SKIN MEDICINE - Die letzte Grenze. Tim Curran. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tim Curran
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350298
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      »Ma'am«, sagte Cabe. »Ich suche ein Zimmer. Vielleicht für eine Woche, vielleicht länger. Möglicherweise kürzer.«

      Die Frau ging zum Schreibtisch und öffnete das Gästebuch. »Ich bin sicher, wir können etwas für Sie tun, Mister …«

      »Cabe, Tyler Cabe.«

      Er betrachtete sie genau und stellte fest, dass sie ziemlich hübsch war. Ihr Haar war gerade noch auf dieser Seite der Mitternacht, ihre Wangenknochen hoch und ihre Augen wie schmelzende Schokolade. Dazu die angenehme Stimme. Samtig und süß. Sie hatte das leichte Näseln der Südstaatler … aber eines, das durch die gute Kinderstube der oberen Klassen abgemildert war. Cabe nahm an, dass sie aus gutem Hause stammte.

      »Und der Grund Ihres Aufenthalts?«, fragte sie.

      Cabe sah sie nur an. Solche Fragen stellten die meisten Hotels und Pensionen nicht. Aber Whisper Lake war offensichtlich eine wilde Gegend, also konnte man der Lady schlecht vorwerfen, wählerisch zu sein.

      »Ich bin Kopfgeldjäger, Ma'am«, sagte er, weder stolz noch beschämt. »Ich verdiene mein Geld damit, Menschen zur Strecke zu bringen. Ab und zu auch Tiere. Das beunruhigt manche Leute. Beunruhigt es Sie, Ma'am?«

      »Nicht im Geringsten.« Sie trug die Informationen in das Gästebuch ein. »Damit wir uns von Anfang an richtig verstehen, Mister Cabe. Was Sie tun, ist Ihre Angelegenheit, aber bringen Sie nichts davon hierher. Das hier ist ein anständiger Ort für anständige Leute. Wenn Sie trinken, herumhuren und dem Glücksspiel frönen wollen, ist das Ihre Sache, aber lassen Sie das vor der Tür. Unter meinem Dach findet das nicht statt. Haben Sie das verstanden, Mister Cabe?«

      Er lief vom Feuer herüber und rieb seine Hände aneinander. »Ja, Ma'am. Habe ich. Ich bin nicht zum Spaß hier, sondern rein geschäftlich.«

      »Sehr gut. Das Zimmer kostet fünf Dollar pro Tag. Frühstück gibt es um acht, Abendessen um fünf. Pünktlich. Um das Mittagessen müssen Sie sich selbst kümmern.«

      »Fünf Dollar, das ist ganz schön viel, Ma'am.«

      Sie nickte. »Ja, das ist es. Aber das hier ist eine Minenstadt, Mister Cabe. Es gibt andere Hotels, die fünfzig Dollar die Nacht nehmen. Wenn Sie sparsamer übernachten möchten, dann finden Sie sicher Platz in einer der zahlreichen Schlafbaracken. Eine strohgefüllte Matratze für fünfundzwanzig Cent pro Tag, noch warm vom vorigen Benutzer. Hier sind die Räume sauber. Es gibt kein Ungeziefer. Und das Essen ist gut.«

      Cabe bezahlte für zwei Tage. »Schätze, Sie haben mich überredet.«

      Er nahm seinen Sack und folgte ihr die Stufen nach oben. Sein Zimmer war klein, aber gemütlich. Bett, Kommode, Waschschüssel, ein winziger Wandschrank. Ein Fenster blickte über die teils regennassen, teils mit Schneematsch bedeckten Straßen.

      Sie entzündete eine Öllampe mit einem Streichholz. »Sie sind also ein Kopfgeldjäger. Hm … Ich bin noch nie einem Kopfgeldjäger begegnet. Sie bringen Männer zur Strecke und streichen das Kopfgeld ein. Wie fühlen Sie sich dabei, Mister Cabe? Fühlen Sie sich dadurch wichtig? Wie ein großer Mann?«

      »Nein, Ma'am. Eher wie ein kleiner Mann mit einem vollen Bauch.«

      Darüber lachte sie. »Eine unverschämte Antwort auf eine unverschämte Frage.«

      Cabe setzte sich auf das Bett. »Ich könnte ein Bad gebrauchen, Ma'am, wenn Sie das einrichten könnten. Übrigens, wie war noch gleich Ihr Name?«

      »Oh ja, wie unhöflich von mir. Janice Dirker«, sagte sie.

      2-5

      Nun, das würde ja interessant werden, nicht wahr?

      Cabe lag im heißen Wasser und dachte über den Krieg nach und über Jackson Dirker, über seine Frau und das Hotel, das ihm gehörte. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr fiel ihm auf, wie komisch das alles war. Wie alles zu einem Mann zurückkommt, früher oder später. Seine Vergangenheit war wie ein Geist, den er in einer Kiste weggepackt und versucht hatte, ihn zu vergessen. Jetzt hatte sich der Geist befreit und kam geradewegs zu ihm zurück.

