Die Hohkönigsburg. Julius Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julius Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066111274
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      »Was geht es Euch an, Jäger!« verwies sie ihn herrisch, »und wer sagt Euch, daß ich beichten will? Sehe ich aus wie eine arme Sünderin, die ein schlechtes Gewissen hat?«

      »Nichts für ungut, Fräulein! hab Euch darauf noch nicht angeschaut,« entschuldigte er sich. »Aber,« fuhr er, wie mißbilligend mit dem Kopfe schüttelnd fort, »so ganz allein und einsam hier im tiefen Walde, wo Ihr nicht einmal Bescheid wißt? Es ist hier nicht immer ganz geheuer, und Ihr seid eine verführerisch schöne –, ich wollte sagen,« verbesserte er sich schnell, als ihn ein strenger Blick von ihr traf, »Ihr habt da sehr schöne Steine an Eurem Gürtel.«

      »Wollt Ihr mir etwa bange machen? das wird Euch nicht glücken, mein Lieber!« lachte sie. »Ich bin, wie Ihr seht, nicht wehr- und waffenlos und fürchte mich nicht vor Euch, das will ich Euch beweisen.« Und ehe er sich dessen versah, war sie aus dem Sattel zur Erde gesprungen, warf ihm den Zügel ihres Pferdes zu und sagte: »Da! führt meine Daphne! ich will zu Fuß mit Euch wandern.«

      Jetzt, als sie ihm zur Seite schritt, merkte er erst recht, wie hoch und kräftig ihre Gestalt war, nur wenig kleiner als er. Sie gingen schweigend dahin im stillen Walde, durch dessen sanft bewegtes Laub die Sonnenstrahlen blitzten, daß auf dem dichten Grün des Bodens goldene Lichter tanzten und flirrten. Die Drosseln und Finken schlugen, und die Bienen summten, und die zwei jungen, blühenden Menschenkinder hingen ihren Gedanken nach, die wohl sehr verschiedenen Inhalts sein mochten.

      »Gebt einmal Eure Armbrust her!« gebot jetzt die abgesessene Reiterin. Er reichte sie ihr und beobachtete mit Freuden, wie leicht und sicher sie mit den richtigen Griffen den stählernen Bogen spannte. »Und einen Bolzen!« Dann blickte sie zu den hohen Wipfeln empor. »Nichts zu sehen, und einen Singvogel schieße ich nicht. Was soll ich treffen?«

      »Den Mistelbusch dort oben im Wipfel der Birke.«

      Sie zielte und schoß. Der Bolzen ging mitten durch die Mistel.

      »Gut gemacht!« lobte er, »also Jägerin seid Ihr auch.«

      »Ja, – auch!« sagte sie kurz und gab ihm die Armbrust zurück. »Nun zeigt Ihr Eure Kunst! – den Tannzapfen dort!«

      Er schoß und fehlte.

      Da lachte sie: »Nun, Jäger, wenn Ihr den hängenden Tannzapfen nicht trefft, ist wohl flüchtiges Wild ziemlich sicher vor Euch?«

      »Der um meinen Arm geschlungene Zügel Eures Pferdes hinderte mich am ruhigen Zielen,« erwiederte er halb ärgerlich, halb beschämt.

      »Daphne stand baumstill,« behauptete sie und fragte dann: »Wie weit ist es noch von hier bis Sanct Pilt?«

      »Wir werden bald zu einem Wege gelangen, auf dem Ihr traben könnt, und dann seid Ihr in einer Viertelstunde an der Abtei. Aber wie wollt Ihr wieder in den Bügel kommen?«

      Ein spöttischer Zug umspielte ihren Mund auf seine sie sehr thöricht dünkende Frage, und ein Lachen verbeißend sprach sie: »Das wird allerdings schwer halten, ich denke, von einem großen Steine kann ich wieder hinaufklettern, meint Ihr nicht?«

      »Ja, wenn es nur hier große Steine gäbe!«

      »Das ist Eure Sache, einen zu finden; gebt Acht darauf!« erwiederte sie und wandte sich dann seitwärts, um sich eine Glockenblume zu brechen. Sie pflückte sich im Gebüsch allmählich einen ganzen Strauß von Waldblumen zusammen ohne sich um den Leiter ihres Rosses weiter zu kümmern.

      Endlich kamen sie zu dem Wege. »Hier ist der Weg,« rief er ihr zu, »von hieraus könnt Ihr nicht mehr fehlen, denn er führt Euch zur Abtei von Sanct Pilt.«

      »Ja, der Weg ist gut zum Traben,« sprach sie, »aber wo ist der Stein, von dem ich aufs Pferd steigen könnte?«

      Egenolf zuckte die Achseln. Sie stand schon neben dem Pferde. »Soll ich Euch in den Sattel heben?« fragte er.

