SKIN MEDICINE - Die letzte Grenze. Tim Curran. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tim Curran
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350298
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zusammengeworfen unter dem Befehl der Generäle Price und McCulloch, begann mit ihrem blutigen Geschäft an der Südspitze der Ozark Mountains. Zusammengenommen war die Armee zwanzigtausend Mann stark, einschließlich fünftausend Indianer der Fünf Zivilisierten Stämme. Die Konföderierten, mit ihrer nahezu zweifachen zahlenmäßigen Überlegenheit einen klaren Sieg vor Augen, teilten ihre Truppen und griffen gleichzeitig Front und Rücken des Gegners an. Aber Curtis, der gerissene Unionsgeneral, flankierte beide konföderierten Armeen und schlug mit gnadenlosem Artilleriefeuer zu, bis die Südstaatler zum Rückzug gezwungen waren.

      Für Cabe und die Zweite war es die Hölle.

      Ein paar Tage zuvor hatte ein Schneesturm getobt, und es war eisig kalt. Alle waren müde, hungrig und halb erfroren, als der Konföderierten-General Van Dorn sie zwang, in die Schlacht zu ziehen. Ihr Einsatzgebiet war östlich von Leetown in Morgan’s Woods. Ihre Generäle McCulloch und McIntosh fielen gerade einmal zwei Stunden nach Kampfbeginn, und die Zweite blieb führerlos zurück, unbarmherzig angegriffen und verfolgt von der 36sten und der 44sten Illinois-Infanterie. Die Konföderierten waren nun in vollem Rückzug begriffen, und die Erste und Zweite Unionsdivision setzten ihnen nach. Cabes Kompanie war abgeschnitten und suchte Schutz in einem verlassenen Bauernhaus.

      In ihren verschlissenen Schuhen und zerlumpten Uniformen zitterten Cabe und die anderen in der Kälte. Hungernd, zerschrammt und blutend warteten sie auf Entsatz, der niemals kam. Es ließ sich keinerlei Essen auftreiben und nur wenige Decken und Mäntel, um sich warmzuhalten. Die Munition war längst aufgebraucht. Viele der Männer waren verwundet, manche schwer. Sie waren nicht mehr als ein zerfledderter Haufen, zusammengehalten von blutigen Bandagen und Stolz, der rasch verfiel.

      Innerhalb einer Stunde begann das Artilleriefeuer.

      Die Wände fielen zusammen, das Dach stürzte ein. Die Verwundeten und Schwachen wurden von den Trümmern lebendig begraben. Johnny Miller, Cabes bester Freund in der ganzen Welt, wurde von einer Granate enthauptet. Verzweifelt versuchten die Überlebenden, die Verschütteten auszugraben, deren Schreie und jämmerliches Wimmern durch die frostige Luft hallten, aber es war hoffnungslos. Als die Yankees hereinstürmten, kreischend und blutrünstig, entkam Cabe mit drei anderen in die Wälder: Sammy Morrow, Pete Oland und Little Willy Gibson. Sie schleppten sich durch Sümpfe und krochen durch dorniges Dickicht, bis sie von oben bis unten mit kaltem Schlamm bedeckt waren. Ihre Gesichter waren aufgerissen und ihre Uniformen hingen in Fetzen herab.

      Little Willy war völlig neben sich, kicherte und schluchzte abwechselnd, und Sammy Morrow schrie ihn wieder und wieder an, nannte ihn ein Muttersöhnchen und sagte ihm, es wäre langsam Zeit, sich von diesen verfickten Nippeln zu entwöhnen. Aber Little Willy ließ ihn links liegen und führte weiter Gespräche mit Männern, die schon längst tot waren.

      »Er ist verrückt geworden, Tyler«, sagte Sammy zu Cabe. »Mit diesem Bastard an unserem Rockzipfel können wir nicht abhauen. Er wird uns verraten.«

      »Wir können ihn nicht zurücklassen.«

      »Warum nicht, zur Hölle?«, wollte Sammy wissen.

      Aber Cabe dachte bei sich: Wenn Sammy die Antwort auf diese Frage nicht weiß, was hat es für einen Sinn, es ihm zu erklären?

      In der Dämmerung des Sonnenuntergangs, erschöpft und eiskalt, ohne einen Bissen seit über vierundzwanzig Stunden, waren sie bereit, sich hinzulegen und zu sterben. Pete Oland, der voranging und die Gegend auskundschaftete, entdeckte einen Haufen toter Yankees auf einer Lichtung, die neben einem dunklen, blattlosen Dickicht lag. Cabe zählte zehn Männer. Zehn Männer in blauen Lumpen, die auf obszöne Weise verstümmelt worden waren. Jemand hatte sie skalpiert und zerstückelt. Ihre Gesichter waren von den darunter liegenden Schädelknochen abgetrennt worden. Die Bäuche waren geöffnet, die Eingeweide herausgerissen und überall verstreut wie Drahtbündel.

