Vorerst sprachen sie beide nicht. Loder war zwar gespannt, von welcher Art der Auftrag sein mochte, den der junge Herr für ihn im Anschlag hatte, wartete indessen geduldig, bis dieser damit losdrücken würde. Egenolf aber zögerte mit seiner Eröffnung und schien darüber nachzusinnen, wie er den Alten füglich in sein Vorhaben einweihen sollte. Endlich fing er an: »Hans, Du bist, seit ich denken kann, mein Vertrauter, mein väterlicher Freund und Beschützer gewesen, und ich verdanke Dir viel. Du hast mich auf Deinen Knieen und auf Deinen Schultern reiten lassen, hast mich die Vögel und die Blumen und Kräuter des Waldes kennen gelehrt, mir das Blasen und Fiedeln beigebracht, hast mir manchen guten Rath gegeben, mich von dummen Streichen zurückgehalten oder, wenn ich sie schon begangen hatte, sie wieder wett zu machen gesucht. Heute möchte ich Dich um Deinen Beistand angehen zur Ausführung einer von mir geplanten Überraschung, an deren Gelingen mir sehr viel gelegen ist, die aber – durchaus verschwiegen und geheim bleiben muß.« Er stockte, als wüßte er nicht weiter oder wagte sich nicht damit heraus.

      »Ja, ich muß sie doch aber wissen, wenn ich Euch dabei helfen soll; also faßt Euch ein Herz und sagt's!« ermuthigte ihn der Alte.

      »Da hast Du Recht, Du mußt sie wissen, wenn Du mir dabei helfen sollst,« sprach ihm Egenolf nach, »so höre denn! Ich habe neulich einen Wolf geschossen, ein großes, starkes Thier, von dessen Streifen im Forst mir ein Waldhüter gesagt und die Fährte gezeigt hatte. Den habe ich geschossen und die Haut dem Kürschnermeister Güldner in Rappoltsweiler geschickt, daß er sie mir zubereite zu einer Fußdecke, vor's Bett zu legen, verstehst Du! Du verstehst doch?«

      »Bis jetzt, ja! aber ich kann nicht rathen, wo Ihr damit hinwollt,« sagte Loder. »Ihr habt auf dem Schlosse schon vor allen Betten Thierfelle liegen, von Hirsch und Reh und Wildsau, von Luchs, Fuchs und Wolf, und nun noch eins –«

      »Nichts da!« unterbrach ihn Egenolf, »hier aufs Schloß soll sie nicht; sie ist zum weichen, warmen Teppich für die Füßchen einer jungen Dame, einer sehr schönen jungen Dame ausersehen –«

      »Auf der Hohkönigsburg,« platzte Loder heraus.

      »Mensch! – woher weißt Du das?« rief der Graf und war ganz roth geworden.

      »Von den Hufspuren Eures Rosses, die ich letzter Zeit des Öfteren auf dem Wege zur Hohkönigsburg fand; das Übrige bläst der Wächter,« sagte Loder. »Ja, ja, ein Frauenhaar zieht stärker als ein hänfen Seil,« fügte er mit listigem Schmunzeln hinzu.

      »Bist mir also nachgeschlichen.«

      Der Alte schüttelte: »Nein, es war ganz zufällig.«

      »So! dann kannst Dir mir wohl zufällig auch den Pelz an die Stelle liefern, für die er bestimmt ist?«

      »Gewiß!« sprach Loder, »das bedarf nicht viel Wesens und Kunst. Ich habe auf der Hohkönigsburg einen alten Genossen meiner Jugend, der dort Huf- und Kurschmied ist, wie ich gehört habe. Der wird schon Rath schaffen, wie die Sache anzugreifen ist, daß Euer Wolfsfell der gnädigen jungen Gräfin unbemerkt zu Handen oder vielmehr zu Füßen kommt. Morgen bringe ich's ihm, wenn es der Meister Kürschner fertig hat.«

      »Wir gehen jetzt zu ihm, Hans, und fragen,« erwiederte Egenolf eifrig im Jubel seines Herzens, daß Loder bereit und im Stande war, ihm zu helfen. »Sieh mal,« fuhr er, aus seinem Wams ein weißes Tuch hervorziehend, mit frohlockenden Augen fort, »in dieses Linnen mußt Du den Balg hübsch einwickeln, ich hab es selbst aus einer Truhe stibitzt.«

      »Aber Graf Egenolf!«

      »Macht nichts, Alter! das erfährt meine Mutter gar nicht,« lachte der Glückliche. »Und hier hab ich noch etwas; dies Brieflein, das thust Du dem Wolf in den Rachen zwischen die Fänge, daß es die junge Gräfin dort findet.«

      »Hm!« machte Loder, »werden's besorgen.«

      »Aber daß es Dein alter Kumpan nur ja recht geschickt anstellt, es ihr richtig in die Hände zu spielen!«

      »O der Ottfried Isinger ist ein mit allen Hunden gehetzter Schlaufuchs,« beruhigte Loder den freudig Erregten, »ich kenne ihn von Kindesbeinen an. Er ist seines Herkommens ebenso wie ich ein Spielmannssohn und auch in derselben Stadt mit mir geboren und aufgewachsen, hatte aber keine Lust und keine Anlage zur edlen Musika, weil er kein Gehör hatte. Ihn zog es von früh auf zu den Pferden; er trieb sich soviel er konnte in den Ställen umher, half die Gäule striegeln, füttern und tränken, bald auch in die Schwemme reiten. Dann kam er zu einem Hufschmied in die Lehre, und als er ausgelernt hatte, ging er auf Wanderschaft, und aus dem Hufschmied ward allmählich auch ein Kurschmied. Die Fähigkeit dazu war ihm angeboren, denn seine Mutter gab sich auch mit allerhand Kuren ab, heilte Gebresten an Menschen und Vieh mit Wurzeln, Pilzen und Kräutersäften, konnte das Blut besprechen und stand in dem Geruche, von dergleichen heimlichen Dingen mehr zu wissen, als sie verrathen durfte, aber es war ein einträgliches Geschäft für sie. Der Ottfried mag wohl Manches von ihren verborgenen Künsten geerbt haben, denn er bewährte sich als Kurschmied und hatte Glück mit seiner Behandlung der Rosse. Er hielt sich bald in dieser, bald in jener Stadt auf, hatte auch gute Stellungen auf mehreren Schlössern, blieb aber nirgend lange, denn die Herren wollten ihn viel Weinsaufens halb, mit Ehren zu melden, auf die Dauer nicht um sich haben, weil er zu oft über den Durst trank und dann behauptete, er hätte einen Igel im Leib, der ihn stachelte,