      Sie sah ihn mit flammenden Augen durchdringend an, sagte aber nur kühl und gelassen: »Dazu bin ich Euch zu schwer.«

      Er lächelte: »Wollen wir's einmal versuchen?«

      Ein hartes »Nein!« war ihre Antwort, – »das ist Ritterdienst.«

      »Allerdings, Ritterdienst!« fuhr er, sich vergessend, auf, besann sich aber schnell und sagte: »Ja so! nun, dann muß der Knecht das Knie beugen, damit die Herrin sich aufschwingt.« Er kniete nieder, sie setzte den Fuß auf sein Knie und war mit behendem Schwunge im Sattel.

      »Ich danke Euch,« sprach sie von oben, die Zügel ordnend.

      »Wollt Ihr mir eine Gunst erweisen, Fräulein?« fragte er. – »Schenkt mir eine Blume aus Eurem Strauße.«

      »Die habt Ihr verdient, Jägersmann!« sagte sie freundlich, suchte in dem Strauße und reichte ihm ein vierblättriges Kleeblatt: »Hier! möge es Euch Glück bringen! und nun – Waidmanns Heil!«

      »Waidmanns Dank!« erwiederte er.

      Sie trabte davon. Er blickte ihr nach, so lange er sie sehen konnte, und sprach dann lachend: »Auf Wiedersehen, schöne Gräfin von Thierstein! Ihr werdet Augen machen, wenn Euch der Jägerknecht oben auf Eurem Schlosse entgegentritt.« Dann schritt er in den Wald hinein. –

      An diese Begegnung mußte Egenolf, wie er es seitdem schon so oft gethan hatte, auch jetzt wieder denken, als er nach der Hohkönigsburg zu dem Feste ritt, wo er die verirrte Reiterin zum ersten Male wiedersehen sollte. Wie wird sie ihn empfangen?

      Ehe noch die Messe in der Kapelle beendet war, erschien Egenolf auf der Schwelle des Zimmers, von wo er die Anwesenden mit raschem Blick überschaute. Dann schritt er schnurstracks auf Leontine zu, verneigte sich vor ihr und begann: »Graf Egenolf von Rappoltstein bittet für seine Versäumniß um Verzeihung, edle Gräfin von Thierstein; ich habe mich auf der Jagd verspätet.«

      »Ihr seid auch jetzt noch willkommen, Herr Graf,« erwiederte sie verbindlich. »Von meinen Eltern werdet Ihr dasselbe hören, sobald sie mit den übrigen Gästen aus der Kapelle zurückkommen.«

      Plötzlich weiteten sich ihre Augen und richteten sich mit starrem Blick auf die Brust des vor ihr Stehenden, wo sie ein an sein Wams geheftetes vierblättriges Kleeblatt, schon etwas welk, entdeckt hatte. »Was bedeutet das Vierblatt dort?« fragte sie erregt, ihm nun fest ins Gesicht sehend.

      »Das soll mir Glück bringen,« lächelte er. »Ich habe es von einer holdseligen Waldfee, die beim Reiten den Weg verloren, weil ihr Roß auf Irrkraut getreten hatte, wie Jägerweisheit behauptet.«

      »Ihr – Ihr waret der Jäger, der mich auf den Weg nach Sanct Pilt gebracht hat?« sagte sie bestürzt, bis an die Stirnlocken erröthend.

      »Ja, der war ich, gnädige Gräfin!«

      »O mein Gott! und wie hab ich Euch behandelt!«

      »Ganz nach Stand und Gebühr eines Solchen, der ich nach Eurer Schätzung war.«

      »Geht Ihr immer in so bescheidener Tracht auf die Pirsch wie neulich?«

      »Ich wüßte nicht, warum ich es nicht thun sollte,« erwiederte er.

      »Habt Ihr heute etwas getroffen?« fragte sie weiter.

      »Einen starken Wolf hab ich erlegt, dem ich drei Tage lang nachgestellt habe und den ich heute durchaus haben wollte,« gab er ihr ruhig zur Antwort.

      »Ihr – einen Wolf geschossen?« sprach sie mit einem ungläubigen Lächeln. »Nun, Waidleute lieben es ja wohl, allerhand Märlein zu erzählen,« fügte sie schalkhaft hinzu.

      Er verstand ihre Anspielung auf seinen vor ihren Augen gethanen Fehlschuß, ließ sich aber nicht aus der Fassung bringen und erwiederte: »Aber manchmal sprechen sie auch die Wahrheit.«

      »Wirklich? nun so sagt mir doch, warum Ihr Euch dort im Walde mir nicht zu erkennen gegeben habt.«

      »Weil ich mir zu gut in der Rolle eines Rappoltstein'schen Knechtes gefiel, dem Ihr erlaubtet, das Knie vor Euch zu beugen, damit Ihr wieder in den Sattel kamet,