Die Hohkönigsburg. Julius Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julius Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066111274
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beobachtend auf ihm ruhten, und weil sein ganzes Gehaben von dem Wunsch und dem Bestreben geleitet wurde, nicht nur einen günstigen Eindruck auf die Geladenen zu machen, sondern sich auch mit einem Schlage eine hervorragende, maßgebende Stellung unter ihnen zu erobern, denn dies war ja, wie sein kluger Stallmeister wohl durchschaut hatte, der Hauptzweck des heutigen Festes.

      Als Graf Oswald das Gespräch mit Schmasman beenden mußte, war des Letzteren erster Gedanke: wie mag wohl die Begrüßung zwischen Oswald und Burkhard ausgefallen sein? Schade, daß ich nicht früher kam, um dabei Zeuge und nöthigenfalls Vermittler sein zu können! Und er ging, um seinen alten Freund und Waffenbruder aus mancher kleinen und größeren Fehde aufzusuchen. Die Gemächer durchschreitend ward er bald hier, bald da von einem Bekannten angehalten, der ihm die Hand entgegenstreckte, und unterließ auch nicht, die Damen zu begrüßen, an denen er vorüberkam. Endlich entdeckte er Burkhard im hintersten Zimmer, in lebhafter Unterhaltung mit Rudolf von Andlau begriffen. Schmasman schüttelte beiden die Hand, hielt aber die Burkhards länger in der seinigen fest und sagte: »Freut mich, daß Du gekommen bist, alter Brummbär!«

      »Danken kann ich Dir kaum dafür, daß Du mich dazu beschwatzt hast,« erwiederte Burkhard mit leichtem Stirnrunzeln. »Aber nun bin ich einmal da im Gefolge des gnädigen Herren von der Hohkönigsburg und mache gute Miene zu dem thörichten Spiel hier.«

      »Die Miene, die Du machst, könnte immer noch ein wenig besser sein,« meinte Schmasman.

      Rudolf von Andlau lachte: »Nehmt Euch mit ihm in Acht, Graf Rappoltstein! er hat heute wieder den rauhen Pelz an und knurrt. Sehet zu, wie Ihr ihn bändigt; ich hab's nicht fertig gebracht und überlasse ihn Euch, um Eurer Frau die Hand zu küssen.«

      »Thut das, Andlau! sie wird sich freuen, Euch hier zu sehen,« rief der Graf dem Abgehenden nach.

      »Nun, wie war der Willkomm, den Du bei dem Thiersteiner fandest?« fragte Burkhard sofort, als die Beiden, etwas abseits von den übrigen Gästen, mit einander allein standen.

      »O – durchaus höflich und freundlich,« erwiederte Schmasman.

      »Na, das dank' ihm der Teufel!« brauste Burkhard auf. »Ist das Alles, was Du darüber zu sagen hast?«

      »Freilich, ein wenig herablassend kam mir die Begrüßung vor.«

      »Aha!« machte Burkhard, »willst Du wissen, wie es mir vorkommt? Er empfängt seine Gäste wie ein Reichsfürst seine Vasallen empfängt. – Ja, ja!« fuhr er fort, als Schmasman darauf schwieg, »Du bist wohl eben erst angelangt und hast noch nicht bemerkt, wie hoch der Herr Graf den Kopf trägt, als wollte er über uns Alle hinwegsehen.«

      »Er ist noch fremd hier und muß sich erst eingewöhnen unter uns, erst Fühlung mit uns gewinnen. Dabei müssen wir ihm behilflich sein, ihm entgegenkommen.«

      »Ach was, entgegenkommen!« rief Burkhard ärgerlich. »Zahm und kirre machen müssen wir ihn und ihm die Zähne zeigen, wenn er sich aufspielen und großthun will. Gieb mal Acht darauf, wie herausfordernd er hier in der strotzenden Pracht, die ihm von Rechts wegen garnicht zukommt, unter seinen Gästen herum stolziert, Huld winkend, Gunst verheißend, Gnade spendend, als hätte er nur zu geben und wir von ihm zu empfangen.«

      »Du hast eine vorgefaßte Meinung gegen ihn, zu der Dich nichts berechtigt. Ich möchte Dich an seinem Platze sehen.«

      »So hochmüthig wäre ich nicht, Schmasman!«

      »Nein, Du Ausbund christlicher Demuth und Duldsamkeit!« lachte Schmasman. »Grob wärst Du, wenn Dir die Nasen Deiner Gäste nicht gefielen. Ruhig! ich kann Dir das sagen, Bruder! aber ich sage Dir auch: habe nur den guten Willen, gieb Dir einmal Mühe, Dich auf einen freundlichen Fuß mit dem Thiersteiner zu stellen, dann wird es schon gehen. Ich prophezeie Dir: je öfter wir uns fortan mit Graf Oswald begegnen, je besser werden wir uns mit ihm verstehen und vertragen, denn er ist vom Scheitel bis zur Sohle ein Mann von makelloser Ehre.«