      »Gottverdammt«, rief Pete. »Hast du schon mal so was gesehen?«

      »Indianer«, sagte Sammy. »Diese ganzen Indianer unter Pike.«

      Vielleicht hat er recht, dachte Cabe. Die Cherokee und die Creek, die Chocktaw und die Chickasaw. Es wäre nicht das erste Mal, dass indianische Truppen ein klein wenig zu begeistert vom Gemetzel waren und wieder in ihre alten Gewohnheiten zurückfielen.

      »Ich mag diese Yankee-Bastarde nicht«, sagte Sammy. »Aber das hier! Gott Allmächtiger, dafür gibt es keinen Grund! Hörst du? Keinen Grund! Verfluchte Indianer! Von wegen Zivilisierte Stämme!«

      Cabe befahl ihnen, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die Männer waren tot, und sie waren auf grausame und primitive Weise gestorben, aber sie waren tot. Es gab nichts mehr, was man für sie tun konnte. Er ließ seine Leute durch die Leichen und ihre Überreste wühlen und sie nahmen den Toten die Mäntel, Decken, Rucksäcke und Koppeltaschen ab. Dazu jegliche Verpflegung, die sie finden konnten, vor allem aber Waffen. Wer auch immer diese Männer abgeschlachtet hatte, hatte ihre Enfield-Gewehre liegen gelassen. Cabe rechnete sich Chancen aus, dass seine Einheit es gut ausgerüstet und bewaffnet schaffen konnte, zu den konföderierten Truppen aufzuschließen, die sich auf dem Rückzug befanden.

      Es war ein Plan … nur, dass er nicht Wirklichkeit wurde.

      Angeekelt von sich selbst waren sie noch dabei, die Leichen zu plündern, als plötzlich ein Platoon Yankee-Kavallerie aus dem Dickicht stürmte und die konföderierten Soldaten wie eine Schlinge umfasste. Es gab kein Entrinnen. Kein Pardon. Kein gar nichts. Cabe hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine Menge mitgemacht … aber den toten Feind auszurauben und dabei erwischt zu werden, wie eine Horde Leichenschänder … das mochte gut und gerne das Ende der traurigen, alten Straße sein.

      Die Unionssoldaten stiegen ab.

      Obwohl viele von ihnen heruntergekommen aussahen in ihren verschmutzten, zerrissenen Uniformen und mit den schmalen, von Krieg und Gewalt gehärteten Gesichtern, sahen sie im Vergleich mit Cabe und seinen Männern doch recht anständig aus.

      Die Yankees waren außer sich, als sie den Zustand ihrer gefallenen Kameraden sahen. Ihre Sergeants mussten sie mit Gewalt zurückhalten. Wie ein Rudel geifernder, tollwütiger Hunde umkreisten sie die Südstaatler.

      Dann lief ein Offizier durch ihre Reihen.

      Er war ein großer, drahtiger Lieutenant im flatternden blauen Mantel, mit Hardee-Hut und Schwert an der Seite, in dem sich das Licht der untergehenden Sonne spiegelte. Sein Gesicht war hart wie Marmor, diese blauen Augen so elektrisiert wie Kugelblitze. Er lief um den vermüllten Haufen toter Nordstaatler herum. Drehte einen mit seinem glänzenden schwarzen Stiefel um. Er zeigte keine Emotionen, aber seine Augenbrauen zogen sich immer weiter zusammen, und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen wie bei einem Totenschädel.

      Cabe wusste, dass er eine hässliche Situation entschärfen musste. »Corporal Tyler Cabe, Zweites Arkansas-Infanterieregiment, Sir.«

      Der Lieutenant verkündete, er sei Jackson Dirker von der 59sten Illinois.

      Etwas an seinem Auftreten und seiner stählernen Ruhe ließ Cabes Blut gefrieren. Hier war ein Mann, dem seine Truppen offensichtlich sofortigen Respekt zollten und der zweifelsohne ein guter Soldat war … aber hier war auch ein Mann, der trotz seiner Zurückhaltung und seines gleichgültigen Verhaltens eine fast gewalttätige, grausame Aura an sich zu haben schien, die unmittelbar hinter diesen kristallblauen Augen brodelte wie Säure, die nur darauf wartete, Fleisch und Knochen zu verschlingen.

      »Sir, wir sind auf diese Männer in diesem Zustand gestoßen. Unsere Einheit wurde bei Pea Ridge zerschlagen, seit gestern versuchen wir, uns durchzuschlagen. Meine Männer haben seit Tagen nichts Vernünftiges gegessen«, erklärte Cabe. Seine Stimme war schrill und brach, denn bei Gott, er wusste, wie übel das alles aussah. »Wir haben nur die Waffen und etwas zu essen von diesen … diesen Toten genommen … nur genug, um zu überleben.«

      Die Unionssoldaten zitterten vor Wut, vor nackter, blinder Wut. Little Willy fing an, Unsinn zu erzählen, den niemand verstehen konnte, und ein stämmiger Sergeant befahl ihm mit irischem Akzent, sein weißes Südstaatenmaul zu halten, und zwar sofort. Aber Little Willy war durchgedreht, verloren in seiner Traumwelt, und machte einfach weiter. Im schlechtesten