      Und Dirker? Jackson Dirker?

      Ganz ehrlich, was empfand er tatsächlich beim Gedanken an ihn? Das war eine gute Frage. Cabe mochte den Mann nicht, wirklich nicht … doch er konnte nicht mehr sagen, dass er den Mann hasste. Die Zeit hatte seine Wut gedämpft. Wenn überhaupt, waren seine Gefühle Dirker gegenüber neutral. Ihn zu hassen, wäre einfacher, wenn Dirker angriffslustiger wäre und dazu neigen würde, darüber zu prahlen, was er getan hatte. Aber diese Sorte Mann war er nicht. Sicher, Dirker war immer noch der dreckige Sohn einer Hure, aber er entsprach kaum dem Dämon, der Cabes Erinnerung all die Jahre heimgesucht hatte.

      Und das machte alles nur noch schwieriger.

      Cabe dachte: Du bist nicht hier, um dich um vergangenes Unrecht zu kümmern. Denk daran. Dirker Probleme zu machen, wird deinen Geldbeutel nicht füllen. Du bist hier, um den Strangler zu finden, um diesen irren Bastard fertigzumachen. Mehr nicht. Sobald du versuchst, Dirker auf die Pelle zu rücken, wird es Ärger geben. Er ist der County Sheriff. Er kann das Leben für dich wirklich unangenehm machen.

      Aber … Sammy, Pete, Little Willy Gibson. Was war mit ihnen?

      Gibson war in den Wäldern gestorben an jenem Tag, Sammy in Camp Douglas. Pete war gegen Cabe ausgetauscht worden, war dann in eine andere Einheit eingetreten. War es gerechtfertigt, zwanzig Jahre nach den Ereignissen den Hass aufrechtzuerhalten? Die Bibel predigte Vergebung, aber Cabe war nie der vergebende Typ gewesen und hatte nicht viel mit religiösen Schriften am Hut. Aber auf der anderen Seite war er weder ein hasserfüllter noch ein gewalttätiger Mann, seiner Profession zum Trotz. Wann immer es möglich war, versuchte er mit Köpfchen durchzukommen, seine Widersacher zu überlisten.

      Aber Jackson Dirker … verdammt, der Mann wusste, wie er einen treffen konnte. Cabe war in sein Büro gegangen mit dem Plan, die Kontrolle zu behalten, und der Hurensohn hatte ihn zum Überschäumen gebracht, ohne auch nur einmal die Stimme zu heben.

      Der Süden hatte den Krieg verloren. Das war Fakt. Wie bei jedem guten Sohn der Konföderation schmerzte das auch ihn ein wenig, brannte noch an einem geheimen Ort. Aber Cabe konnte nicht herumsitzen und darüber brüten, dass die Yankees den Familienbesitz zertrampelt hatten, wie andere es taten. Seine Familie war arm wie die Kirchenmäuse, stammte aus Yell County, Arkansas. Sie mussten eine Farm bewirtschaften, die anderen gehörte … sie hatten von Anfang an nichts, was man ihnen wegnehmen konnte. Wenn die Yankees die Farm niedergebrannt hätten, wäre das eine entschiedene Verbesserung gewesen.

      Daran konnte er sich also nicht klammern.

      Manchmal fragte er sich nur, was da überhaupt war, um Halt zu finden.

      Mit schwieligen Fingern strich er über die Narben, die sich über sein Gesicht zogen, und entschied, dass Dirker zur Hölle fahren konnte. Um ihn würde er sich zu gegebener Zeit kümmern, wenn überhaupt. Jetzt war die Zeit, das Geschäft zu erledigen und Geld zu verdienen.

      2-6

      Manchmal dachte Caleb Callister über sein Leben nach und über die Bausteine, aus denen es zusammengesetzt war. Aber nicht oft. Nun da Hiram tot und seit sieben Monaten unter der Erde war, gehörte ihm allein die Firma, die bisher Callister Brothers Bestattungen hieß und sich bald Bestattungsinstitut Callister nennen würde. Ab und an vermisste Caleb seinen Bruder, aber oft kam das nicht vor. Sie hatten immer einen guten Deal gehabt: Caleb zimmerte die Särge und Hiram balsamierte die Leichen ein. Mit Leichen zu arbeiten, war nichts, was Caleb gerne tat. Nach Hirams Tod hatte er sich für einige Zeit daran versucht, aber es ekelte ihn, die sich wie feuchter Ton anfühlenden Toten zu berühren. Also hatte er einen Einbalsamierer namens Moss aus Stockton, Kalifornien, angestellt.

      Moss verstand sein Handwerk, und er kümmerte sich nicht um andere Dinge, was ein Plus war. Caleb hatte nicht allzu viel zu verbergen – jedenfalls nicht seit Hirams Tod – aber das Letzte, was er gebrauchen konnte,