      »Trage gar kein Verlangen nach öfterem Begegnen.«

      »Wird schon von selber kommen; ich verlasse mich auf Dein ehrliches, ritterliches Herz, denn das ist noch das Beste an Dir.«

      Burkhard blinzelte den Freund erst etwas zweifelhaft an, dann gab er ihm die Hand und sagte: »Jetzt bringe mich zu Deiner Frau, damit ich auf andere Gedanken komme. Ist das lustige Hexlein, die Imagina, auch hier?«

      »Natürlich! und wenn es Einer versteht, Dir den Kopf zurechtzusetzen, so ist sie es.«

      »Das weiß ich, darum fragte ich ja.«

      »So komm, aber erst zu meiner Frau!«

      Sie schoben sich durch die Gruppen der plaudernden Gäste, die nicht müde wurden, die glänzende Einrichtung der Gemächer zu betrachten, die schönen, figurenreichen Teppiche an den Wänden, die geschnitzten Gestühle mit bunten Kissen und Polstern, die großen Öfen mit grünen Kacheln, die messingenen Leuchterkronen, die kunstvollen Glasfenster und mehr dergleichen, was ihre Bewunderung und ihr Begehren erregte, es auf ihren Schlössern auch so haben zu können. Die Mächtigsten und Reichsten unter ihnen, die auch in Behaglichkeit und Bequemlichkeit wohnten, mußten sich wohl oder übel gestehen: so prunkvoll und üppig wie hier sah es bei ihnen zu Hause nicht aus. Während des Wiederaufbaues der Hohkönigsburg hatten sie mit fast ungläubigen Ohren schon Manches von dem Aufwand, der dabei getrieben wurde, gehört und waren daher auf allerlei Neues und Sehenswerthes gefaßt, fanden aber ihre Erwartungen durch das hier, wie Manche meinten, fast prahlerisch zur Schau Gestellte nun doch noch weit übertroffen.

      Um in diese kostbar ausgestatteten Räume möglichst würdig mit ihrer äußeren Erscheinung hineinzupassen, hatten Männer wie Frauen ihre auserlesensten Festgewänder angelegt. Da war viel schillernde Farbenpracht zu sehen an den faltigen Kleidern mit langen Schleppen und großgemusterten Röcken, unter denen die spitzen Schnabelschuhe hervorlugten Um die Nacken der Frauen ringelten sich goldene Ketten mit funkelnden Steinen, auf ihren Häuptern glitzerten gold- und silberdurchwirkte Hauben und Gebinde, und frische Blumenkränze krönten die Scheitel der jungen Mädchen. Die älteren Herren trugen dunkelsammtene oder brokatene Röcke, mit Pelz verbrämt oder mit bunten Borten umsäumt, die jüngeren aber kurze, seidene Wämser mit breitem, gesticktem Brustlatz und eng anliegende, gestreifte oder geschachtete Beinkleider, kleine Barette mit Federstutzen auf dem langen, gekräuselten Haar, und am schmelzverzierten Gürtel hing der Dolch in tauschirter Scheide.

      Wer von allen Frauen und Jungfrauen hier war die Schönste? Niemand that diese Frage laut, aber Jeder legte sie sich im Stillen vor und beantwortete sie sich mit dem Namen Leontine. Sie war das leibhaftige Bild von Kraft und Gesundheit, mit jedem Liebreiz blühender Jugend geschmückt und von einer bestrickenden Anmuth im Ausdruck ihrer Züge, in Haltung und Bewegung, in ihrem ganzen Wesen.

      »Was habt Ihr für prachtvolles, rothblondes Haar!« sprach Imagina, als sie auf ihrem Rundgang durch die Gemächer der Thierstein'schen Tochter begegnete, die mit ihrem Wuchs die schlanke Gestalt der sie Anredenden noch eine halbe Spanne lang überragte.

      »Sagt nur getrost feuerrothe Mähne!« lachte Leontine und schüttelte die wallenden Locken, die sich in kein Netz und keine Haube zwingen ließen. »Man muß wohl schon bei meiner Geburt diesen Löwenkopfputz geahnt haben und hat mir darum den Namen Leontine gegeben, der mir oder dem ich die Rechtfertigung nun schuldig war.«

      »Die übrigen Attribute sind auch nicht ausgeblieben,« scherzte Imagina und entschlüpfte der Geneckten durch das Gedränge der Gäste, wobei sie dem ihr entgegenkommenden Burkhard fast in die Arme lief.

      »Halt, Frauchen Imagina!« rief er, »hier kommt Ihr nicht vorbei, und auf Euch fahnde ich gerade.«

      »Auf mich? was wollt Ihr von mir?« entgegnete sie schnippisch.

      »Ihr sollt mir das kleine, weiche Pfötchen geben.«

      Sie schlug ein: »Da! was nun noch?«

      »Weiter nichts; ich hab Euch so lange nicht gesehen; habt Ihr mich auch noch ein bischen lieb?«

      »Ich Euch? nein! nicht im Mindesten, hab Euch in meinem Leben noch nicht lieb gehabt.«